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OLG Hamm verbietet jameda-Bewertung wegen falscher Tatsachen

OLG Hamm Verhandlung jameda
© Jonas Glaubitz – fotolia.com

Exakt drei Wochen nach dem jameda-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 20.02.2018, Az. VI ZR 30/17) verhandelte der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm heute über die Zulässigkeit einer auf dem Bewertungsportal www.jameda.de abgegebenen Bewertung.

Eine Zahnärztin aus Essen hatte gegen jameda wegen einer umfangreichen, sehr kritischen negativen Bewertung eine einstweilige Verfügung beantragt. Diese stützte sie unter anderem auf eine Regelung in den AGB von jameda. Danach sollen schwerwiegende Vorwürfe nicht veröffentlicht werden, da jameda keine Plattform für schwerwiegende Auseinandersetzungen zwischen Arzt und Patient sein soll.

Die Zahnärztin ist auf der Bewertungsplattform Inhaberin eines „Gold-Profils“, das ihr ermöglicht, auch Bilder und Texte selbst einzufügen und zu gestalten. Im Juni 2017 wurde die Zahnärztin von einer Patientin anonym bewertet.

Was störte die Zahnärztin?

Auszugsweise lautet die Bewertung wie folgt:

„Nicht vertrauenswürdig!

Die Kommunikation von Frau … ist problematisch: Sie verzichtet auf die einfachen Komm. Grundregeln und eine Aufklärung / Beratung. Die Prothetik Lösungen von Frau … waren zum Teil falsch … Ich habe die Zahnärztin als eine herrische, sehr emotional auf Kritik reagierende Persönlichkeit kennengelernt.“

Des Weiteren wurden folgende Noten vergeben:

„Behandlung 5,0“ „Aufklärung 5,0“ „Vertrauensverhältnis 6,0“

Die Zahnärztin war mit der Bewertung nicht einverstanden. Sie konnte zunächst nicht nicht einmal nachvollziehen, von wem diese stammte. Außerdem entspreche sie nicht den Tatsachen. Jameda löschte die Bewertung jedoch nicht.

LG Essen verbietet bestimmte Passagen der Bewertung

Die Zahnärztin zog daher in erster Instanz vor das Landgericht Essen, um die jameda-Bewertung löschen zu lassen. Das Landgericht untersagte jameda mit Urteil vom 07.11.2017 lediglich Teile der ursprünglichen Bewertung. So dürfe jameda nicht verbreiten, dass die Zahnärztin auf „eine Aufklärung / Beratung“ verzichte. Des Weiteren wurde die Aussage

„Die Prothetik Lösungen von Frau … waren zum Teil falsch …“

verboten. Die übrigen Aspekte der Bewertung seien zulässig – so die Essener Richter.

Bei den verbotenen Aspekten der Bewertung handele es sich um Tatsachenbehauptungen, die nach der hinreichend glaubhaft gemachten Darstellung der Zahnärztin falsch seien. Falsche Tatsachenbehauptungen über eine Person verletzen dessen Persönlichkeitsrecht, sodass eine Unterlassung geboten sei.

Darüber hinaus legten die falschen Tatsachenbehauptungen der Klägerin eine erhebliche ärztliche Verfehlung zur Last. Allein nach den Nutzungsbedingungen von jameda hätten diese Aussagen nicht veröffentlicht werden dürfen, s o das Gericht.

Bei den restlichen Aussagen handele es sich jedoch um subjektive Wahrnehmungen der Patientin, die durch die Meinungsfreiheit geschützt seien (LG Essen, Urteil v. 7.11.2017, Az. 9 O 254/17).

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 6.3.2018.

Die Entscheidung des Landgerichts Essen hätte noch weitergehen können

Zwar ist dem Landgericht insoweit zuzustimmen, dass subjektive Wahrnehmungen von der Meinungsfreiheit geschützt und so zunächst einmal zulässig sind. Diese können aber im Einzelfall dennoch unzulässig sein, wenn diese auf unzutreffenden Annahmen beruhen.

