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Künstliche Intelligenz und Wettbewerbsrecht

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Während der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) zur Automatisierung von Geschäftsprozessen, zur Entwicklung kognitiver Einblicke und zur Verbesserung der Kundeninteraktion immer mehr zur Normalität wird, hat das exponentielle Wachstum neuer Zweige der KI, insbesondere der generativen KI, einen Einblick in die wahre Macht und das Potenzial der KI als Ressource gegeben.

Auch das Wettbewerbsrecht ist in diesem Zusammenhang relevant. Die Schnittstelle zwischen KI und Wettbewerbsrecht umfasst eine Vielzahl von Themen, die sich aus den einzigartigen Fähigkeiten der KI und ihrer Nutzung in der Geschäftswelt ergeben. Der Begriff des Wettbewerbsrechts umfasst dabei zum einen das Lauterkeitsrecht, das in Deutschland im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt ist, und zum anderen das Kartellrecht, das in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) normiert ist.

Lauterkeitsrecht

Das Verhältnis zwischen KI und Lauterkeitsrecht betrifft vor allem die Art und Weise, wie KI-Technologien den Wettbewerb beeinflussen können, insbesondere in Bezug auf Werbepraktiken, Marktverhalten und Verbraucherschutz.

Im Folgenden geben wir einen Überblick über einige Schlüsselthemen, die sich aus dem Zusammenspiel von KI und Lauterkeitsrecht ergeben:

Einsatz von KI muss unternehmerischer Sorgfalt entsprechen

Das UWG setzt in § 3 Abs. 2 einen wichtigen Rahmen für den Schutz der Verbraucher vor geschäftlichen Handlungen, die nicht den Standards der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen. Die Vorschrift soll Praktiken verhindern, die geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher wesentlich zu beeinflussen, indem sie eine allgemeine Leitlinie gegen unlauteres Verhalten aufstellt.

Dieser Rahmen gilt auch für den Einsatz von KI. Was genau unter dem Maßstab der „unternehmerischen Sorgfalt“ zu verstehen ist, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern bedarf einer detaillierten Betrachtung des Einzelfalls. Wir von LHR Rechtsanwälte helfen Ihnen gerne dabei, eine für Ihren Einzelfall passende Antwort auf die Frage nach der unternehmerischen Sorgfalt zu finden.

Transparenz- und Kennzeichnungspflichten bezüglich des Einsatzes von KI

Eine konkrete Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI stellt, ist, ob Unternehmen verpflichtet sind, den Einsatz von KI als solchen gegenüber ihren Kunden transparent zu machen und entsprechend zu kennzeichnen.

Nach § 5a UWG müssen wesentliche Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sind, deutlich mitgeteilt werden. Bei kommerzieller Kommunikation mittels KI wird die Tatsache, dass hinter der Kommunikation eine KI und keine reale Person steht, in der Regel nicht als wesentliche Information angesehen, die explizit offengelegt werden muss. Eine Ausnahme bildet jedoch der Einsatz von KI in Situationen, in denen der persönliche Kontakt zu einer realen Person für den Kunden von entscheidender Bedeutung ist, wie z. B. bei Chatbots im Kundenservice. In solchen Fällen kann eine Offenlegung erforderlich sein.

Darüber hinaus sollten Unternehmen, die KI-generierte Dienstleistungen oder Produkte anbieten, sorgfältig prüfen, ob die Tatsache, dass ein Vertragsgegenstand teilweise oder vollständig durch KI generiert wurde, für die Entscheidungsfindung des Kunden relevant sein könnte. Ist dies der Fall, besteht eine Aufklärungspflicht über den Einsatz von KI.

Daneben gibt es spezifische gesetzliche Kennzeichnungspflichten, die im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI stehen können (z.B. § 18 Abs. 3 Medienstaatsvertrag). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann als Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG gewertet werden. Darüber hinaus sieht der aktuelle Entwurf der europäischen KI-Verordnung in Art. 52 eine Transparenzpflicht vor, deren konkrete Auswirkungen und Anforderungen allerdings noch von der endgültigen Verabschiedung der Verordnung abhängen.

