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Jameda: Reichweite der Sorgfaltspflichten bei Arzt-Bewertungen

© LIGHTFIELD STUDIOS – Adobe Stock

Allzu oft haben Ärzte sich mit negativen Bewertungen auseinanderzusetzen, die dann Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen werden.

Häufig wenden sich die bewerteten Ärzte an den jeweiligen Betreiber des Portals, um die unliebsamen Bewertungen löschen zu lassen. Diese weisen jedoch meistens jede Verantwortung von sich. So auch im vorliegenden Fall (LG Braunschweig, Urteil v. 28.11.2018, Az. 9 O 2616/17).

„Die Behandlung dauerte keine fünf Minuten …“

Der Kläger, ein niedergelassener Facharzt u.a. für Neurologie, wandte sich gegen eine Bewertung, die ein angeblicher Patient auf dem Ärztebewertungsportal jameda.de eingestellt hat. In der Bewertung monierte der Bewertende u.a. die viermonatige Wartezeit auf einen Termin, die kurze Behandlungsdauer und die Aufklärung durch den Kläger. Die Gesamtnote lag bei 5,0.

Der Kläger beanstandete gegenüber der Beklagten, dass die Angaben in der Bewertung nicht der Wahrheit entsprächen, und der Kläger bezweifelte, dass der Bewertende von ihm behandelt wurde. Die Beklagte nahm die Bewertung zunächst von der Plattform. Nach einer Überprüfung und Löschung strittiger Tatsachenbehauptungen erklärte die Beklagte jedoch, diese wieder zu veröffentlichen.

Der Kläger beanstandete diese Vorgehensweise und forderte die Beklagte erfolglos auf, die Bewertung zu entfernen. Die Beklagte dagegen verwies auf die jeweiligen Nachfragen bei dem Verfasser der Bewertung. Dieser habe u.a. den genauen Zeitpunkt der Behandlung angeben, in dem der Kläger auch in der Praxis anwesend war. Zudem habe der Verfasser ausreichend die Lage der Praxis beschrieben.

Betreiber haftet für Äußerungen Dritter

Das LG Braunschweig entschied, dass die Beklagte der ihr obliegenden Prüfungspflicht, ob der Bewertung tatsächlich ein Behandlungskontakt zugrunde lag, nicht ausreichend nachgekommen ist. Sie haftet daher hinsichtlich dieser Bewertung als mittelbare Störerin. 

Als mittelbarer Störer ist verpflichtet, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung eines Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Dabei wird die Verletzung von Prüfpflichten vorausgesetzt. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist. 

Grundsätzlich ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern.

Werturteil oder Tatsachenbehauptung?

Diesen Anforderungen hat die Beklagte nach Ansicht des Gerichts nicht genügt.

Die beanstandete Bewertung verletzte den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Aussage, dass der Kläger in zentralen Bereichen des Behandlungsgeschehens den an ihn gestellten Anforderungen aus Sicht des die Behandlung bewertenden Patienten nicht gerecht geworden ist, verletzte den Kläger in seiner Ehre und sozialen Anerkennung.

Eine Rechtfertigung für den Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lag ebenfalls nicht vor. Denn auch wenn die Bewertung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, so ist dennoch der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Elemente zu überprüfen. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu der Entscheidung, dass der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaute, nicht der Wahrheit entsprach, denn der behauptete Behandlungskontakt hatte nicht stattgefunden. Daraus folgt, dass ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, nicht vorliegen kann. Die Bewertung ist daher nicht von der Meinungsfreiheit nacht Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.

Nachweise über die letzten Arztbesuche

An die Prüfpflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals sind wegen des gesteigerten Risikos für Persönlichkeitsverletzungen strenge Anforderungen zu stellen. Der Betreiber muss daher ohne Gefährdung der Anonymität des Bewertenden ernsthaft versuchen, die Berechtigung der Beanstandung zu klären. Es ist nicht ausreichend, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen (BGH, Urteil v. 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15). Dazu muss der Portalbetreiber sich die Behandlung durch objektive Beweismittel in Form von Rechnungen, Terminkarten, Bonusheften, Rezepten o. ä. Nachweisen lassen.

Letztendlich durfte sich die Beklagte nicht mit der vorliegenden Antwort des Bewertenden zufriedengeben, dass die Krankenkasse keine Arztbesuche registriere. Denn es ist nicht denkbar, dass kassenärztliche Leistungen ohne Registrierung der Behandlungsdaten abgerechnet werden. Als angeblicher Kassenpatient hat der Verfasser der Bewertung auch einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse, den er hätte geltend machen können. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 305 SGB V. 

Darüber hinaus hat die Beklagte nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, sich von dem Bewertenden den Arztbesuch bei dem Kläger nachweisen zu lassen. Sowohl die Praxisbeschreibung als auch die Wegbeschreibung zur Praxis waren nicht geeignet, den Behandlungsnachweis zu erbringen. Schließlich lässt sich beides größtenteils im Internet aufrufen und kann auf eine unbestimmte Vielzahl von Praxen zutreffen.

Sekundäre Beweis- und Darlegungslast

Zwar ist der Kläger nach den allgemeinen Regeln für das Fehlen des Behandlungskontaktes darlegungs- und beweisbelastet. Das LG Braunschweig verlangte von dem Kläger jedoch keine nähere Darlegung. Dieser müsste nämlich ansonsten zur Verifizierung der Fehlanzeige eine Vielzahl geheimhaltungspflichtiger sensibler Patientendaten offenlegen. 

Dem Kläger war eine nähere Darlegung daher nicht möglich und er hatte auch keine andere Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung. Der Beklagten oblag somit eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht nachgekommen ist. Das Geschäftsmodell Jameda’s ist darauf angelegt, die Anonymität der Bewertenden sicherzustellen und zu schützen. Man kann dem Kläger daher nicht vorwerfen, dass es ihm nicht gelungen ist, den Verfasser der streitgegenständlichen Bewertung zu identifizieren. Jameda dagegen hat es versäumt, von dem Bewertenden aussagekräftige Belege zu dem angeblichen Behandlungskontakt einzuholen.

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