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LG Köln: SCHUFA muss Restschuldbefreiung nicht löschen

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Restschuldbefreiung Schufa
Photo by Mathieu Stern on Unsplash

Der Schufa-Score kann entscheiden, ob man einen Handyvertrag bekommt, in Raten zahlen darf oder gar einen Kredit bei der Bank erhält. Deutschlands größte Auskunftei weiß, wie viel Girokonten, Kreditkarten oder Handyverträge eine Person hat. Sie weiß auch, wer in der Vergangenheit Zahlungsschwierigkeiten hatte und wer in der Privatinsolvenz steckt. 

Doch was passiert, wenn sich die finanzielle Lage ins Positive ändert? Kann der Kreditnehmer dann Löschung des ursprünglichen Eintrags verlangen? Mit dieser Frage beschäftigte sich nun das Landgericht Köln. 

Insolvenz und Restschuldbefreiung

Der Kläger klagte gegen die SCHUFA auf Löschung eines Eintrags aus seiner Schuldnerkartei. Der festangestellte Verkäufer bewohnte seit Mai 2020 mit seiner Frau eine Wohnung in Köln und verfügte seit Dezember 2020 über ein Girokonto bei der Sparkasse. Der Kläger war zuvor insolvent wegen Schulden in Höhe von 45.000 Euro, die mit Erteilung der Restschuldbefreiung am 06.10.2020 bei der Beklagten als erledigt markiert und nicht mehr angezeigt wurden. Allerdings wird der Eintrag im Schuldnerverzeichnis des Klägers über die Restschuldbefreiung erst nach 3 Jahren gelöscht. 

Der Beklagte legte Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten ein und forderte die Beklagte zur Löschung auf. Der Kläger führte aus, er befinde sich auf ernsthafter Wohnungssuche, da die bisherige Wohnung zu klein für eine Familiengründung sei. Auch könne er sich eine größere Wohnung mit seinem Einkommen leisten. Allerdings verhindere der Eintrag die Anmietung einer größeren Wohnung. Auch sei ihm ein Immobilienkredit deswegen nicht gewährt worden und eine neue Anstellung als Verkäufer finde er aus vorgenannten Gründen auch nicht. Hinzu komme, dass diese Situation abträglich für seinen Gesundheitszustand sei. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Löschungsanspruch aus § 17 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu. Ihm sei Rechtsschuldbefreiung erteilt worden, daher habe auch die Beklagte kein Interesse mehr daran, Daten über eine vergangene Schuld zu speichern. 

Jedoch lehnte die Beklagte die Löschung des Eintrags ab und führt aus, der Eintrag fordere potentielle Kreditgeber auf, die Bonität des Klägers besonders zu prüfen. Die Speicherdauer von drei Jahren sei angemessene, transparent und entspreche dem sogenannten „Code of Conduct“, einer Art von Verhaltenskodex, dem die Beklagte verpflichtet und der mit der zuständigen Datenschutzbehörde abgestimmt sei. 

Rechtmäßige Datenverarbeitung 

Das Landgericht Köln (LG Köln, Urteil v. 29.04.2022, Az. 28 O 221/21) wies die Klage ab, da die Richter keinen Anspruch des Klägers auf Löschung aus Art. 17 Abs. 1 lit. a und d DSGVO sahen. Die Datenverarbeitung der Beklagten sei rechtmäßig, weil sie gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zulässig sei. Insbesondere bestehe ein berechtigtes Interesse der Vertragspartner der Beklagten an der Datenverarbeitung, welches die Interessen und die Grundrechte des Klägers überwiegen. 

Die Erteilung von Auskünften durch die Beklagte an deren Vertragspartner bei kreditrelevanten Geschäften mit einer Person diene dem Ausgleich der Informationsdisparität zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern. Ansonsten wären Kreditgeber allein auf die Eigenangaben der potentiellen Kreditnehmer angewiesen. Damit diene die Verarbeitung der Daten durch die Beklagte im Kern dazu, Kreditgebern eine zutreffende und objektive Einschätzung der Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu ermöglichen und damit den Rechts- und Kreditverkehr in Deutschland insgesamt abzusichern. 