Transparenzpflichten bezüglich eingesetztem Algorithmus

Neben der Frage, ob der Einsatz von KI als solcher offengelegt werden muss, stellt sich auch die Frage, ob Transparenzpflichten in Bezug auf die verwendeten Algorithmen bestehen, die hinter vielen Diensten und Produkten stehen.

Eine vollständige Offenlegung der Algorithmen und ihrer Funktionsweise wird nicht gefordert. Allerdings zielen verschiedene rechtliche Regelungen darauf ab, ein gewisses Maß an Transparenz zu gewährleisten, um die für KI-Operationen typische Undurchsichtigkeit zu verringern. Diese Transparenzanforderungen sind vor allem dann von Bedeutung, wenn die Entscheidungen von Marktteilnehmern und das Funktionieren des Wettbewerbs betroffen sind.

Ein Beispiel hierfür sind die Erwartungen der Endnutzer an die Objektivität und Relevanz von Ranglisten in Suchergebnissen. Da die obersten Positionen in solchen Listen überproportional viel Aufmerksamkeit erhalten, können sie erhebliche Auswirkungen auf wirtschaftliche Entscheidungen und damit auf das Marktgeschehen haben. Diese Rankings basieren auf Algorithmen, die potenziell manipulierbar sind, was die Notwendigkeit einer Regulierung unterstreicht.

Neben der allgemeinen Regelung zur Wesentlichkeit von Informationen in § 5a UWG finden sich in § 5b Abs. 2 UWG spezielle Anforderungen an Unternehmen, die Verbrauchern die Möglichkeit einer Online-Suche bieten. Die betroffenen Unternehmen müssen die erforderlichen Informationen in klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Form zur Verfügung stellen, um sicherzustellen, dass alle Nutzer in der Lage sind, informierte Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus erweitert der Anhang zu § 3 III UWG in Nr. 11a das Verbot der versteckten (bezahlten) Werbung in Online-Suchergebnissen.

Darüber hinaus gibt es weitere Regelungen zur Transparenz von Algorithmen in anderen Gesetzen (z.B. in der P2B-Verordnung, im Bürgerlichen Gesetzbuch in Verbindung mit dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, im Digital Markets Act, im Digital Services Act oder im Medienstaatsvertrag). Die Regelungen überschneiden sich teilweise, verfolgen aber unterschiedliche Ziele und richten sich an unterschiedliche Adressaten.

Angesichts dieser komplexen Rechtslage ist es für Unternehmen unerlässlich, die relevanten Transparenz- und Kennzeichnungspflichten genau zu kennen und einzuhalten. LHR Rechtsanwälte unterstützt Unternehmen dabei, ihre rechtlichen Verpflichtungen zu verstehen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Dadurch wird nicht nur die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen sichergestellt, sondern auch das Vertrauen der Kunden in die eingesetzten Technologien gestärkt.

Kein unlauteres Verhalten gegenüber Verbrauchern

Der Einsatz von KI bietet verschiedene Ansätze für unlauteres Verhalten gegenüber Verbrauchern.

Eine davon ist die Verwendung sogenannter „Dark Patterns“. Als „Dark Patterns“ werden Gestaltungselemente von Websites oder Apps bezeichnet, die Nutzerinnen und Nutzer zu Handlungen verleiten, die sie eigentlich nicht beabsichtigen. Solche Praktiken können nach § 4a UWG als aggressive geschäftliche Handlungen angesehen werden, die wettbewerbswidrig sind.

Des Weiteren kann der Einsatz individualisierter Werbung, insbesondere durch „Behavioral Advertising“, bei dem Werbung auf das Verhalten oder die Emotionen der Nutzer abzielt, oder durch „Price Steering“, bei dem Suchergebnisse und Empfehlungen personalisiert werden, als irreführend im Sinne der §§ 5 ff. UWG eingestuft werden. Diese Praktiken können die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher einschränken und das Marktverhalten in einer Weise beeinflussen, die nicht immer transparent und im Interesse der Nutzer ist.

