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Freischaltung von Google Adwords-Konten

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Verbot der Kontosperrung
© LHR Stockfotos

Google verdient Millionen mit Anzeigen, so genannten Google Adwords. Aber auch für viele Unternehmer ist der Zugang zu ihrem Google-Adwords-Konto essentiell. Das Landgericht Hamburg hat sich jetzt mit dem Verbot der Kontosperrung befasst und entschieden, dass bei einem Google-Adwords-Konto nach einer Kontosperrung eine Freischaltung zu erfolgen hat (LG Hamburg, Az. 415 HKO 84/22).

 

Das Google-Adwords-Konto der Antragstellerin wurde unter pauschalem Verweis auf eine „Umgehung von Systemen“ gesperrt im Oktober 2022. Die Antragstellerin bietet vollständig digital Dienstleistungen im Bereich Legal Tech und E-Government an. Dazu gehört auch die Geltendmachung von Fahrpreiserstattungen bei Zugverspätungen im Auftrag von Kunden. Sie ist außerdem bei einem Amtsgericht als Inkassodienstleisterin registriert. Außerdem vertreibt das Unternehmen digitale Autobahnvignetten über verschiedene Webseiten und ist vom ungarischen Mautbetreiber beauftragt worden, ungarische e-Vignetten über das Internet zu vermitteln.

Das Unternehmen bietet auch die Einholung einer Auskunft aus dem Fahreignungsregister beim Kraftfahrt-Bundesamt an. Eine Anzeige hierfür wurde im Februar 2022 von Google abgelehnt. Anzeigen hierfür wurden danach nicht mehr ausgespielt.

Die Antragsgegnerin ist eine Tochter der Google LLC. Bei Google Adwords können Kunden suchgebundene Textanzeigen schalten. Die Antragsgegnerin ist für Werbekunden in Deutschland zuständig.

Starke Marktstellung von Google, wenig Alternativen

Das LG Hamburg verweist gleich im Eingang seiner Entscheidung auf einen Beschluss des Bundeskartellamtes vom 30. Dezember 2021 (Az. B 7 – 61/21), wonach Google eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinne des § 19 a Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hat. In dem entsprechenden Fallbericht des Bundeskartellamts heißt es: „Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes verfügt Google in Deutschland mit Marktanteilen von über 80 Prozent über eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls auf dem Markt für allgemeine Suchdienste gegenüber Suchnutzern und ist der wesentliche Anbieter für suchgebundene Werbung. […]. Darüber hinaus wurde berücksichtigt, dass Google auch mit seinen Werbediensten umsatz- und reichweitenstark vertreten ist. Mit Online-Werbung hat der Konzern im Jahr 2020 rund 147 Mrd. US-Dollar erzielt, was etwa 80 Prozent des Gesamtumsatzes entsprach. Webseiten im Google-Display-Netzwerk erreichen über 90 Prozent der Internetnutzer weltweit.“ Das LG Hamburg bejahte einen Unterlassungsanspruch nach § 33 GWB und sah in der Sperrung des Kontos „eine unbillige Behinderung der Antragstellerin“.

In dem Verfahren ging es um Ziffer 12 der Nutzungsbedingungen von Google Adwords, wonach Google „die Teilnahme des Kunden an den Programmen jederzeit aussetzen“ konnte, „z. B. im Falle von Zahlungsproblemen, Verletzungen von Richtlinien oder diesen Nutzungsbedingungen sowie aus rechtlichen Gründen.“

Zu den Richtlinien, auf die in den Nutzungsbedingungen Bezug genommen wird, gehört eine Richtlinie „Umgehung von Systemen“. Danach dürfen Werbesysteme und Verfahren von Google nicht umgangen oder manipuliert werden.

Google Adwords: Werbung für legal-tech-ähnliche Leistungen unzulässig?

Nach einer weiteren Richtlinie von Google Adwords, der sogenannten osDD-Richtlinie, ist Werbung unzulässig „für Dokumente oder Dienstleistungen, die den Erwerb, die Verlängerung, den Austausch oder das Einsehen behördlicher Dokumente oder Informationen ermöglichen, die auch direkt bei einer Behörde oder einem staatlich beauftragten Unternehmen erhältlich sind“. Ebenso unzulässig ist Werbung für die „Unterstützung bei der Beantragung oder Bezahlung hoheitlicher Dienstleistungen, wenn diese auch direkt bei einer Behörde oder einem staatlich beauftragten Unternehmen erhältlich sind“. Als Beispiel hierfür wird die Unterstützung bei der Bezahlung von Gebühren für den Individualverkehr wie eine Maut genannt.

Die 15. Kammer für Handelssachen entschied auf Aufhebung der Kontosperrung. Der Anspruch auf die Freischaltung ergebe sich aus den §§ 241 Abs. 1, Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) in Verbindung mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzungsvertrag sowie aus § 33 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. § 19 Abs. 1, 2 Satz 1 Alt. 1 GWB bzw. Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Google Adwords habe mit der Sperre des Kontos der Antragstellerin seine aus dem Nutzungsvertrag resultierenden Pflichten verletzt. Das LG Hamburg sah ein geschlossenes Dauerschuldverhältnis mit der Pflicht nach § 314 Abs. 2 BGB, im Falle einer Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, dass eine Kündigung erst nach Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig ist. Die Nutzungsbedingungen von Google Adwords sähen jedoch vor, dass der Vertrag jederzeit fristlos gekündigt werden könne und Google Adwords berechtigt sei, jederzeit die Teilnahme eines Nutzers „auszusetzen“, so das Urteil. Dazu, ob mit der „Sperre“ des Kontos der Antragstellerin eine Kündigung des Nutzungsvertrages verbunden sein solle oder eine Aussetzung, habe sich Google Adwords nicht verhalten. Es sei fraglich, „ob eine solche Regelung einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten kann“.

Landgericht entschied für Verbot der Kontosperrung

In der für die Rechtssache relevanten Fassung der Nutzungsbedingungen von Google Adwords stand, dass ein Konto wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinien erst dann gesperrt werde, wenn zuvor eine Warnung ausgesprochen worden ist. Über die Bezugnahme auf die Richtlinien in den Nutzungsbedingungen werde auch diese Regelung zum Vertragsinhalt, modifiziere die Regelung über die Kündigung in Ziffer 12 der Nutzungsbedingungen und entspreche inhaltlich § 314 Abs. 2 BGB, entschied das LG Hamburg. Eine Warnung vor Kontosperrung sei aber nicht ausgesprochen worden. Eine solche Warnung sei aber nach dem Rechtsgedanken des § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht entbehrlich gewesen. Google hätte vor einer Sperre ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass es die Anzeigen als Verstoß gegen die osDD-Richtlinie wertet und dass im Wiederholungsfall das Konto insgesamt gesperrt werden würde.

Ob die Antragstellerin mit der Platzierung der Anzeigen für e-Vignetten gegen die osDD–Richtlinie verstoßen habe, könne nach dem gestellten Antrag dahingestellt bleiben, heißt es weiter in dem Urteil. Das LG Hamburg sah eine Wiederholungsgefahr als gegeben an.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung muss Google Adwords ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen. Außerdem trägt die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens. Das Legal-Tech-Unternehmen kann also wieder Anzeigen für ungarische e-Vignetten bei Google Adwords schalten.

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