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Gegendarstellung im Presserecht

Recht auf Selbstdarstellung und Schutz vor verfälschender oder entstellender Darstellung

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Technische und gesellschaftliche Wandlungen führen vor allem im Bereich der Massenmedien (Presse, Rundfunk und journalistisch-redaktionellen Medienangeboten im Internet) fortlaufend zu neuartigen Gefährdungen der Persönlichkeitssphäre. Der Anspruch auf Gegendarstellung verfolgt dabei das Ziel, Waffengleichheit zwischen dem von der Veröffentlichung Betroffenen und dem für die Publikation verantwortlichen Medium herzustellen.

Was ist eine Gegendarstellung?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfasst vor allem das fundamentale Recht, von anderen als Person respektiert und nicht verletzt zu werden, sowie das Recht auf Selbstdarstellung und den Schutz vor verfälschender oder entstellender Darstellung. Das Recht auf Abdruck einer Gegendarstellung gilt daher als Gegengewicht zu dem Einfluss der Presse auf die öffentliche Meinungsbildung zum Schutz der von einer Veröffentlichung Betroffenen.

Die Gegendarstellung dient dem Zweck der Richtigstellung oder Ergänzung, ohne dass der Betroffene die Wahrheit seiner Darstellung beweisen muss. Der Anspruch auf Gegendarstellung ist Ausprägung des Grundsatzes, dass im Interesse der Wahrheit zu einem bestimmten Sachverhalt nach Möglichkeit auch die andere Seite gehört werden soll. Er ist ein zivilrechtlicher Anspruch von nicht vermögensrechtlicher Natur.

Erfüllt wird der Anspruch durch Abdruck und Verbreitung bzw. durch Sendung der Gegendarstellung. Sie muss in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden. Beim Rundfunk muss die Gegendarstellung zur gleichen oder zumindest zu einer gleichwertigen Sendezeit erfolgen. Die Gegendarstellung ist in der Regel durch einen Sprecher der Sendeanstalt oder einen Moderator der Sendung zu verlesen.

Rechtsgrundlagen

Dem Schutz der Persönlichkeit dienen neben allgemeinen auch besondere Rechte. Die übliche Bezeichnung „allgemeines Persönlichkeitsrecht“ leitet sich aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ab. Die „besonderen“ Rechte sind etwa in § 12 BGB oder §§ 22 ff. KUG geregelt.

Presserechtliche Grundlage des Anspruchs auf Gegendarstellung sind die Landespressegesetze bzw. Landesmediengesetze. Danach sind der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder der Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist.

Entsprechende Regelungen des Anspruchs auf Gegendarstellung finden sich in den für den Rundfunk geltenden Gesetzen der Länder (Landesrundfunkgesetze) und bzgl. der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den entsprechenden Staatsverträgen, z.B. ARD- und ZDF-Staatsvertrag, Rundfunkstaatsvertrag. Der Anspruch richtet sich gegen die Rundfunkanstalt oder den Veranstalter oder Anbieter der Sendung.

Bei Äußerungen im Internet gilt § 56 Abs. 1 S. 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV):

„Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen.“

Anspruchsvoraussetzungen

Der Anspruch auf Gegendarstellung steht jeder Person oder Stelle zu, die durch eine in einem Presse-Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung (konkret) betroffen ist.

Betroffen ist nur, wer durch die veröffentlichte Tatsachenbehauptung unmittelbar oder mittelbar in seinen eigenen persönlichen Belangen oder in den seine Aufgaben im weitesten Sinne betreffenden Interessen berührt ist. Nicht notwendig ist, dass die betroffene Person oder Stelle mit Namen in der Veröffentlichung genannt ist; es genügt, wenn sie dem Adressatenkreis aus den Umständen heraus erkennbar wird.

Entgegen einem landläufigen Irrtum ist es für den Anspruch auf Gegendarstellung nicht notwendig, dass es sich bei der betreffenden Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt.

Zuleitung der Gegendarstellung und Veröffentlichungsverlangen

Der Anspruch entsteht mit der Veröffentlichung der Erstdarstellung und wird fällig mit Zuleitung der Gegendarstellung an den Verpflichteten und dem Verlangen auf Veröffentlichung. Das Verlangen muss sich auf eine bestimmte Gegendarstellung beziehen.

Frist und Form

Die Zuleitung der Gegendarstellung hat in der Regel unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Monaten seit Veröffentlichung der Erstdarstellung zu erfolgen.

Gewahrt wird die Frist nur durch Zuleitung einer ordnungsgemäßen Gegendarstellung. Unschädlich ist es jedoch, wenn die Gegendarstellung Passagen enthält, deren Abdruck zwar nicht verlangt werden kann, die jedoch vor der Veröffentlichung ohne Weiteres gestrichen werden können.

Die Frist beginnt mit der Kenntnisnahme von der Erstveröffentlichung durch den Betroffenen, bei Rundfunksendungen mit dem Tag der Sendung.

Erforderlich ist die Schriftform und die handschriftliche Unterzeichnung des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters. Der Text muss so gefasst sein, dass der Verpflichtete die Gegendarstellung „ohne Einschaltungen oder Weglassungen“ zum Abdruck bringen kann.

Tatsachenbehauptung und berechtigte Interessen

Die Gegendarstellung betrifft allein Tatsachenbehauptungen. Deshalb verstößt es gegen die Presse- und Meinungsfreiheit, wenn eine Gegendarstellung verlangt wird, obwohl es sich bei der Erstdarstellung um eine reine Meinungsäußerung bzw. ein Werturteil handelt. Auch Fragen, die auf die Ermittlung von Wahrheit oder Unwahrheit gerichtet und offen für verschiedene Antworten sind, können keinen Gegendarstellungsanspruch auslösen.

