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Landgericht Köln untersagt Testimonialwerbung für Diätpille

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TestimonialwerbungDas Landgericht Köln hat die Anbieterin eines Diätprodukts dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Namen, das Bild und/oder Zitate eines bekannten Comedians, Schauspielers und Fernsehmoderators, für die Diätpille „Diaetoxil“ durch Dritte verwenden zu lassen. Nach dem Urteil haftete die Beklagte für die Werbung als mittelbare Störerin (Landgericht Köln, Urteil vom 11. Oktober 2023, Az. 28 O 145/23).

Veröffentlichung diverser Beiträge mit dem Kläger als Testimonial

Über verschiedene Accounts auf der Social-Media-Plattform Facebook wurden in regelmäßigen Abständen Beiträge veröffentlicht. In diesen Beiträgen wurden der Name und das Bild des Klägers unter plakativen Überschriften präsentiert.

Zudem enthielten die Beiträge Links zu externen Internetseiten, auf denen der Kläger als Testimonial für die Diätpille dargestellt wurde. Dabei wurden ihm Äußerungen zugeschrieben, die er weder getätigt noch autorisiert hatte. Darüber hinaus wurde in den Beiträgen auf die Möglichkeit hingewiesen, das Produkt über die „offizielle Diaetoxil-Website“ unter dem Link https://diaetoxil.de/ zu bestellen.

Kläger sprach Abmahnung aus – Beklagte verweigerte Unterlassungserklärung

Der Kläger forderte die Beklagte zweimal zur Unterlassung der beanstandeten Facebook-Werbung auf und nannte dabei konkret den Link zu der streitgegenständlichen Werbung. Die Beklagte bestritt in beiden Fällen jegliche Verantwortlichkeit und weigerte sich, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Beklagte zumindest als mittelbare Störerin verantwortlich

Im Januar 2023 wurde der Kläger auf einen erneut auf Facebook geposteten Link aufmerksam, der zu einer Website führte, auf der der Kläger wiederum ohne die erforderliche Einwilligung umfangreich werblich als Testimonial für die von der Beklagten vertriebene Diätpille dargestellt wurde.

Dies veranlasste den Betroffenen zur Erhebung der Klage. Er war der Ansicht, dass die Beklagte zumindest als Störerin hafte, da sie Prüfungspflichten verletzt und keine Maßnahmen gegenüber Facebook ergriffen habe. So habe Facebook als Reaktion auf einen Hinweis auf rechtswidrige Inhalte Filter aktiviert, die zukünftige Postings verhindert hätten. Dies sei jedoch nicht geschehen.

LG Köln: Kläger steht Unterlassungsanspruch zu

Das Landgericht Köln entschied, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Dieser ergebe sich aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bzw. in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG.

Zur Begründung führten die Kölner Richter aus, dass die streitgegenständlichen Werbepostings, bei denen es sich unstreitig um Falschzitate handele, das Persönlichkeitsrecht des Klägers eindeutig verletzten und damit rechtswidrig seien. Auch die Verwendung des Bildnisses des Klägers im Zusammenhang mit der beanstandeten Werbung sei als rechtswidrig anzusehen.

Inanspruchnahme der Beklagten als mittelbare Störerin

Entgegen der Auffassung der Beklagten, die eine Störerhaftung bestritt, könne der Kläger die Beklagte als mittelbare Störerin für die Facebook-Posts und die darin enthaltenen Links gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch nehmen, so das Gericht.

Denn als mittelbarer Störer haftet grundsätzlich, wer, ohne selbst unmittelbar als Störer in Erscheinung zu treten, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung eines Rechtsguts beiträgt. Als Beitrag kann auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten angesehen werden, sofern der in Anspruch Genommene nur die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hatte, diese Handlung zu verhindern.

Verletzung von Verhaltenspflichten für mittelbare Störerhaftung erforderlich

Allerdings darf die Haftung des mittelbaren Störers nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst herbeigeführt haben. Daher setzt die Störerhaftung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus.

Prüfungspflichten im Bereich von Userbewertungen auf Bewertungsportalen

Im Bereich der Userbewertungen auf Bewertungsportalen richten sich die Pflichten nach der Rechtsprechung danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Verhinderung der Rechtsverletzung zumutbar ist.

Grundsätzlich ist ein Provider im Rahmen seiner Haftung als mittelbarer Störer nicht verpflichtet, die von seinen Nutzern eingestellten Beiträge vor der Veröffentlichung aktiv auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen.

