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Prüfung und Aufforderung zur Löschung negativer Google-Bewertungen stellt Rechtsdienstleistung dar

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mohamed Hassan auf Pixabay

Einem aktuellen Urteil des Landgericht Hamburg zufolge stellen die Prüfung und die Aufforderung zur Löschung negativer Google-Bewertungen durch darauf spezialisierte Agenturen eine erlaubnispflichtige Dienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) dar (LG Hamburg, Urteil v. 28.06.2019, Az. 315 O 255/18).

Bieten derartige Unternehmen ohne entsprechende Berechtigung vergleichbare Services an, können diese abgemahnt und zur Unterlassung und gegebenenfalls Zahlung von Schadensersatz verpflichtet werden.

Monitoring: Wer mobbt wen, wie und warum?

Dass heutzutage Dienstleistungen aller Art vor deren Inanspruchnahme über die Suchmaschine Google in Augenschein genommen werden, ist kein Geheimnis. Umso mehr Bedeutung kommt den im Zusammenhang mit der Suche auffindbaren Bewertungen zu. Vom Fünf-Sterne-Bäcker bis zum Zahnarzt-Zonk können die virtuellen Urteile durchaus weitreichende Folgen für den wirtschaftlichen Erfolg der Betroffenen entfalten. Über derartige Fälle haben wir bereits mehrfach berichtet:

Vermehrt sind daher in den letzten Jahren Agenturen auf dem Markt erschienen, die schlechte Bewertungen ausfindig machen, und den Kunden über diese informieren. Dieses Bewertungsmonitoring bietet Unternehmen dann die Möglichkeit, negative Beiträge zu überwachen und gegebenenfalls gegen diese vorzugehen.

Veni, vidi, deleo

Eben jenen zweiten Schritt der dauerhaften Löschung bot im Vorfeld des Hamburger Urteils eine Online-Agentur an. So sollte neben dem Monitoring auch die Aufforderung zur Entfernung unangenehmer Bewertungen vom Service umfasst sein. Auf der entsprechenden Homepage hieß es:

Wir haben ihre Bewertungen jederzeit im Blick und decken Beleidigungen, Unwahrheiten oder anstößige Inhalte auf. Liegt ein Verstoß vor, wenden wir uns direkt an Google und beantragen, die Bewertungen löschen zu lassen. Rufen Sie uns jetzt an, wenn wir ihren negativen Google-Bewertungen professionell prüfen und eine Entfernung einleiten sollen.

Hierin sah aber die ortsansässige Anwaltskammer einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), und erhob letztlich Klage vor dem Landgericht. Die Richter teilten die Ansicht der Klägerseite, und sahen in dem Angebot der Agentur ebenfalls einen Verstoß gegen das RDG (LG Hamburg, Urteil v. 28.06.2019, Az. 315 O 255/18). Primärer Zweck dieses Gesetzes ist es, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Das Angebot, negative Bewertungen zu prüfen und löschen zu lassen, stellt nach Auffassung des Landgerichts eine solche Rechtsdienstleistung dar. So habe die Beklagte eine individuelle rechtliche Übeprüfung negativer Bewertungen im Einzelfall versprochen. Der Agentur stand indes keine hierfür erforderliche Genehmigung zur Seite. Auch sei der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 RDG im vorliegenden Fall nicht eröffnet. Hier heißt es:

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Im vorliegenden Fall handele es sich aber gerade nicht um eine Nebenleistung. Hierfür fehle es an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlich angebotenen Dienstleistung, namentlich dem Monitoring negativer Bewertungen. Vielmehr werde hier eine eigenstände, weitere Rechtsberatung offeriert. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass im Rahmen des Angebots von der Zusammenarbeit mit „Hausanwälten“ die Rede ist. Beim durchschnittlichen Kunden werde trotzdem der Eindruck hervorgerufen, die Beklagte erbringe die Leistungen selbst. Da die Vorschriften des RDG als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3 a) UWG zu qualifizieren seien, sei das Vorgehen der Agentur letztlich wettbewerbswidrig.

Fazit

Dem Grundgedanken des Rechtsdienstleistungsgesetzes nach gilt: Rechtsberatung darf nur anbieten, wer qualifizert und dementsprechend mit einer Genehmigung ausgestattet ist. Selbstredend fallen hierunter primär Anwaltskanzleien.

§ 5 RDG bildet allerdings in gewisser Weise eine Ausnahme: Rechtsberatungen dürfen demnach in einem bestimmten Rahmen offeriert werden. Das gilt allerdings nur, wenn diese in einem direkten Zusammenhang mit der eigentlichen (Haupt)-Dienstleistung stehen. Die Grenze zwischen genehmigungsfreier Nebenleistung und eigenständiger Rechtsberatung ist häufig Gegenstand von Streitigkeiten.

Im konkreten Fall ist dem Urteil allerdings zuzustimmen. Ob eine negative Bewertung im Netz rechtswidrig ist, und damit gelöscht werden muss, erfordert eine Interessenabwägung im individuellen Einzelfall. Juristische Vorkenntnisse sind hier daher unabdingbar. Von einer zulässigen Nebenleistung kann im Allgemeinen ausgegangen werden, wenn die rechtlichen Fragen nicht im Vordergrund stehen, und gerade nicht den „Löwenanteil“ der angebotenen Dienste verkörpern.

Mehr zum Thema negative Bewertungen finden Sie im Übrigen hier:

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