Ein berechtigtes Interesse des Betroffenen liegt in der Regel vor, wenn der Anspruchsteller von der Veröffentlichung betroffen ist. Zu verneinen ist ein berechtigtes Interesse dann, wenn die Gegendarstellung einen offenbar unwahren Inhalt hat, wobei dieser nur angenommen werden kann, wenn die Unwahrheit offenkundig oder gerichtsbekannt ist.

Ein berechtigtes Interesse fehlt auch im Falle des Rechtsmissbrauchs, z.B. wenn auf eine Erstdarstellung erwidert werden soll, mit deren Veröffentlichung der Betroffene einverstanden war. Der Anspruch auf Gegendarstellung besteht dagegen, wenn die betroffene Person zuvor keine Stellungnahme zu einer geplanten Berichterstattung abgegeben hat, obwohl die Redaktion ihr eine solche Möglichkeit eingeräumt hatte.

Sonderfall: Verdachtsberichterstattung

Eine Verdachtsberichterstattung liegt vor, wenn die Medien über einen bestimmten Verdacht gegen eine oder mehrere Personen in der Öffentlichkeit berichten und dabei die Namen dieser Person(en) offenlegen oder diese Person(en) zumindest identifizierbar machen. Zu diesem Zeitpunk ist es nicht erforderlich, dass die behaupteten Tatsachen wahr sind. Jedoch darf ihre Darstellung keinen Persönlichkeitsschaden durch Anprangerung, Stigmatisierung oder Ausgrenzung erzeugen, der außer Verhältnis zu dem (öffentlichen) Interesse an ihrer Verbreitung steht.

Aus dieser Befugnis der Medien resultieren Risiken für die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen, die im Einzelfall ein existenzbedrohendes Maß erreichen können, insbesondere wenn offen bleibt, ob der Verdacht berechtigt ist. Aber selbst wenn der Verdacht ausgeräumt wird, muss der Betroffene damit leben, dass an ihm ein Makel haften bleibt.

Nach den vom BGH entwickelten Kriterien einer zulässigen Verdachtsberichterstattung ist zunächst zu fordern, dass es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handelt, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Es muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten.

Auch ist vor der Veröffentlichung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt zu recherchieren und hierbei regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Das bedeutet indessen nicht, dass die Stellungnahme des Betroffenen im Wortlaut oder auch nur in den wesentlichen Zügen wiedergegeben werden müsste. Jedoch muss der wesentliche Gehalt der Erwiderung, soll sie ihre materielle Bedeutung behalten, in einem dem Umfang der Berichterstattung angemessen entsprechenden Umfang wiedergegeben werden. Zugleich kann der Betroffene die Wiedergabe seiner Erklärung, wenn sie der Sache nach korrekt erfolgt ist, nicht ihrerseits als Verletzung des Persönlichkeitsrechts betrachten.

Nachtrag bei Einstellung der Ermittlungen oder Freispruch

Da die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat stets das Risiko der Unrichtigkeit in sich trägt und besonders belastende Auswirkungen auf Betroffene haben kann, kann die Presse zur Abmilderung solcher Wirkungen in eine Folgeverantwortung genommen werden, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen zu der betreffenden Straftat eingestellt werden oder der Betroffene freigesprochen wird. Es ist dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte den erforderlichen Ausgleich zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht dadurch herbeiführen, dass sie dem Betroffenen das Recht zubilligen, eine nachträgliche Mitteilung über den für ihn günstigen Ausgang des Strafverfahrens zu verlangen.

Der Nachtrag ist auch gegen eine zulässige Verdachtsberichterstattung möglich, sofern nicht die Stellungnahme des Betroffenen bereits in dieser vollständig wiedergegeben wird.

Recht auf Vergessenwerden

Fraglich ist, wie diese Grundsätze auf das Vorhalten einer erst nachträglich unrichtig gewordenen Verdachtsberichterstattung im Internet anzuwenden sind. Entscheidend ist dabei, ob es sich bei dem Anbieten der Verdachtsberichterstattung im Internet um ein ständig neues »Verbreiten« handelt.

Wenn dies der Fall ist, kann es für die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Verdachtsberichterstattung nur auf den Zeitpunkt ankommen, in dem der Bericht im Internet abgerufen wird. Ist der Verdacht in diesem Zeitpunkt entfallen oder genügt die Berichterstattung in diesem Zeitpunkt nicht mehr den Sorgfaltsanforderungen, weil z. B. neu aufgetretene entlastende Momente nicht berücksichtigt werden, sind die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt und der Bericht wäre unzulässig.

Im Fall der rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung haben sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urteil v. 28.06.2018, Az. 60798/10und 65599/10) als auch der Bundesgerichtshof (u.a. BGH, Urteil v. 20.10.2010, Az. VI ZR 245/08und VI ZR 246/08) bereits entschieden, dass die Berichterstattung über Straftaten Teil der Zeitgeschichte sei. In diesem Zusammenhang sei das öffentliche Interesse an einer Information umso größer, je mehr die Kriminalität des Falles außerhalb des Gewöhnlichen liege. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittele Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Daran ändert auch die nachträgliche Unrechtmäßigkeit des Berichts nichts, weil das Verfahren eingestellt oder der Betroffene freigesprochen wurde.

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