Darüber hinaus verlangt das UWG neben dem Datenschutzrecht, dass Unternehmen den Einsatz von KI in der Werbung (siehe oben) offenlegen, einschließlich des Umfangs und der Art des Zugriffs auf personenbezogene Daten. Diese Informationspflichten gelten unabhängig davon, ob die Nutzer die bereitgestellten Informationen tatsächlich zur Kenntnis nehmen oder verstehen, solange die Information in einer dem Kontext angemessenen Weise erfolgt.

Ein weiteres Problem ist die mögliche Verwechslung von KI-generierter Werbung mit der Werbung eines bestimmten Unternehmens, die entweder durch bewusste Nachahmung oder unbeabsichtigte Wiederholung von Gestaltungselementen durch KI-Systeme entstehen kann. Um Risiken wie Wettbewerbsverstöße, Urheberrechtsverletzungen oder die Erstellung unangemessener Inhalte zu minimieren, empfiehlt es sich, den KI-generierten Output stets auf mögliche Kollisionen zu prüfen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Autonomie von KI-Systemen eine „Unlauterkeitsspirale“ in Gang setzen kann, bei der sich die Systeme im Zuge ihrer algorithmischen Evolution unlautere Marktverhaltensstrategien aneignen, die ohne direkten Zugriff auf persönliche Profile entwickelt werden. Der Einsatz von KI sollte daher stets mit Bedacht erfolgen.

Nutzung von KI muss diskriminierungsfrei sein

Der Einsatz von KI geht mit der Verpflichtung einher, Diskriminierungen zu vermeiden. Werbepraktiken, die auf KI-Technologie basieren, müssen die Vorgaben der Preisangabenverordnung und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einhalten. Verstöße gegen diese Vorschriften können nach § 3a UWG als Wettbewerbsverstoß gewertet werden.

Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen, die KI zur personalisierten oder dynamischen Preisgestaltung einsetzen, sicherstellen müssen, dass ihre Preisstrategien den Anforderungen an Preiswahrheit und Preisklarheit genügen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass jede Form der Preisdifferenzierung nicht zu Diskriminierung führt, z. B. durch die Anpassung der Preise an das vermutete Budget des Kunden aufgrund bestimmter persönlicher Merkmale.

Neben der Preisgestaltung spielt auch der Inhalt der Werbung eine wichtige Rolle. Unternehmen, die KI zur Erstellung ihrer Werbekampagnen einsetzen, müssen diese auf potenziell diskriminierende Inhalte überprüfen. Ziel ist es, Werbung zu vermeiden, die sexistisch oder anderweitig diskriminierend sein könnte (z.B. aufgrund von Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft).

Kennzeichnung werblicher Kommunikation

Ferner verlangt das UWG in § 5a Abs. 4, dass Werbung als solche klar erkennbar sein muss. Diese Vorschrift ist insbesondere in der digitalen Welt relevant, in der die Grenzen zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt oft fließend sind. Eine Ausnahme von der Pflicht zur ausdrücklichen Kennzeichnung als Werbung besteht dann, wenn sich der kommerzielle Charakter der Kommunikation unmittelbar aus den Umständen ergibt. Ein Beispiel hierfür wäre der Einsatz eines Chatbots in einem Online-Shop, bei dem die Kunden bereits erwarten, dass die Interaktionen letztlich auf den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen abzielen.

Vorgaben bei Nutzung von Chatbots

Chatbots, technologische Dialogsysteme, die den Austausch zwischen Mensch und Maschine ermöglichen, haben sich mittlerweile in der digitalen Kommunikationslandschaft etabliert. Sie ermöglichen es dem Nutzer, mit einem technischen System in natürlicher Sprache zu kommunizieren, sei es durch Text- oder Spracheingabe. Im Wesentlichen sind Chatbots Roboter, die für eine Vielzahl von Interaktionen entwickelt wurden, von der Beantwortung einfacher Anfragen bis hin zur Ausführung komplexer Aufgaben.

