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Strafbare Facebook-Fotomontage – nicht nur Urheberrechtsverstoß sondern auch noch Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

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Facebook-Fotomontage
Foto von Glen Carrie auf Unsplash

Er wollte seiner kritischen Meinung gegenüber der Corona-Politik Ausdruck zu verleihen. Am Ende stand ein strafbarer Urheberrechtsverstoß. Das Oberlandesgericht Hamm hat einen Angeklagten wegen einer Facebook-Fotomontage für schuldig befunden (OLG Hamm, Urteil vom 27.06.2023, Az. 4 ORs 46/23).

Der Angeklagte postete auf Facebook eine Bildmontage, die überschrieben war mit „…‘wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘, war so, ist so, und bleibt auch so! … Ich führe nur Befehle aus“. Zwischen den Worten „Ich führe nur“ und „Befehle aus“ zeigte die Bildmontage ein Foto eines SS-Obersturmbandführers in Uniform, mit Totenkopfemblem an der Mütze und der doppelten Sigrune auf dem Kragen und auf der anderen Seite einen uniformierten Polizeihauptmeister. Der erstattete Strafanzeige und strengte eine Adhäsionsklage an.

Das Originalfoto des Polizisten entstand im Rahmen des G-20-Gipfels im Jahr 2017. Es war im Internet frei zugänglich. Der Angeklagte argumentierte, das Foto habe einen zeitgeschichtlichen Hintergrund und es werde die Polizei als Institution angegriffen, nicht die Privatperson des Polizisten.

Strafbarer Urheberrechtsverstoß durch Zur-Schau-Stellen ohne Einwilligung

Das OLG Hamm urteilte jedoch, dass es sich nicht um ein Bildnis der Zeitgeschichte handle. Zwar mag der G-20-Gipfel von gesellschaftlichem Interesse gewesen sein, nicht aber der gezeigte Polizist. Das Bild werde außerdem „völlig aus dem Zusammenhang gerissen“. Das OLG Hamm sah wie die Vorinstanz einen strafbaren Urheberrechtsverstoß und zwar gegen § 33 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG). Durch das Posten des Bildes ohne Einwilligung des Betroffenen auf seinem öffentlichen Facebook-Profil habe der Angeklagte das Bildnis öffentlich zur Schau gestellt. Der Angeklagte habe das Bild dem Internet entnommen und dabei die naheliegende Möglichkeit erkannt, dass der Polizist keine Einwilligung zur Verwendung seines Bildnisses erteilt hat und dies billigend in Kauf genommen.

Es könne dahinstehen, ob die von dem Angeklagten nicht selbst angefertigte Fotomontage dem Schutzbereich der Kunstfreiheit unterfalle. Denn in der Abwägung überwiege das Persönlichkeitsrecht des Adhäsionsklägers die Kunst- bzw. Meinungsfreiheit des Angeklagten.

Strafbarkeit wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Das OLG Hamm sieht durch die Facebook-Fotomontage auch den Tatbestand des § 86a Strafgesetzbuch (StGB) (‚Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen‘) als erfüllt an. Der in der Bildmontage enthaltene Totenkopf – „mit seinem stark ausgeprägten Kiefer mit zwei vollständig großen Zahnreihen sowie den Schädelöffnungen im Bereich der Augen und der Nase“ – sei das Uniformabzeichen der SS-Verbände der NSDAP und ein Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne von § 86a StGB. Ein Ausnahmefall der zulässigen Verwendung verbotener Kennzeichen liege nicht vor.

Durch den Vergleich der heutigen Polizei mit der SS werde von der SS begangenes Unrecht relativiert, entschied der 4. Strafsenat des OLG Hamm. Die Organisation und Handlungen der Polizei seien in keiner Weise mit denjenigen des verbrecherischen Nazi-Regimes und der SS vergleichbar. Durch einen direkten Vergleich werde das Handeln der SS, welches untrennbar mit der Massenvernichtung von Juden verbunden sei, verharmlost.

„Kommunikatives Tabu“ gebrochen

§ 86a StGB solle verhindern, dass sich die Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen ungeachtet der damit verfolgten Absicht wieder derart einbürgert, dass das Ziel, derartige Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird. Denn ansonsten wäre die Folge, dass die Kennzeichen „schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können“. § 86a StGB solle ferner einer Gewöhnung an bestimmte Kennzeichen zuvorkommen, indem diese aus allen Kommunikationsmitteln verbannt werden, das sogenannte „kommunikative Tabu“.

Auch eine Strafbarkeit wegen Beleidigung nach § 185 StGB bejahte das OLG Hamm. Diese habe das Landgericht Paderborn „zu Unrecht“ verneint. Das LG Paderborn war der Auffassung, dass bei der vorzunehmenden Güterabwägung zwischen dem Ehrenschutz des Polizisten einerseits und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Angeklagten andererseits die Meinungsfreiheit überwiege. Dagegen war die Staatsanwaltschaft in Revision gegangen. Sie war der Ansicht, das Persönlichkeitsrecht des Polizisten überwiege die Meinungsfreiheit, der Angeklagte sei auch wegen Beleidigung zu bestrafen.

Das OLG Hamm änderte das Urteil des LG Paderborn ab, so dass der Angeklagte eines Verstoßes gegen das KunstUrhG in Tateinheit mit Beleidigung sowie in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig ist. Die Revision des Angeklagten wurde verworfen.

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