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Abgrenzung von diätetischem Lebensmittel und Präsentationsarzneimittel

Präsentationsarzneimittel
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Wird ein Erzeugnis als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebracht, sind die für derartige Lebensmittel verpflichtenden Angaben grundsätzlich nicht geeignet, die Eigenschaft des Erzeugnisses als Präsentationsarzneimittel zu begründen. Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Einordnung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht vorliegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem aktuellen Urteil vom (BVerwG, Urteil v. 17.09.2021, Az. 3 C 20.20) entschieden.

Was sind diätische Lebensmittel und Präsentationsarzneimittel?

Präsentationsarzneimittel stellen solche Arzneimittel dar, die nicht aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirkweise, sondern durch ihre Bezeichnung oder Aufmachung als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind.

Funktionsarzneimittel sind dagegen Arzneimittel, die durch ihre Wirkung Einfluss auf physiologische Funktionen nehmen. Sie unterscheiden sich von den Präsentationsarzneimitteln, die ungeachtet ihrer tatsächlichen Wirksamkeit zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Die Unterscheidung geht zurück auf Art. 1 Nr. 2 des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel. Funktions- wie Präsentationsarzneimittel sind Arzneimittel im Sinne von § 2 AMG und dürfen ohne arzneimittelrechtliche Zulassung gem. § 21 Abs. 1 AMG, § 3a Satz 1 HWG weder vertrieben noch beworben werden.

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zählen zu den Lebensmitteln, die für Patienten, einschließlich Säuglinge, entwickelt werden, deren Nährstoffbedarf aufgrund bestimmter Erkrankungen, Störungen oder spezifischer Beschwerden nicht durch den Verzehr normaler Lebensmittel gedeckt werden können.  Sie dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den hierfür geltenden Voraussetzungen genügen. Hierzu gehört u.a., dass sie sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam in dem Sinne sind, dass sie den besonderen Ernährungsanforderungen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist.

Einordnung als diätetisches Lebensmittel strittig

Die Klägerin im Rechtsstreit war ein Unternehmen, welches in Österreich hergestellte Harnwegskapseln in Deutschland vertrieb. Strittig war die Einordnung als diätetisches Lebensmittel. Das Mittel wurde mit der ergänzenden Bezeichnung „Diätetisches Lebensmittel zum Diätmanagement bei Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten“ verkauft. Einen Hinweis auf den Namen des österreichischen Herstellers oder seine Internetseite enthielt das Etikett des Produkts nicht. Im September 2014 stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 21 Abs. 4 Arzneimittelgesetz (AMG) fest, dass es sich bei dem Erzeugnis um ein zulassungspflichtiges Präsentationsarzneimittel handele. Zur Begründung führte das Bundesinstitut für Arzneimittel aus:  Die als Inhaltsstoffe verwendeten Pflanzen würden allesamt als traditionelle Arzneipflanzen verwendet. Für sie lägen monographische Aufbereitungen vor und sie seien Bestandteil verschiedener zugelassener Arzneimittel. Für alle im Präparat enthaltenen Pflanzen habe sich eine gefestigte Verkehrsauffassung als Arzneimittel gebildet. Die arzneiliche Zweckbestimmung werde durch die Angaben auf der Homepage des Herstellers zu den Wirkungen der Inhaltsstoffe bestätigt.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug insbesondere vor, dass das Erzeugnis ausdrücklich als diätetisches Lebensmittel vertrieben wird und entsprechend gekennzeichnet ist. Es sei daher gerade nicht als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt.  Eine diuretische Wirkung sei als lebensmitteltypisch anzusehen.

Das BfArM wies den Widerspruch zurück, da die Behandlung von Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten durch harntreibend wirkende Mittel eine Arzneimitteltherapie darstelle.

Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage wies das VG Köln ab. Die Beklagte habe das Erzeugnis zu Recht als Präsentationsarzneimittel eingestuft. Bei dieser Bewertung sei die von der Klägerin gewählte Produktkategorie hinwegzudenken, andernfalls läge die Zulassungspflicht als Arzneimittel in ihrem Belieben, so das VG Köln.