Die Funktionsweise von Chatbots kann entweder auf fest definierten Regeln oder auf künstlicher Intelligenz basieren. Während regelbasierte Systeme mit einem vordefinierten Satz von Fragen und Antworten arbeiten, sind KI-basierte Chatbots in der Lage, aus bestehenden Dialogen zu lernen und ihre Antworten entsprechend anzupassen.

Setzen Unternehmen Chatbots zu Werbezwecken ein, müssen sie bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen beachten. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist grundsätzlich eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich, bevor ein Chatbot einen Verbraucher zu Werbezwecken kontaktieren darf.

Darüber hinaus ist besonders darauf zu achten, dass Chatbots keine falschen, unrichtigen oder aggressiven Werbeaussagen machen, da dies ebenfalls zu einem Verstoß gegen das UWG führen kann. Um das Risiko irreführender Aussagen zu minimieren, können Maßnahmen wie die Aufnahme eines Disclaimers in die Nutzungsbedingungen hilfreich sein. Dieser Disclaimer sollte die Grenzen der Genauigkeit des Chatbots aufzeigen und deutlich machen, für welche Zwecke der Chatbot eingesetzt wird und für welche nicht. Außerdem sollte stets darauf geachtet werden, dass der Chatbot mit korrekten und aktuellen Daten gefüttert wird, um die Qualität und Relevanz der bereitgestellten Informationen zu gewährleisten.

Kartellrecht

Das Verhältnis zwischen KI und Kartellrecht ist in der modernen Wirtschaft, in der KI-Technologien zunehmend zur Optimierung von Geschäftsprozessen und zur Unterstützung der Entscheidungsfindung eingesetzt werden, ebeenfalls von besonderer Relevanz. Die aufgeworfenen Fragen betreffen insbesondere die Art und Weise, wie KI Marktstrukturen beeinflussen und potenziell zu wettbewerbsbeschränkenden Praktiken führen kann. Einige Schlüsselthemen werden im Folgenden näher beleuchtet:

Kartellverbot

Das GWB, insbesondere die §§ 1 bis 3, enthalten ein Kartellverbot. Dieses Verbot richtet sich gegen Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die darauf abzielen, den freien Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen.

Ein typisches Beispiel für solche unzulässigen Absprachen sind Preisabsprachen. Dabei vereinbaren die beteiligten Unternehmen einen festen Verkaufspreis für ihre vergleichbaren Produkte.

Die Bildung von Kartellen schadet dem Wettbewerb erheblich, da sie dazu führt, dass Unternehmen nicht mehr miteinander im Wettbewerb stehen. Leidtragende sind in erster Linie die Verbraucherinnen und Verbraucher, die für Produkte und Dienstleistungen oft mehr bezahlen müssen, als es bei ungehindertem Wettbewerb der Fall wäre.

Im Zusammenhang mit dem Kartellverbot und KI taucht vermehrt der Begriff der „algorithmischen Kollusion“ auf. Dieser beschreibt jede wettbewerbswidrige Absprache oder Koordination zwischen konkurrierenden Unternehmen, die durch den Einsatz automatisierter Systeme erleichtert oder umgesetzt wird.

Diese Form der Kollusion umfasst sowohl explizite Absprachen, die durch direkte Vereinbarungen zwischen Unternehmen zustande kommen, als auch stillschweigende Koordinationsformen, bei denen Unternehmen parallel agieren, ohne dass eine formelle Vereinbarung vorliegt. Während das Wettbewerbsrecht Parallelverhalten ohne abgestimmte Verhaltensweise grundsätzlich nicht verbietet, stellen explizite Absprachen ein klares rechtliches Problem dar.

