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Wikipedia-Autor muss Schadensersatz leisten

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Photo by Luke Chesser on Unsplash

Auch und gerade die Enzyklopädie Wikipedia ist kein rechtsfreier Raum. Das wurde jetzt erneut einem langjährigen und erfahrenen Wikipedia-Autoren deutlich gemacht. Denn wer bei Wikipedia eine andere Person mit falschen Behauptungen gezielt herabwürdigt, muss Schadensersatz leisten.

Das LG Koblenz spricht den Betroffenen einen Anspruch auf Darstellung und Gewichtung des Eintrags zu, die sich nach sachlichen Kriterien richten. Die Verbreitung unwahrer Tatsachen sowie eine bewusst einseitige und negativ verzerrende Darstellung muss man auch und gerade auf Wikipedia nicht hinnehmen.

Vom Friedensaktivist zum Hauptvertreter des Antizionismus?

Ein isländischer Komponist hatte einen Eintrag bei Wikipedia. Er ist auch als politischer Autor tätig und befasst sich unter anderem mit dem Thema Terrorismus und Fragen des Nahost-Konflikts. Diese Informationen konnten in dem Wikipedia-Artikel zu seiner Person abgerufen werden. Der vorhandene Artikel wurde dann im Jahr 2017 von einem Autor, der unter dem Pseudonym „Feliks“ auftrat, mehrfach verändert: Unter anderem schrieb er, der Komponist gelte als isländischer Hauptvertreter des Antizionismus. Er komponiere nur noch Übungsstücke für Kinder und propagiere hinsichtlich der Anschläge vom 11.September 2001 die von Verschwörungstheoretikern vertretene „False-Flag-These“. Als der Komponist und Autor die Identität von „Feliks“ herausfand, forderte er Schadensersatz und die Abgabe einer Unterlassungserklärung.

Schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts

All das sei, so urteilte das Landgericht Koblenz (LG Koblenz, Urteil v. 14.01.2021, Az. 0 O 80/20), entweder bewusst unwahr oder irreführend. Doch konkret ging es um Schadensersatz wegen einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Dadurch, dass der Wikipedia-Beitrag so zentral in den Suchmaschinen auffindbar ist, entstehe dem Geschädigten ein immaterieller Schaden und Nachteile.

Grundsätzlich, so das Gericht, muss eine Person, die im Licht der Öffentlichkeit steht, es hinnehmen, wenn Tatsachen über sie verbreitet werden, die sie negativ erscheinen lassen. Inakzeptabel seien aber die Behauptungen unwahrere Tatsachen sowie eine bewusst einseitige und negativ verzerrende Darstellung, die eine innere Logik und Nachvollziehbarkeit nicht erkennen lässt. Der Betroffene habe einen Anspruch, dass sich die Darstellung und Gewichtung nach sachlichen Kriterien richteten. Diese Grundsätze lege auch Wikipedia mit seinen internen Vorgaben zugrunde. Zwar sei auch eine Online-Enzyklopädie wie die Wikipedia bis zu einem gewissen Punkt subjektiv in ihren Artikeln, weil schon der bloße Umstand, dass ein bestimmtes Ereignis Erwähnung findet, eine Wertung beinhalte.

Auch die Darstellung, der Umfang der Darstellung einzelner Sachverhalte beinhalte stets Wertungselemente. Dennoch sei den vorgenannten Behauptungen gemein, dass sie den Beklagten in ein negatives Licht rücken – im Vordergrund stehe ausschließlich, den Kläger erkennbar unvorteilhaft darzustellen und ihm so zu schaden. Damit habe der Autor den „Maßstab der Objektivität in relevanter Weise verlassen“ hält das Gericht fest. Mehr noch: Der Beklagte missbrauche durch dieses Vorgehen nicht nur die auf Objektivität angelegte Enzyklopädie Wikipedia, sondern vor allem könne das Verhalten das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Wikipedia erschüttern.

Ziel: Nachhaltige Herabwürdigung

Und das mit „Erfolg“: Nach Ansicht des Gerichts hatte der Eintrag die Funktion, den Kläger in die geistige Nähe von Rechtskonservativen zu rücken und weiter sei er geeignet gewesen, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers hervorzurufen. Damit sahen die Richter in der Bearbeitung des Wikipedia-Artikels eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Weil „Feliks“ bereits zum wiederholten Male durch seine einseitige Bearbeitung aufgefallen war, ging das Gericht zum einen von einer vorsätzlichen Begehung aus und ließ diese Umstände zum anderen auch bei der Bemessung des Schadensersatzes mit einfließen. Außerdem berücksichtigten die Richter bei der Höhe des immateriellen Schadens, dass die Online Enzyklopädie eine enorm hohe Reichweite und für die Autoren umfangreiche Richtlinien zur Vermeidung von eben solcher Persönlichkeitsverletzungen erstellt hat.

Gezielte Manipulation: Im Wikipedia-Artikel verunglimpft

Der Beklagte habe zum einen mittels der Behauptung unwahrer Tatsachen, zum anderen mittels tendenziöser und einseitig negativer Darstellung dem Artikel des Klägers in Wikipedia ein ausgesprochen negatives Gesamtgepräge gegeben, so das LG Koblenz. Dem Komponisten sei durch den Artikel schwerwiegende Nachteile in seinem geschäftlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und persönlichen Ansehen entstanden – was vor allem aufgrund der allgemein bekannten großen Reichweite von Wikipedia ohne weiteres nachvollziehbar ist.

Sowohl aufgrund der Genugtuungsfunktion als auch aufgrund der Präventionsfunktion wurde dem Komponisten eine Geldentschädigung in Höhe von 8000 Euro zugesprochen. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig – daneben ist nicht bekannt, ob der Wikipedia-Autor Rechtsmittel einlegen wird.

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