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Alte Google-Einträge als Vertragsstrafen-Falle? Das OLG Nürnberg setzt Grenzen 

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In einer zunehmend plattformdominierten Geschäftswelt zeigt sich immer häufiger ein Spannungsverhältnis zwischen rechtlichen Verpflichtungen und faktischer Kontrolllosigkeit. Besonders deutlich wird das in Fällen, in denen Unternehmer für veraltete Angaben auf Drittplattformen wie Google haften sollen, obwohl sie auf deren Gestaltung kaum Einfluss haben.  

Ein Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg (vom 06.02.2025- 3 U 2143/24 UWG) befasst sich exemplarisch mit dieser Problematik und nimmt dabei eine praxisgerechte Bewertung vor. 

Hintergrund des Falls: Streit um geschlossene Praxisstandorte bei Google

Ausgangspunkt war ein wettbewerbsrechtlicher Streit zwischen zwei selbstständigen Ergotherapeuten. Der Beklagte hatte mehrere Praxisstandorte aufgegeben und sich im Rahmen einer Unterlassungserklärung verpflichtet, keine irreführenden Adressangaben mehr zu veröffentlichen.

Obwohl er seine eigene Website entsprechend angepasst hatte, erschienen die geschlossenen Standorte weiterhin in Google Maps- jedoch versehen mit dem Vermerk „dauerhaft geschlossen“. Die Klägerin war der Ansicht, dass dies dennoch einen Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung darstelle und machte eine Vertragsstrafe geltend. 

Keine Irreführung durch sichtbar geschlossene Unternehmensadressen

Das OLG Nürnberg stellte klar, dass ein solcher Google-Eintrag mit einem klaren Schließungsvermerk nicht ohne Weiteres als irreführend zu werten ist. Maßgeblich sei, ob für den durchschnittlichen Nutzer ersichtlich ist, dass unter der angegebenen Adresse kein Praxisbetrieb mehr stattfindet.

Da dies im konkreten Fall durch die Formulierung „dauerhaft geschlossen“ eindeutig der Fall war, verneinte das Gericht einen Wettbewerbsverstoß. Gleichzeitig betonte es, dass Unterlassungserklärungen im Kontext zu betrachten seien und nicht jede technische Sichtbarkeit eines Standorts einen kerngleichen Verstoß darstelle. 

Wer haftet, wenn die Plattform nicht reagiert?

Der Beschluss zeigt ein strukturelles Problem auf: Unternehmer verfügen über keine verlässliche Kontrolle darüber, wann und ob Google Änderungen an Unternehmensprofilen tatsächlich übernimmt.

In der Praxis scheitern Löschanfragen oft an wochenlangen Verzögerungen, fehlenden Rückmeldungen oder daran, dass einmal entfernte Einträge automatisiert wiederhergestellt werden. Ein direkter Supportzugang für kleinere Unternehmen oder Einzelpersonen existiert in vielen Fällen nicht. Diese technische Trägheit kann schwerwiegende rechtliche Folgen haben, insbesondere dann, wenn ein Mitbewerber gezielt Verstöße gegen Unterlassungserklärungen geltend macht.

Unternehmer stehen damit vor einer Pflichtenlast, die sie faktisch kaum erfüllen können. 

Zumutbarkeit als juristischer Maßstab

Das OLG Nürnberg setzt hier ein wichtiges Signal: Entscheidend ist nicht die vollständige Kontrolle über alle digitalen Spuren, sondern vielmehr die Frage, ob der Unternehmer zumutbare Maßnahmen ergriffen hat, um veraltete Einträge zu beseitigen.

Nach Auffassung des Gerichts genügt es zur Erfüllung der rechtlichen Pflichten, wenn die Löschung veralteter Einträge veranlasst, der Hinweis „dauerhaft geschlossen“ deutlich gesetzt, die eigene Website aktualisiert und auf eine werbliche Darstellung der aufgegebenen Standorte verzichtet wird. In solchen Fällen liegt kein Wettbewerbsverstoß vor, selbst wenn der veraltete Eintrag auf Google technisch weiterhin auffindbar bleibt.  

Handlungsempfehlung für Unternehmen

Um rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben, sollten Unternehmer folgende Punkte beherzigen: 

  1. Änderungen bei Google Business aktiv veranlassen und regelmäßig kontrollieren. 
  2. Alle Bemühungen dokumentieren (Screenshots, Protokolle, Tickets). 
  3. Wenn eine Löschung nicht möglich ist, klar erkennbare Hinweise wie „dauerhaft geschlossen“ nutzen. 
  4. Die eigene Website als primäre Informationsquelle pflegen. 
  5. Sollte eine Änderung trotz mehrfacher Versuche nicht gelingen, empfiehlt es sich, rechtlichen Beistand hinzuzuziehen, um mögliche Schritte gegenüber Google zu prüfen und sich zugleich gegenüber Dritten rechtlich abzusichern. 

Schlussfolgerung

Mit seinem Hinweisbeschluss bringt das OLG Nürnberg ein Stück Rechtsrealismus in die digitale Welt. Wer redlich handelt und das Zumutbare tut, um veraltete Angaben zu korrigieren, darf nicht wegen Plattformträgheit mit Vertragsstrafen belegt werden. Dennoch bleibt ein strukturelles Spannungsfeld bestehen- zwischen rechtlicher Verantwortung und technischer Ohnmacht. Bis zu einer deutlicheren Regulierung von Plattformpflichten bleibt entscheidend, dass Unternehmer ihre Bemühungen aktiv dokumentieren und rechtlich flankieren. 

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