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OLG Brandenburg: Klagender Arzt kommt primärer Darlegungslast gegen Jameda nicht nach

Online-Bewertungsportale, wie beispielsweise Jameda, rufen immer wieder den Unmut von Ärzten hervor. Diese fürchten bei negativen Bewertungen um ihren guten Ruf.

Die Patienten sehen ihre Äußerungen hingegen von der Meinungsfreiheit geschützt. Da die Bewertungen anonym erfolgen, bleibt den Betroffenen häufig nur der Weg, gegen den Portalbetreiber vorzugehen.

Im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs, der sich gegen die Veröffentlichung eines negativen Beitrags richtet, ist der Kläger grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet. Das gilt auch dann, wenn es um die Frage geht, ob der in der Bewertung behauptete Behandlungskontakt tatsächlich stattgefunden hat. Das Bewertungsportal treffe jedoch eine sekundäre Darlegungslast.

Dies bestätigte kürzlich das OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Beschluss v. 5.3.2020, Az. 1 U 80/19). Eine Umkehr der Darlegungslast finde allerdings nur dann statt, wenn der klagende Arzt den Behandlungskontakt nicht lediglich pauschal bestreite.

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Arzt, der auf einer Internet-Plattform wie folgt bewertet wurde:

„Teure Oberkieferbrücke/Kronen hat keine 4 Jahre gehalten Leider muss meine feste Oberkieferbrücke nach nicht einmal 4 Jahren raus. Undichte Krone,2 Zähne müssen gezogen werden (sind Wurzelkanal gefüllt mit Stift) Das bittere ist, dass es keine feste Oberkieferversorgung mehr gibt (außer vielen Implantaten)

Viel Geld, viel Privatleistungen, wenig Freude mit den neuen Zähnen und das als Angstpatient, traurig! Diese Bewertung wird bestimmt wieder unfair kommentiert, armer Zahnarzt! Nicht empfehlenswert, den Tiefschlaf gibt es woanders auch.“

Der Kläger verlangte vom Betreiber der Website die Löschung des Beitrags. Der Bewertende sei bei ihm niemals Patient gewesen.

Die Beklagte entfernte den Eintrag zunächst vorübergehend und wendete sich an den Verfasser des Textes. Dieser gab den Behandlungszeitraum an, schilderte Behandlungsdetails und reichte eine Rechnung des Klägers ein. Daraufhin veröffentlichte die Beklagte die streitgegenständliche Bewertung erneut.

Der Kläger ging daraufhin gerichtlich gegen die Bewertungsplattform vor und bestritt den Behandlungskontakt weiterhin.

Pauschales Bestreiten der Behandlung genügt nicht

Nach Auffassung der Richter genüge das pauschale Bestreiten des Behandlungskontakts nicht. Der Kläger trage grundsätzlich die primäre Darlegungslast, die Beklagte als Bewertungsplattform lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Dieser sei sie nachgekommen, indem sie die für einen Behandlungskontakt sprechenden Angaben dargelegt habe. Eine Umkehr der Darlegungslast finde dann nicht statt, wenn der betroffene Arzt den Behandlungskontakt lediglich pauschal bestreite, ohne dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit den in seiner Praxis verfassten und teilweise von ihm unterzeichneten Unterlagen sowie den hieraus ersichtlichen Informationen erfolge.

Der Kläger habe sich weder mit der Schilderung des Behandlungsverlaufs noch mit den vorliegenden Unterlagen substantiiert auseinandergesetzt, obwohl diese es ihm ohne Weiteres ermöglicht hätten, seine Patientenunterlagen in dem hier maßgeblichen Zeitraum auf diesen konkreten Vorfall hin zu durchsuchen und einen konkreten abweichenden Verlauf zu behaupten (vgl. LG München II, Urteil vom 18. April 2018, Az.: 10 O 3560/17).

Bewertung von Meinungsfreiheit gedeckt

Die Bewertung diffamiere den Arzt im Übrigen auch nicht. Es handle sich um von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerungen. Daher stehe dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

Fazit

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass es zum Bestreiten eines Behandlungskontakts mehr braucht als sich bloß pauschal darauf zu berufen, man könne den Bewertungsverfasser keinem Behandlungskontakt zuordnen. Bewertungsplattformen wie Jameda trifft zwar eine sekundäre Beweis- bzw. Darlegungslast hinsichtlich eines behaupteten Behandlungskontakts. Zu dieser Beweislastumkehr kommt es jedoch erst dann, wenn der Arzt glaubhaft vorträgt, der vom Bewertungsverfasser konkret behauptete Praxisbesuch habe nie stattgefunden.

Wie es richtig geht, wird in einem Hinweisbeschluss des OLG Thüringen (Hinweisbeschluss v. 18.10.2019, Az. 1 U 599/19) deutlich. Im darin gegenständlichen Fall war eine negativ bewertete Ärztin, die von unserer Kanzlei vertreten wurde, erfolgreich gegen die Bewertungsplattform Jameda vorgegangen. Im Rahmen dessen konnte sie glaubhaft und substantiiert darlegen, dass der Bewertungsverfasser nie in ihrer Praxis war, und so ihre Unterlassungsansprüche erfolgreich durchsetzen.

Auch außergerichtlich hat unsere Kanzlei bereits in vielen Fällen im Namen unserer Mandanten Bewertungsportale wie z.B. Jameda oder Google erfolgreich zur Entfernung von Bewertungen aufgefordert, denen kein Behandlungs- bzw. Geschäftskontakt zugrunde lag. Selbiges gilt für das Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu. Auch vom Verfasser eingereichte ausführliche Stellungnahmen, Praxisbschreibungen oder Unterlagen  konnten im Rahmen dessen bereits zahlreich entkräftet werden.

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