Algorithmische Kollusion kann verschiedene Formen annehmen. Zum einen gibt es die algorithmische Ermöglichung traditioneller Kollusion, bei der Algorithmen eingesetzt werden, um bestehende Absprachen zwischen Unternehmen zu unterstützen oder durchzusetzen. Derartige Praktiken wurden bereits in der Vergangenheit von der Europäischen Kommission sanktioniert, indem Bußgelder gegen Unternehmen verhängt wurden, die Preisabsprachen durch automatisierte Preisfestsetzung umgesetzt haben.

Zum anderen kann es zu einer algorithmischen Abstimmung kommen, entweder durch Algorithmen, die ein Drittanbieter verschiedenen Wettbewerbern zur Verfügung stellt, oder durch den Einsatz selbstlernender Preisalgorithmen durch die Wettbewerber selbst. Diese Art der Kollusion führt zu einer Angleichung des Marktverhaltens durch automatisierte Interaktion ohne direkten Kontakt zwischen den Wettbewerbern.

Ein besonders komplexes Phänomen ist die Kollusion, die durch KI nicht nur erleichtert, sondern auch bestimmt und umgesetzt wird. In solchen Fällen kann KI die treibende Kraft hinter Entscheidungen sein, wodurch die Grenzen zwischen impliziter und expliziter Kollusion verschwimmen. Die Herausforderung für die Regulierungsbehörden besteht darin, echtes unabhängiges AI-Verhalten von koordiniertem parallelen Marktverhalten zu unterscheiden.

Die Identifizierung und der Nachweis von wettbewerbswidrigem Verhalten, das durch „Black Box“-Systeme der KI verursacht wird, deren Funktionsweise für Menschen undurchsichtig ist, wird eine große Herausforderung für die Durchsetzung darstellen. Die Behörden müssen feststellen, ob parallele Preissetzungsmuster das Ergebnis intelligenter unabhängiger Anpassungen oder einer Form der Koordinierung zwischen KI-Systemen sind, was die Komplexität der Regulierung im Zeitalter der künstlichen Intelligenz unterstreicht.

Missbrauchsverbot

Neben dem Kartellverbot normiert das GWB in den §§ 18 bis 21 ein Missbrauchsverbot. Dieses schließt zwar nicht aus, dass Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung anstreben, sie müssen sich dabei aber legitimer Mittel bedienen. Hat ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erlangt, ist es verpflichtet, diese Position fair und diskriminierungsfrei auszuüben. Ein Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn es auf seinem Markt praktisch keinem Wettbewerb ausgesetzt ist und somit eine überragende Stellung einnimmt.

Ein missbräuchliches Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens liegt beispielsweise dann vor, wenn es das Angebot seiner Produkte trotz vorhandener Nachfrage reduziert und dadurch eine Verknappung herbeiführt, die letztlich zu Nachteilen für die Verbraucher, etwa in Form von Preiserhöhungen, führt. Solche Verhaltensweisen verstoßen gegen die Grundsätze eines fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerbs und werden von den zuständigen Behörden geahndet.

Unternehmen mit erheblicher Marktmacht können KI auch einsetzen, um den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu beeinflussen und Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Eine Methode besteht darin, Algorithmen so zu programmieren, dass die eigenen Produkte oder Dienstleistungen bevorzugt behandelt werden. Ein prominentes Beispiel ist die von der Europäischen Kommission verhängte Strafe von 2,42 Milliarden Euro gegen Google im Zusammenhang mit Google Shopping.

Ein weiteres wesentliches Wettbewerbshindernis ergibt sich aus den Datenmengen, die von großen Unternehmen gesammelt werden. Diese Datenmengen werden in KI-Systeme eingespeist und tragen entscheidend zum Lernprozess der Systeme bei. Unternehmen, die über Jahre hinweg umfangreiche und vielfältige Datensätze gesammelt haben, können daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen, da sie über wertvolle Ressourcen für das Training ihrer KI verfügen. Während solche Datensätze Innovationen vorantreiben und zu überlegenen KI-Angeboten führen können, ist es gleichzeitig wichtig, dass keine unüberwindbaren Markteintrittsbarrieren für neue Akteure entstehen. Auch kleinere KI-Entwickler müssen Zugang zu den notwendigen Daten haben, um ihre Produkte entwickeln und verbessern zu können.

