Irreführende Umweltwerbung: KG Berlin setzt strenge Maßstäbe bei „biobasiert“-Angabe
Das Kammergericht Berlin (5. Zivilsenat) setzt in einem Urteil vom 21. Januar 2025 (Az. 5 U 103/22) die strenge Linie zu umweltbezogenen Werbeaussagen fort.
Konkret ging es darum, ob ein Produkt mit der Angabe „Verpackung & Deckel sind biobasiert“ auf der Verpackung beworben werden darf. Das
Gericht entschied, dass diese Werbung irreführend ist und damit wettbewerbswidrig im Sinne von § 5 UWG. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen, die mit sogenannten Green Claims werben.
Der Fall: Werbung für „biobasierte“ Verpackung
Ein Verbraucherschutzverband hatte gegen den Hersteller einer Pflanzenmilch geklagt, die unter der Marke „vly“ vertrieben wird. Die Verpackung des Produkts trug den Hinweis, dass Verpackung und Deckel „biobasiert“ seien. Der Verband argumentierte, dass diese Angabe Verbraucher in die Irre führe. Tatsächlich bestand die Verpackung nur zu 82 % aus nachwachsenden Rohstoffen, was für viele Verbraucher aber nicht aus der Werbung hervorging.
Während das Landgericht Berlin die Klage in erster Instanz abwies, änderte das Kammergericht Berlin das Urteil und gab dem Kläger weitgehend recht.
Entscheidung des Gerichts: Mehrdeutigkeit ist problematisch
Das Kammergericht sah den Begriff „biobasiert“ als mehrdeutig und irreführend an. Es gebe keine allgemeingültige Bedeutung dieses Begriffs im Verbraucheralltag. Der durchschnittliche Verbraucher könne ihn daher unterschiedlich verstehen:
- Verständnis A: Die Verpackung besteht vollständig (100 %) aus nachwachsenden Rohstoffen.
- Verständnis B: Die Verpackung besteht zu einem relevanten Anteil, aber nicht ausschließlich, aus nachwachsenden Rohstoffen.
Da die tatsächliche Beschaffenheit der Verpackung nicht mit dem ersten, für Verbraucher naheliegenderen Verständnis übereinstimmte, lag nach Auffassung des Gerichts eine Irreführung vor. Das Unternehmen musste sich die missverständliche Auslegung zurechnen lassen.
Das Gericht betonte außerdem, dass unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bei Werbeaussagen stets zulasten des Werbenden gehen. Dies setzt fort, was der Bundesgerichtshof bereits mit Blick auf Umweltwerbung in seinem Urteil „klimaneutral“ (Az. I ZR 98/23) entschieden hatte.
Aufklärung über die Webseite reicht nicht aus
Das Unternehmen hatte versucht, die Irreführung durch einen Sternchenhinweis zu vermeiden. Der Hinweis verwies auf die Website des Unternehmens, wo genauere Informationen zur Zusammensetzung der Verpackung abrufbar waren (z. B. der Hinweis, dass die Verpackung zu 82 % biobasiert sei und der Deckel aus Zuckerrohr hergestellt werde). Das Gericht hielt dies jedoch für unzureichend und erklärte:
„Die notwendige Aufklärung muss sich aus der Werbung selbst ergeben. Verbraucher dürfen insbesondere beim Einkauf im Ladengeschäft nicht erst eine Webseite aufrufen müssen, um die wahre Bedeutung der Werbeaussage zu verstehen.“
Dies bestätigt den strengen Ansatz der Rechtsprechung bei Green Claims: Die Klarheit und Eindeutigkeit von Werbeaussagen muss sich direkt aus der Werbung ergeben.
Strenge Anforderungen an Umweltwerbung
Das KG Berlin ordnet Werbung mit Umweltbegriffen wie „biobasiert“, „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ in die Kategorie der Green Claims ein. An diese Werbeaussagen werden aus zwei Gründen besonders strenge Anforderungen gestellt:
- Hohe Relevanz für die Kaufentscheidung: Verbraucher achten zunehmend auf Umweltschutz und bevorzugen Produkte, die als besonders umweltfreundlich beworben werden. Damit ist die emotionale Bindung an solche Marken oft höher.
- Gesteigertes Irreführungspotential: Da Verbraucher oftmals kein tiefgehendes Verständnis für die genauen Definitionen von Umweltbegriffen haben, besteht ein hohes Risiko, dass sie durch unklare Angaben irregeführt werden.
Das Gericht wies darauf hin, dass Umweltangaben stets klar, eindeutig und belegbar sein müssen. Jede Mehrdeutigkeit oder nicht aufgelöste Unklarheit führe zu einer Irreführung.
Aufbrauchfrist: Ein Tropfen auf den heißen Stein
Das Unternehmen erhielt bis zum 21. April 2025 Zeit, um seine Verpackung und die entsprechende Werbung umzustellen. Das Kammergericht gewährte diese Aufbrauchfrist im Rahmen einer Interessenabwägung, da das Unternehmen angab, bereits mit einer Umstellung begonnen zu haben. Das Gericht begründete die Frist zudem damit, dass die Rechtswidrigkeit der Werbeaussage erst in der Berufungsinstanz abschließend festgestellt wurde und die Beklagte zuvor in erster Instanz erfolgreich war.
Dennoch bleibt das Urteil im Kern ein umfassender Erfolg für den Kläger: Nach Ablauf der Aufbrauchfrist ist die Werbung klar untersagt.
Konsequenzen für die Praxis: Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Das Urteil ist ein Weckruf für alle, die mit Umweltversprechen in Marketing und Werbung arbeiten. Praktische Empfehlungen für Unternehmen:
- Präzise statt vage Begriffe: Werbeclaims wie „biobasiert“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ müssen konkretisiert werden. Klare Angaben wie „zu 82 % aus nachwachsenden Rohstoffen“ bieten Sicherheit.
- Direkte Aufklärung: Informationen, die eine Mehrdeutigkeit auflösen, müssen sich direkt aus der Werbung selbst ergeben. Verweise auf Webseiten oder zusätzliche Informationen genügen nicht.
- Risikoanalysen bei Green Claims: Unternehmen sollten bereits bei der Konzeption von Werbekampagnen eine Prüfung auf rechtliche Risiken vornehmen. Besonders bei neuen Werbetermini besteht ein hohes Abmahnpotenzial.
- Schulung des Marketing-Teams: Insbesondere Marketingabteilungen sollten für die rechtlichen Anforderungen an umweltbezogene Werbung sensibilisiert werden. Ein enger Austausch mit juristischen Fachexperten ist unerlässlich.
Fazit: Klarheit geht vor Kreativität
Das Urteil des Kammergerichts Berlin ist ein klares Signal gegen Greenwashing und überzogene Umweltversprechen. Unternehmen müssen ihre Kommunikation sauber, verständlich und ehrlich gestalten. Ein Plus an Transparenz wird von Verbrauchern honoriert – und schützt zugleich vor rechtlichen Fallen.
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