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Kununu muss keine Klarnamen nennen, aber dafür dann Bewertung löschen

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Kununu-Bewertungen
© Artur – Adobe Stock

Geben Arbeitnehmer auf der Plattform Kununu negative Bewertungen über ihren Arbeitgeber ab, müssen sie zukünftig damit rechnen, dass sie ihren vollen Namen preisgeben müssen. Dabei stellt es kein richtmissbräuchliches Verhalten dar, wenn der Arbeitgeber eine genau darauf spezialisierte Kanzlei mit der Löschung diverser negativer Kommentare betraut.

Das entschied das Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024, Az. 7 W 11/24).

Negative Bewertungen schaffen Image-Problem

Bei der Beklagten Kununu handelt es sich um eine Bewertungsplattform, auf der Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber anonym hinsichtlich der Arbeitsatmosphäre, Kommunikation im Unternehmen, Arbeitsbedingungen und sonstiger Kategorien bewerten können.

Gerade in Anbetracht des Fachkräftemangels wird es für Unternehmen zunehmend wichtiger, ein positives Image zu haben und sich so für künftige Arbeitnehmer attraktiv darzustellen. Besonders störend kann in diesem Zusammenhang eine schlechte Bewertung auf Kununu sein.

So erging es auch der Antragstellerin, einem Start-up mit rund 20 Mitarbeitern, in dem am Oberlandesgericht Hamburg anhängigen Rechtsstreit. Sie begehrte im Wege der einstweiligen Verfügung die Löschung mehrerer negativer Einträge auf dem Portal, die das Start-up als schlechte Arbeitgeberin darstellten.

Kununu muss Echtheit der Bewertungen sicherstellen

Zuvor hatte die Antragstellerin bereits außergerichtlich die Löschung der Einträge verlangt. Kununu begegnete dem Anliegen damit, dass sie von dem Start-up einen Nachweis verlangte, dass tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliege. Zudem verlangte die Plattform auch von den betreffenden Nutzern, Nachweise zu erbringen, die die Echtheit der Bewertung belegen. Diesen gelang der Nachweis durch Übersendung von anonymisierten Tätigkeitsnachweisen.

In erster Instanz entschied das Landgericht Hamburg, dass Kununu seiner Pflicht, die Echtheit der Bewertungen sicherzustellen, nachgekommen war, indem es von den Nutzern einen anonymisierten Tätigkeitsnachweis verlangte.

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Internetportalen

Mit seinem Beschluss hob das Oberlandesgericht Hamburg diese Entscheidung auf. Im Wesentlichen geht es darum, dass auch im vorliegenden Fall die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Haftung eines Betreibers eines Internet-Bewertungsportals zum Tragen kommen:

Wird die Portalbetreiberin mit einer hinreichend konkreten Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung etwaiger Stellungnahme des Bewerters geboten. Als hinreichend konkrete Beanstandung des Betroffenen ist es dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich ausreichend, wenn dieser rügt, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege; diese Rüge darf der Bewertete grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewerber so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts überprüfen kann.

Bei den Aufforderungen der Antragstellerin an Kununu handelte es sich um taugliche Rügen. Es blieb dann jedoch zu klären, ob es ein missbräuchliches Verhalten der Antragstellerin darstelle, dass sie mithilfe einer speziell auf die Löschung von negativen Bewertungen auf Bewertungsportalen ausgerichteten Kanzlei eine Vielzahl von Bewertungen löschen lassen wollte.

Laut dem Oberlandesgericht Hamburg sei ein solcher Rechtsmissbrauch hier nicht anzunehmen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass auf einem Bewertungsportal auch eine Vielzahl nicht auf konkreten Kontakten beruhender Bewertungen eines Betroffenen eingestellt werden. Auch die Tatsache, dass die beauftragte Kanzlei offensiv damit wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge auf Bewertungsportalen vorzugehen, ließe keinen Rückschluss darauf zu, ob das Vorgehen im Einzelnen begründet ist oder nicht.

Im Ergebnis reiche die Übermittlung anonymisierter Tätigkeitsnachweise nicht dafür aus, dass die Antragstellerin die jeweiligen Bewerter individualisieren kann. Kununu muss der Antragstellerin Klarnamen nennen oder die Bewertungen löschen.

Datenschutz ist kein Hindernis

Auch datenschutzrechtlich ist die Entscheidung brisant: Das Argument der Antragsgegnerin, dass sie den Bewerter aus Datenschutzgründen nicht namentlich nennen dürfe, ließ das Gericht nicht gelten.

Der Datenschutz dürfe nicht dazu führen, dass eine Bewertung öffentlich zugänglich gehalten werden darf, solange dem Bewerteten die Möglichkeit genommen ist zu klären, ob ihr überhaupt ein geschäftlicher Kontakt mit dem Bewerter zugrunde liegt; denn soweit es um die Verbreitung von Äußerungen geht, deren Rechtmäßigkeit nur überprüft werden kann, wenn der Urheber oder die Quelle der Äußerungen bekannt ist, trägt das Risiko, ob er den Urheber oder die Quelle namhaft machen darf, kann oder will, im Streitfall grundsätzlich der Verbreiter. Geschieht die Verbreitung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes, wie das bei einem Bewertungsportal der Fall ist, gehöre dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffen.

Folgen für die Praxis

Eine Konsequenz dieser Entscheidung könnte sein, dass Arbeitnehmer von öffentlichen Bewertungen abschrecken lassen. Denn sie müssten sich im Zweifel „outen“, wenn sie verhindern wollen, dass der Betreiber sie löscht.

Eine Konsequenz, die man nicht unbedingt beklagen muss. Denn ein Arbeitsverhältnis ist nun mal keine Massenware und Arbeitnehmer durch unterschiedliche Vorschriften, zum Beispiel Kündigungsschutz, Datenschutz, Whistleblower-Schutz ohnehin bereits umfassend geschützt. Der Arbeitgeber wird sich gegen negative Bewertungen umgekehrt nicht öffentlich wehren können, weil er damit gegen seine Fürsorgepflichten verstoßen könnte.

Abgesehen davon sollte man ohnehin die Unsitte generell überdenken, jede Unzufriedenheit dem „Gerichtshof der Öffentlichkeit“ vorzulegen.

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