Allerdings trifft ihn eine reaktive Verantwortlichkeit, sobald er konkrete Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Provider auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Nutzer seines Angebots hin, kann der Provider aufgrund der Zukunftsbezogenheit des Unterlassungsanspruchs verpflichtet sein, künftige Störungen zu verhindern.

Beklagte hat ausreichende Einwirkung auf Facebook versäumt

Unter Anwendung dieser Grundsätze kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte willentlich eine Ursache für die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers gesetzt habe.

Die Beklagte habe aufgrund der Hinweise des Klägers positive Kenntnis von der Testimonialwerbung gehabt und aus der Werbung und der Verlinkung auf die Bestellmöglichkeit auch einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen. Es müsse nicht nachgewiesen werden, dass es aufgrund der Testimonialwerbung tatsächlich zu konkreten Bestellungen gekommen sei. Vielmehr reiche es aus, dass die Generierung von Zugriffen auf die offizielle Bestellseite der Beklagten einen wirtschaftlichen Vorteil darstelle.

Handlungen waren der Beklagten auch möglich

Die Kölner Richter teilten zudem nicht das Argument der Beklagten, es sei technisch und rechtlich unmöglich, die beanstandete Werbung zu überwachen. Sie sahen vielmehr eine Möglichkeit, die Werbebeiträge gegenüber Facebook zu unterbinden.

Denn nach einem entsprechenden Hinweis der Beklagten sei Facebook als Diensteanbieter nicht nur verpflichtet gewesen, den konkreten rechtswidrigen Inhalt unverzüglich zu sperren, sondern auch Vorkehrungen zu treffen, um weitere gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern.

Auch der Einwand der Beklagten, ein „einfacher Hinweis“ gegenüber Facebook sei nicht wirksam, griff nicht durch. Wie das Gericht zutreffend ausführt, verfügt Facebook über ein System, um den Anforderungen der Rechtsprechung gerecht zu werden. Zudem hatte die Beklagte auch bei einer unzureichenden Reaktion von Facebook auf eine einfache Abmahnung die Möglichkeit, über den Rechtsweg auf Facebook einzuwirken, um sicherzustellen, dass Facebook seinen Pflichten zur Löschung und Verhinderung gleichartiger Postings nachkommt.

Beklagte hatte sogar zwei Anknüpfungspunkte, um gegen Facebook vorzugehen

Für eine Verantwortlichkeit der Beklagten spricht auch, dass sie im konkreten Fall sogar über eine „doppelte“ rechtliche Handhabe gegenüber Facebook verfügte. Denn nach ihrem eigenen Vortrag stellten die streitgegenständlichen Beiträge Markenrechtsverletzungen ihrer Wortmarke „DIAETOXIL“ dar. Trotz dieser Markenrechtsverletzung hatte die Beklagte jedoch keine rechtlichen Schritte gegen Facebook eingeleitet.

Aktive Einwirkung auf Facebook nach Hinweis auch zumutbar

Schließlich stellte das Landgericht noch fest, dass es der Beklagten zwar nicht zumutbar gewesen sei, Facebook regelmäßig proaktiv auf neue Testimonialwerbung mit dem Kläger für ihr Produkt zu durchsuchen.

Allerdings sei es der Beklagten zuzumuten gewesen, auf einen Hinweis des Klägers auf konkrete persönlichkeitsrechtsverletzende Postings aktiv tätig zu werden. Sie hätte gegenüber Facebook darauf hinwirken müssen, dass die bekannten Postings gelöscht werden und vergleichbare Postings in Zukunft unterbleiben.

Beanstandungen sollten ernst genommen werden

Das vorliegende Urteil unterstreicht erneut die Bedeutung von Abmahnungen im Zusammenhang mit Rechtsverletzungen, unabhängig von der Art der betroffenen Rechte. Insbesondere bei Rechtsverletzungen im Internet reicht es nicht aus, sich allein mit dem Argument zu verteidigen, die beanstandete Handlung nicht selbst vorgenommen zu haben. Die bloße Verneinung einer unmittelbaren Beteiligung führt nicht zu einem Haftungsausschluss.

Aus diesem Grund sollte jeder, der mit einer Abmahnung konfrontiert wird, sorgfältig und eigenverantwortlich – sei es selbstständig oder mit anwaltlicher Unterstützung – prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die in Rede stehende Rechtsverletzung zu unterbinden und sich der Verantwortung als mittelbarer Störer zu entziehen.

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