Darüber hinaus birgt bereits der Prozess der Datenerhebung an sich die Gefahr des Missbrauchs. Denn bereits die Verletzung von Datenschutzbestimmungen, die z. B. für die Verarbeitung personenbezogener Daten eine Rechtfertigung oder Einwilligung verlangen, kann als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen werden, wenn sie von einem Unternehmen mit erheblicher Marktmacht begangen wird.

Fusionskontrolle

Die dritte Säule des Kartellrechts ist die Fusionskontrolle. Fusionen und Zusammenschlüsse sind ein alltäglicher Bestandteil des Wirtschaftslebens und bieten Unternehmen die Möglichkeit, neue Märkte zu erschließen und neue Kundengruppen zu gewinnen. Sie können entscheidend zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beitragen und das Wachstum fördern. Um jedoch sicherzustellen, dass solche Unternehmenszusammenschlüsse nicht zu einer Beeinträchtigung der Marktstruktur führen, bedarf es einer sorgfältigen Prüfung und Kontrolle dieser Aktivitäten.

Eine solche Kontrolle kann auch Unternehmen betreffen, die KI-Technologien entwickeln und anbieten. So hat die Europäische Kommission bereits einige Fusionen untersucht und prüft derzeit weitere Vereinbarungen zwischen führenden Akteuren im digitalen Markt und Entwicklern und Anbietern von KI. Ein prominentes Beispiel ist die Partnerschaft zwischen Microsoft und OpenAI. Ziel der Untersuchung ist es, die Auswirkungen dieser Kooperationen auf die Marktdynamik zu ermitteln.

Haftung für Verstöße

Gegenwärtig wird die KI überwiegend als Instrument und nicht als Rechtspersönlichkeit angesehen. Das bedeutet, dass die KI selbst nicht für Wettbewerbsverstöße haftbar gemacht werden kann. Die Verantwortung für das Verhalten einer KI liegt daher vollständig bei den Entwicklern und Anwendern dieser Technologie. Konkret heißt das, dass beispielsweise Unternehmen, die KI für Marketingzwecke oder zur Preisfestsetzung einsetzen, für durch KI verursachte Wettbewerbsverstöße haftbar gemacht werden können.

Die Herausforderung dabei ist, dass KI-Systeme immer autonomer werden, was die Frage der Zurechnung komplexer macht. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob die Zurechnung von KI-Verhalten nach ähnlichen Maßstäben erfolgen könnte wie die Zurechnung von Mitarbeiterverhalten. Dies würde bedeuten, dass es für die Zurechnung eines Wettbewerbsverstoßes entscheidend darauf ankäme, ob Pflichten zur Verhinderung und Unterbindung wettbewerbswidrigen Verhaltens der KI verletzt wurden. Diese Frage ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.

Ebenso könnten sich zukünfitg Haftungsregelungen aus den Entwürfen der KI-Verordnung und der KI-Haftungsrichtlinie ergeben.

Fest steht jedenfalls, dass Unternehmen bei Verstößen Gefahr laufen, von Wettbewerbern, Verbraucherverbänden und zuständigen Behörden je nach Verstoß auf Unterlassung, Schadensersatz oder Gewinnabschöpfung in Anspruch genommen zu werden. Darüber hinaus können auch Bußgelder verhängt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Überwachung und Kontrolle von KI-Systemen, die im geschäftlichen Kontext eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass deren Verhalten den geltenden Rechtsnormen entspricht. LHR Rechtsanwälte unterstützt Sie gerne dabei, das Risiko von Wettbewerbsverstößen durch den Einsatz von KI zu minimieren oder im Falle von Wettbewerbsverstößen tätig zu werden.

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