Bestehendes Interesse an Restschuldbefreiung 

Zu dem Zeitpunkt der Insolvenz sei der Kläger immerhin nachweislich vermögenslos gewesen, was für die Bewertung der Kreditwürdigkeit auch heute im Markt noch von Interesse sei. Durch die Restschuldbefreiung werde zudem belegt, dass der Schuldner fällige Forderungen in einem Zeitraum von immerhin sechs Jahren nicht habe begleichen können, obwohl er verpflichtet gewesen sei, alles ihm Mögliche zu unternehmen, um seine Schulden in der Wohlverhaltensphase abzuzahlen. Es sei kaum nachvollziehbar, warum er über einen solch langen Zeitraum seine alten Schulden nicht habe begleichen können, mit Gewährung der Restschuldbefreiung aber in der Lage sein will, neue Verbindlichkeiten ordnungsgemäß zu erfüllen 

Das Gericht stellt fest, der Kläger werde durch die streitgegenständliche Information auch nicht stigmatisiert. Vielmehr sei es das Recht und die Pflicht potentieller Kreditgeber, das Auswahlrisiko des Klägers objektiv zu beurteilen. Den Anspruch des Klägers, ihn mit Personen gleichzustellen, die nie von einer Insolvenz betroffen waren, habe er gerade nicht. Weiter führen die Richter aus, es sei falsch, den Vertragspartnern die Auskunft zu erteilen, dass der Beklagten aus der jüngeren Vergangenheit keine Kenntnisse über die Unzuverlässigkeit des Klägers bei der Begleichung von Forderungen vorlägen. Dies sei aber der Fall, wenn man die Beklagte zur Löschung des streitgegenständlichen Eintrags verpflichte. 

Speicherfrist der DSGVO 

Da die DSGVO selber jedoch keine Vorgaben für die Dauer einer Speicherung von personenbezogenen Daten enthalte, sei bei der Rechtmäßigkeit der weiteren Verarbeitung allein an das Kriterium der Notwendigkeit und damit an eine Abwägung im Einzelfall anzuknüpfen. Der Erwägungsgrund Nr. 39 der DSGVO schreibt vor, dass die Speicherfrist auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß zu beschränken ist und der Verantwortliche Fristen für ihre Löschung vorsehen soll. Die Richter sind der Ansicht, der sogenannte „Code of Conduct“ sei eine Selbstverpflichtung der Mitglieder und von der zuständigen Datenschutzbehörde des Landes Hessen genehmigt worden. In diesen Verhaltensregeln seien für die einzelnen personenbezogenen Daten der Schuldner bestimmte Prüf- und Löschfristen vorgesehen. Die danach festgesetzte Drei-Jahres-Frist sei noch nicht abgelaufen und damit beanstandungsfrei.

Atypische Konstellation? 

Auch ergebe sich ein Anspruch auf Löschung nicht aus Art. 17 Abs. 1 lit. c. Var. 1 i.V.m. Art. 21 DSGVO. Denn das Recht zum Widerspruch stehe dem Kläger nur zu, wenn er eine persönliche, atypische Konstellation vorträgt, die seinen Interessen an einer Löschung besonderes Gewicht – beispielsweise eine Erkrankung – verleiht. Solche Gründe habe er aber nicht vorgetragen, weshalb ihm auch nicht eine Wiederherstellung seines Scorewertes für die Bewertung zustehe. 

Berechtigtes Interesse an der Kreditwürdigkeit 

Das Urteil des Landgerichts Köln zeigt, dass Kreditunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse daran haben, personenbezogene Daten von der SCHUFA zu erhalten, um die Kreditwürdigkeit von potentiellen Kreditnehmern einschätzen zu können. Dazu zählt auch die Information über eine Restschuldbefreiung für einen gewissen Zeitraum. 

Praxistipp

Betroffene von negativen Einträgen sollten sich von dieser Entscheidung nicht davon abhalten lassen, in jedem Einzelfall prüfen zu lassen, ob sich die Bonität nicht durch die Beseitigung von bestimmten Einträgen verbessern lässt. Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte, der SCHUFA oder der Creditreform nachzuweisen, dass Einträge entweder falsch oder formell unwirksam sind und deswegen gelöscht werden müssen. Auch im vorliegenden Fall kam es auf den Einzelfall an. Und der ist immer anders.

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