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Abmahner trifft sekundäre Darlegungslast, wenn zahlreiche Indizien für Rechtsmissbrauch sprechen

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Rechtsmissbrauch Abmahnung sekundäre Darlegungslast
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Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erlaubt es Mitbewerbern gegen Wettbewerbsverstöße der Konkurrenz vorzugehen. Allerdings ist die Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.

Diesbezüglich hat das OLG Hamm entschieden, dass für den Fall, dass zahlreiche Indizien für den Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG sprechen, den Abmahner eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung der Indizien trifft.

Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten

In der Sache ging es um die Verfolgung von Unterlassungsansprüchen gegen den Beklagten. Er löste seine private Whisky-Sammlung auf und bot diese sodann als Privatverkäufer bei eBay an. Der Kläger mahnte den Beklagten ab und warf ihm vor, er würde auf der Plattform eBay als privater Verkäufer auftreten, obwohl tatsächlich nach Art und Umfang der Verkaufsaktivitäten eine gewerbliche Tätigkeit vorliege. Daher würden die gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungen für gewerblich Tätige nicht eingehalten und nicht über ein Widerrufsrecht und das Bestehen von Mängelgewährleistungsrechten aufgeklärt werden.

Der Aufforderung zu Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kam der Beklagte zwar nach, nach Ansicht der Klägerseite allerdings nicht hinreichend, sodass die klägerischen Anwälte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Bochum (LG Bochum, Beschluss v. 04.11.2020, Az. 12 O 112/20) stellten.

Zwar erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, im Beschluss über die Kosten prüfte das Gericht dennoch im Rahmen der Prozessführungsbefugnis das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs und nahm ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gem. § 8c UWG an, was eine Abweisung des Antrags als unzulässig mit sich führte.

Indizien sprechen für Rechtsmissbrauch

Nun gab auch das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Beschluss v. 09.03.2021, Az. 4 W 118/20) dem Landgericht Hamm Recht. Nach der Auffassung der Richter habe das LG der Antragstellerin zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO auferlegt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes sei der Antrag der Antragstellerin als unzulässig im Sinne des § 8c UWG zu beurteilen.

Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass zahlreiche Indizien für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerin sprechen. Daher treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung dieser Indizien – dieser sei sie jedoch auch mit der sofortigen Beschwerde nicht nachgekommen. Ergänzend dazu merkt der Senat an, dass weder der Beklagte noch etwa das Landgericht selbst gehalten war, weitere Ermittlungen anzustellen oder Ausführungen zu den Einzelheiten der von Verfügungsbeklagten geführten Verfahren zu machen. Dies hätte, wenn überhaupt der Verfügungsklägerin oblegen, so die Richter.

Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG

Rechtsmissbrauch wird dann angenommen, wenn durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Interessen und Ziele verfolgt werden. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich zum Beispiel daraus, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, systematisch überhöhte Gebühren und Strafen verlangt werden oder die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten verfolgt wird. Für einen Rechtsmissbrauch kann auch sprechen, wenn die Abmahntätigkeit von einem Prozessbevollmächtigten in eigener Regie betrieben wird.

Bejaht man die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs, erfordert dies immer eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ob sich dann eine Rechtsverfolgung als missbräuchlich darstelle, sei aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers zu beurteilen. Denn kein kaufmännisch handelnder Unternehmer werde Kostenrisiken in einer für sein Unternehmen existenzbedrohender Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen oder Aktivprozessen eingehen, wenn er an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse habe.

Im ursprünglichen Verfahren vor dem Landgericht (LG Hamm, Urteil v. 04.11.2020, Az. 12 O 112/20) wurde das Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Motivation vor allem aus zwei Aspekten bejaht: Zum einen seien in den letzten 12 Monaten (einem kurzen Zeitraum) bei der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bochum insgesamt 169 Anträge, beziehungsweise Klagen der Antragstellerin eingegangen. Dabei handelte es sich in der Mehrzahl der Fälle um die Verfolgung von Unterlassungsansprüchen gegen sich als privat gerierende Verkäufer auf eBay. Bei Zuwiderhandlung sieht der Entwurf der Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 € vor – die Höhe steht jedoch laut Gericht in keinem vernünftigen Verhältnis zu der Bedeutung der potentiellen Verstöße. Diese Umstände ließen schon erhebliche Zweifel aufkommen, ob bei der Antragstellerin noch die Förderung des lauteren Wettbewerbes im Vordergrund ihrer umfangreichen Abmahntätigkeit stehe.

Zum anderen verhielt sich die Antragstellerin nach Ansicht des Landgerichts auch in anderen Verfahren in einer Weiser, die Zweifel aufkommen lassen, ob die Förderung noch im Vordergrund stehe.

Demnach habe das Gericht Zweifel, dass das mit dem Verfahren eingegangene Kostenrisiko noch in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zum Geschäftsumfang stehe. Die gegebenen Umstände ließen den Schluss zu, dass es der Antragstellerin bei den Verfahren allein um eine Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen gehe. Dieser Eindruck werde vor allem dadurch verstärkt, dass unnötige und hohe Kosten produziert werden, obwohl die Gegner in vielen Fällen bereit waren sich zu unterwerfen.

Keine Entkräftigung der Indizien = Rechtsmissbrauch

Signalwirkung des Urteils: Hier sprachen die Indizien für einen Rechtsmissbrauch nach § 8c des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Diesbezüglich schaffte das Oberlandesgericht Hamm nun Klarheit. Die Richter erachteten es für ausreichend, dass für den Fall, dass zahlreiche Indizien für einen Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG sprechen, von einem Rechtsmissbrauch auszugehen sei. In diesem Fall treffe dann den Abmahner eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftigung der Indizien.

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