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Facebook & Co: BGH befasst sich mit Klarnamenpflicht

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Klarnamenpflicht Facebook
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Das Telemediengesetz sieht Anonymität und Pseudonyme vor. In den Nutzungsbedingungen von Facebook ist jedoch eine Klarnamenpflicht festgehalten. Der Bundesgerichtshof hat sich nun damit zu befassen, ob diese Klarnamenpflicht rechtmäßig ist.

Viele Nutzerinnen von sozialen Netzwerken wie Facebook entscheiden sich dafür, nicht ihren echten Namen anzugeben. Sie wollen damit ihre Privatsphäre schützen oder Belästigungen, Hassrede und Stalking vermeiden. Allerdings macht ein Agieren unter Pseudonym es auch den Urhebern rechtswidriger Äußerungen einfacher, weil sie so unter dem Deckmantel der Anonymität agieren können.

Klarnamenpflicht in Facebook-AGB

In den Facebook-Nutzungsbedingungen heißt es: „Wenn Personen hinter ihren Meinungen und Handlungen stehen, ist unsere Gemeinschaft sicherer und kann stärker zur Rechenschaft gezogen werden. Aus diesem Grund musst du Folgendes tun: Denselben Namen verwenden, den du auch im täglichen Leben verwendest.“

Das Landgericht Berlin entschied 2018, dass die Klarnamenpflicht bei Facebook rechtswidrig sei. Diese verstoße gegen das Telemediengesetz (TMG). In § 13 Abs. 6 TMG ist nämlich geregelt: „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.“

Facebook-Sperre wegen Anmeldung ohne Klarnamen

In einem Fall, der nun vor dem BGH gelandet ist, hatten sich zwei Facebook-Nutzer nicht unter ihrem Klarnamen bei Facebook angemeldet. Sie waren der Auffassung, dass sie daran ein berechtigtes Interesse haben. Einer der Betroffenen befürchtete Repressalien von Vertretern des linken politischen Spektrums. Facebook forderte den Nutzer in der Folge auf, seinen Nutzernamen innerhalb von sieben Tagen zu überprüfen. Dann kam es zur Sperrung des Accounts, die erst wieder aufgehoben wurde, nachdem der Nutzer seinen Namen änderte. Der Betroffene forderte Facebook auf, die Klarnamenpflicht aus den Nutzungsbedingungen nicht auf ihn anzuwenden und seine vorgenommene Änderung des Profilnamens zuzulassen. Facebook kam dem nicht nach, der Betroffene klagte vor dem Landgericht Traunstein. Dieses lehnte die Klage ab (LG Traunstein, Urteil v. 02.05.2019, Az. 8 O 3510/18).

OLG München: Accountsperre wegen Pseudonym rechtmäßig

Das Oberlandesgericht München entschied in der Berufung, dass die Sperre des Accounts rechtmäßig sei (OLG München, Urteil v. 08.12.2020, Az.: 18 U 2822/19). Facebook sei berechtigt, die Klarnamen von Nutzern zu verlangen. Diese hätten kein Recht auf ein Pseudonym. Das Gericht begründete dies mit der Privatautonomie der Vertragsparteien. Die durch § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG statuierte Verpflichtung des Diensteanbieters, grundsätzlich eine anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemedien zu ermöglichen, stehe außerdem im Konflikt mit den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese enthalte keine dem § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG entsprechende Bestimmung. Das Schweigen der DSGVO zu einem Recht auf eine pseudonyme Nutzung von Telemedien könne auch als „beredt“ angesehen werden.

Unionsrechtskonforme Auslegung des Telemediengesetzes

Der Widerspruch zwischen der Regelung des TMG und den Bestimmungen der DSGVO könne, so das OLG München, durch eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG aufgelöst werden. Ein Anbieter von Telemedien sei nur insoweit verpflichtet, eine Nutzung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit ihm dies zumutbar ist. Die Zumutbarkeit sei im Rahmen einer auf den konkreten Fall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermitteln. Dabei ist das Interesse des Anbieters mit dem Grundrecht des Nutzers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz abzuwägen.

Klarnamenpflicht geeignet, Rechtsverstöße zu verhindern

Da sozialschädliches Verhalten im Internet in Form von Cyber-Mobbing oder Beleidigungen weit verbreitet sei, habe Facebook ein legitimes Interesse daran, bereits präventiv auf Nutzer einzuwirken. Eine solche Klarnamenpflicht sei auch geeignet, „Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten“, so das Münchener Urteil. Es gebe „einen Zusammenhang zwischen Anonymität und enthemmtem, verletzendem und gefährlichem Verhalten“ im Internet.

Hemmschwelle für Cybercrime bei Pseudonym niedriger

Bei der Verwendung von Pseudonymen liege nach allgemeiner Lebenserfahrung die Hemmschwelle deutlich niedriger. Es sei Facebook deshalb nicht zumutbar, die anonyme oder pseudonyme Nutzung des angebotenen Dienstes zu ermöglichen. Facebook könne ebenso wenig zugemutet werden, „sich auf die Möglichkeit einer nachträglichen Sanktionierung eines Verstoßes verweisen zu lassen“, da Sanktionen mit erheblichem Aufwand für Facebook verbunden seien.

BGH entscheidet zwei verwandte Verfahren

Das OLG München ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Dieser hat sich nun abschließend mit der Problematik zu befassen. Der Verkündungstermin ist für den 27. Januar 2022 angesetzt. Der Bundesgerichtshof wird dabei nicht nur in dem Verfahren III ZR 4/21 eine Entscheidung verkünden. Der BGH entscheidet auch über einen weiteren Rechtsstreit, in dem sich die Frage stellt, ob soziale Netzwerke eine Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen haben.

In dem zweiten BGH-Verfahren verwendete der Kläger ein Pseudonym als Profilname. Nachdem er auf Nachfrage nicht bestätigt hatte, dass es sich um seinen im Alltag verwendeten Namen handelt, sperrte Facebook sein Nutzerkonto bis zu einer Änderung des Namens. Der Kläger begehrt, dass Facebook es unterlässt, Änderungen seines Profilnamens zu verhindern.

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