Berufung erfolgreich – Einstufung als zulassungspflichtiges Arzneimittel rechtswidrig

Beim OVG hingegen war die Berufung der Klägerin erfolgreich. Das OVG Münster änderte das Urteil und hob die angefochtenen Bescheide auf. Nach Ansicht des OVG erfülle das Erzeugnis aller Voraussicht nach nicht die Voraussetzungen eines diätetischen Lebensmittels. Dies bewirke aber keine Einstufung als Präsentationsarzneimittel. Schutz vor derartigen Falschdeklarationen sei vielmehr mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu gewährleisten.

Die Revision beim Bundesverwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Den Leipziger Bundesrichtern zufolge hat das OVG richtigerweise entschieden, dass die angefochtene Feststellung des Bundesinstituts, bei dem Mittel handele es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel, rechtswidrig war. Das Bundesverwaltungsgericht betonte in seiner Entscheidung, dass in dem Fall, in dem ein Erzeugnis als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebracht werde, die für derartige Lebensmittel verpflichtenden Angaben grundsätzlich nicht geeignet seien, die Eigenschaft des Erzeugnisses als Präsentationsarzneimittel zu begründen. Grundsätzlich könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher ein ausdrücklich als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke angebotenes Präparat, für ein Arzneimittel halten wird. Hierfür bedürfe es besonderer, zusätzlicher Umstände.

Aus den Pflichtangaben der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ergeben sich allerdings keine solchen Umstände, führte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung aus. Gemäß Art. 4 Abs. 4 Buchst. a der RL 1999/21/EG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Diätverordnung müssen diätetische Lebensmittel fürbesondere medizinische Zwecke u.a. den Hinweis enthalten „’Zur diätetischen Behandlung von …‘, ergänzt durch die Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist“. Auch nach Art. 11 Abs. 1 der Nachfolge-Verordnung (EU) Nr 609/2013 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Buchst. e der Delegierten Verordnung (EU) 2016/128 ist der Hinweis: „’Zum Diätmanagement bei …‘ ergänzt durch die Krankheit, die Störung oder die Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist“, verpflichtend. Die hieraus folgende Präsentation, mit der ein Bezug zu einer Grunderkrankung hergestellt wird, dürfe daher nicht zur Zuschreibung einer Arzneimitteleigenschaft führen ( BGH, Urteil v. 30. November 2011 , I ZR 8/11).

Bezugnahme auf Krankheiten, Störungen oder Beschwerden erlaubt

Insbesondere erwecke der Hersteller dadurch nicht den Anschein eines Arzneimittels, sondern weist die gesetzlich vorgesehene Zweckbestimmung eines Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke aus. Die Bezugnahme auf Krankheiten, Störungen oder Beschwerden ist im Zusammenhang mit der Zweckbestimmung „Zur diätetischen Behandlung von“ bzw. „Zum Diätmanagement bei“ für die Produktkategorie der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sei vielmehr ausdrücklich erlaubt und vorgegeben. Untersagt ist nur die Anpreisung von Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Erst mit dieser arzneilichen Präsentation verlässt das Erzeugnis das für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vorgesehene Anwendungsfeld und eröffnet die Annahme eines Präsentationsarzneimittels. Vorliegend erfolgte eine solche Anpreisung jedoch nicht.

Einordnung nicht klärungsbedürftig

Abschließend stellte das Bundesverwaltungsgericht heraus, dass die Frage, ob das Erzeugnis tatsächlich, wie vom Unternehmen behauptet, die Voraussetzungen für die Einstufung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke erfüllt, nicht Gegenstand der auf § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG gestützten Verfügung sei und demnach nicht entschieden werden müsse. Damit komme zwar möglicherweise ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr, das sich für den Personenkreis, für den es bestimmt sei, nicht nutzbringend und wirksam verwenden lasse. Diesem Umstand wäre aber mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu begegnen. Zur Klärung, ob die Kapseln diesen Anforderungen genügen, sind indes die zuständigen Behörden der Lebensmittelaufsicht berufen. Eine Schutzlücke entsteht aus Sicht des BVerwG damit nicht.

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