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Zeit und Dauer – Jahreszahlen in der Werbung

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Photo by Thomas Bormans on Unsplash

Nichts ist so absolut wie die Zeit, nichts so relativ wie ihre Dauer. Und die wird höchst unterschiedlich gemessen.

Uhren gibt es in diversen Formen und mit vielen technischen Finessen. Man kann die Zeit nicht anhalten, aber Uhren sammeln. Manch hochwertige Uhr mag darüber darüber hinwegtrösten, dass die Zeit fliegt.

Tradition der Marke als Werbeaussage

Eine Markenuhr lässt das Sammlerherz höher schlagen. Für den Wert der Uhr bürgt also vor allem der Hersteller. Dessen Reputation hängt auch davon ab, seit wann er Zeitmesser fertigt. Je länger das der Fall ist, desto besser, denn dann – so darf man unterstellen – hat der Hersteller Erfahrung mit unterschiedlichen Techniken und Moden des Uhrenuniversums. Das Datum der Firmengründung wird somit zur werbewirksamen Qualitätsaussage.

Jahresangabe irreführend

Insoweit liegt auf der Datumsangabe im Kontext der Präsentation hochwertiger Uhren das besondere Augenmerk der Interessenten. Dieses wird dann als Ausweis einer (in der Regel langen) Firmentradition angesehen. Damit wird die Datumsangabe wettbewerbsrechtlich relevant: Bezieht sie sich nicht auf die Gründung des Unternehmen, wie allgemein angenommen wird, liegt eine Irreführung vor.

So wie in einem Fall, den das OLG Köln zu entscheiden hatte (OLG Köln, Urteil v. 23.12.2020, Az.: 6 U 74/20). Ein Hersteller hatte mit „Zeitsprung 1883“ geworben. In Wahrheit ist aber nicht etwa das Unternehmen 1883 gegründet worden, sondern die Technik, auf der die angebotene Uhr basiert, wurde damals entwickelt. Doch es könne, so das OLG Köln, vom Verbraucher nicht erwartet werden, dass er die genannte Zahl „1883“ nicht „mit der Tradition des Unternehmens, sondern mit der Entwicklung der Technik in Verbindung“ bringt. Ergo: Irreführung, wettbewerbswidrige.

Zusatzangaben unerheblich

An dieser Einschätzung des Gerichts ändert auch die Tatsache nichts, dass ein Zusatz, der auf die Tradition ausdrücklich hinweist (etwa „seit“ oder „since“) fehlt; ein solcher sei „für das Verkehrsverständnis nicht erforderlich“. Weiterhin führe auch der Zusatz „Zeitsprung“ nicht zu einer anderen Interpretation der Jahreszahl „1883“ als vermeintliches Gründungsdatum des Herstellers. Nach Auffassung der Kölner Richter verstünde nur ein kleiner Teil der angesprochenen Verkehrskreise diesen Zusatz richtig: als „Hinweis auf die Technik oder Optik der Uhr“. Die Mehrheit denke an ein Unternehmen mit generationenübergreifender Tradition. In Wahrheit wurde es erst 2013 gegründet. Wie gesagt: Nichts ist so absolut wie die Zeit, nichts so relativ wie ihre Dauer.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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