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OLG Frankfurt: Gewährung einer Aufbrauchfrist im Eilverfahren bei Härtefall möglich

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Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Einem aktuellen Beschluss des OLG Frankfurt nach kann auch im Eilverfahren unter gewissen Umständen eine Aufbrauchsfrist hinsichtlich der gerichtlichen Verpflichtung (im konkreten Fall zur Abänderung der eigenen Garantiebedingungen) gewährt werden.

Voraussetzung ist, dass eine sofortige Umsetzung eine besondere Härte darstellen würde und nur unter unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist.

Garantie garantiert „zusätzliche Vorteile“ – garantiert!

Seinen Ursprung fand die Entscheidung aus Frankfurt in einem Eilantrag auf einstweilige Verfügung gegen einen Vertreiber von elektronischen Geräten wie unter anderem Haarstylingprodukten und Staubsaugern. Auf Seiten des Antragstellers stand ein weiteres Unternehmen, welches die gleichen Erzeugnisse an Einzelhändler absetzte. Dieses rügte die kürzlich abgeänderten Garantiebedingungen der betroffenen Partei. So wurden unter anderem „zusätzliche Vorteile“ versprochen, und außerdem keine detaillierten Angaben zum Aussteller der Garantien gemacht. Darin sei sowohl eine Irreführung als auch ein Verstoß gegen § 479 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu sehen. Schließlich seien die Bedingungen inhaltlich nicht bestimmt genug formuliert worden. Die entsprechende Vorschrift im bürgerlichen Gesetzbuch lautet:

(1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten:

1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und
2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.

Bei einer Garantie handelt es sich um eine vom Vertragspartner freiwillig abgegebene Erklärung, unter Umständen verschuldensunabhängig für gewisse Vertragsmängel einzustehen. Der entscheidende Unterschied zu einer Gewährleistung ist, dass diese gesetzlich dem Verbraucher in jedem Fall zusteht – eine Garantie kann dagegen freiwillig abgegeben werden. In jedem Fall kann die Garantie die Gewährleistung aber weder bezüglich ihres Umfangs verringern, noch diese ersetzen.

Hoher Aufwand rechtfertigt lange Frist

Der Antrag vor dem Frankfurter Oberlandesgericht hatte im Ergebnis Erfolg (OLG Frankfurt, Beschluss v. 16.1.2020, Az. 6 W 119/19). So seien nach Ansicht der Richter tatsächlich nur unzureichende Angaben gemacht worden, wer im Einzelnen Aussteller der Bedingungen ist. Insofern sei ein Verstoß gegen § 479 Abs. 1 Nr. 2 BGB anzunehmen. Da in der Vorschrift auch eine Marktverhaltensregel gemäß § 3 a) des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu sehen sei, wurde dem Antragssteller ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 UWG zugesprochen. Dem Gegner wurde dabei allerdings eine Frist zur Umsetzung (damit zur Anpassung der Garantiebedingungen) von 2,5 Monaten gewährt.

In der Urteilsbgründung gaben die Richter an, diese vergleichsweise lange Frist sei Resultat einer Abwägung der Interessen aller Beteiligten. So stelle die sofortige Abänderung der  Bedingungen eine unverhältnismäßige Härte für die Schuldnerseite dar. Diese resultiere aus der Produktions- und Lieferstruktur des Unternehmens, die aufgrund ihrer Komplexität eine direkte Abänderung nicht ohne intensiven Aufwand zuließe. Davon sei trotz der Tatsache auszugehen, dass sich der Antragsgegner auch schon im Vorfeld des Beschlusses auf einen für ihn möglicherweise negativen Ausgang hatte vorbereiten können. Schließlich entfalte der Verstoß durch die fehlerhaften Bedingungen gemessen an der Spürbarkeitsschwelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vergleichsweise nur geringe Intensität. Die Spürbarkeitsschwelle des UWG ist in § 3 a) Abs. 2 geregelt. Hier heißt es:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Der Zweck dieser Schwelle ist in zahlreichen Urteilen in der Vergangenheit herausgearbeitet worden. So soll sie solche Fälle des Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung von der Verfolgung ausnehmen, die keine nennenswerte Auswirkung auf andere Marktteilnehmer haben. Denn daran besteht kein Interesse der Allgemeinheit. Ein Verbot ist vielmehr nur dann erforderlich, wenn dies der Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber oder der sonstigen Marktteilnehmer erfordert. Ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, beurteilt sich folgerichtig ebenfalls nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhaltensregelung. Spürbarkeit ist dann zu bejahen, wenn eine Beeinträchtigung der geschützten Interessen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten kann (zuletzt OLG Frankfurt, Beschluss v. 22.1.2020, Az. 6 W 3/20). Je nach „Härtegrad“ ist dann im Urteil der Intenstität der Spürbarkeit Rechnung zu tragen.

Fazit

Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, dass im Rahmen eines Eilantrags auf eine einstweilige Verfügung dem Antragsgegner eine besonders verlängerte Frist gewährt wird. Allerdings ist eine solche Beschränkung des Unterlassungsanspruch hinzunehmen. Das Eilverfahren soll lediglich der Gefahr vorbeugen, dass eine Entscheidung im Hauptverfahren für den Antragssteller möglicherweise zu spät kommt. Dann nämlich müsste dieser einen finalen Verlust seiner Rechte hinnehmen. Selbstverständlich müssen für eine solche ausnahmsweise gewährte Frist besondere Umstände, im Einzelnen eine besondere Härte, vorliegen. Dann ist es Aufgabe der Gerichte, im Rahmen der Interessenabwägung die richtigen Schlüsse zu ziehen.

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