So stellte das Oberlandesgericht München bereits im Jahr 2014 fest, dass wenn

„ein Werturteil eine zugrunde liegende tatsächliche Feststellung von eigenständiger Bedeutung derart widerspiegelt, dass beide zusammen stehen und fallen , nicht nur Unterlassung der unwahren Tatsachenbehauptung, sondern auch der auf dieser beruhenden Werturteile verlangt werden [kann].“ (OLG München, Urteil v. 17.10.2014, Az. 18 W 1933/14)

Vor allem die Werturteile, die durch die Notenvergabe in den Kategorien Behandlung, Aufklärung und Vertrauensverhältnis erfolgten, stützen sich in erster Linie auf die zugrundeliegenden falschen Tatsachenbehauptungen. Aber auch die Aussage

„Nicht vertrauenswürdig!“

basiert auf der falschen Tatsachenbehauptung, die Klägerin berate und kläre nicht auf. Des Weiteren wird auch die Meinungsäußerung

„Die Kommunikation von Frau … ist problematisch:“

mittels des Doppelpunkts auf die folgenden Tatsachenbehauptungen bezogen. Die eben aufgezählten Meinungsäußerungen beruhen damit im Wesentlichen auf den behaupteten unwahren Tatsachen, sodass die Meinungsäußerungen in Zusammenhang mit den behaupteten Tatsachen „stehen oder fallen“ und damit vom Landgericht Essen mit guten Gründen ebenfalls hätten verboten werden können.

Wie hat das OLG Hamm entschieden?

Mit dem Urteil des Landgerichts wollte sich jameda nicht zufrieden geben und legte dagegen Berufung vor dem OLG Hamm ein. Heute fand die mündliche Verhandlung statt, in dem der Senat auch gleich sein Urteil verkündete (OLG Hamm, Urteil v. 13.3.2018, Az. 26 U 4/18).

Laut einer aktuellen Pressemitteilung vom 13.3.2018 hat der Senat hat auf die Berufung des Unternehmens aus München die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Essen, mit der ihm untersagt worden war, bei der Patientenbewertung zu verbreiten, die Zahnärztin „verzichte auf eine Aufklärung/Beratung“ sowie „ihre Prothetiklösungen seien zum Teil falsch“ zwar teilweise abgeändert. Allerdings bleibt das Unternehmen aus München weiterhin dazu verurteilt, es zu unterlassen, auf seinem Portal zu veröffentlichen, die klagende Zahnärztin verzichte auf eine Aufklärung/Beratung.

In der heutigen mündlichen Verhandlung hat der Senat in einem summarischen Verfahren den Beweis durch die Zahnärztin als geführt angesehen, dass ihre Patientin, von der die Bewertung stammt, tatsächlich von ihr aufgeklärt worden ist. Dies ergebe sich aus den zur Akte gereichten Patientenunterlagen über ihre Behandlung bei der Zahnärztin. Wenn danach – worauf der Senat im Senatstermin hingewiesen hat – von einer Aufklärung ihrer Patientin ausgegangen werden könne, sei die Bewertung auf dem Portal, dass die Zahnärztin auf eine Aufklärung/Beratung verzichte, falsch, weshalb dem Unternehmen aus München zu untersagen sei, eine solche falsche Tatsache zu veröffentlichen.

Dass allerdings auch die Tatsachenbehauptung ihrer Patientin, die Prothetiklösungen der Zahnärztin seien teilweise falsch, nicht zutreffend sei, hat der Senat bei der summarischen Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht feststellen können.

Ausblick

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist nicht überraschend. Seit jeher muss sich der Betroffene von öffentlichen Äußerungen es nicht gefallen lassen, wenn diese nicht der Wahrheit entsprechen. Dass das Oberlandesgericht Hamm das  zunächst vom Landgericht noch erlassene Verbot in Bezug auf die Äußerung der angeblich fehlerhaften Prothetiklösungen  wieder aufgehoben hat, ändert an diesem Grundsatz nichts. Dieser Umstand mag, und diesbezüglich können der Pressemitteilung leider keine Details entnommen werden, der besonderen Darlegungs- und Beweislage im summarisch geführten Eilverfahren geschuldet gewesen sein.

Die Entfernung von Arztbewertungen wird daher auch in Zukunft, so wie wir es bereits für unsere Mandanten getan haben,  gerichtlich durchgesetzt werden können. Kürzlich hatte der Bundesgerichtshof über einen Fall zu entscheiden, der letztendlich sogar zur Verpflichtung geführt hatte, das Profil einer Ärztin vollständig aus jameda zu entfernen. Diesen Schritt konnte jameda letztendlich nur durch einen gravierenden Eingriff in die Gestaltung der Bewertungsplattform vermeiden.

Aus rechtlicher Sicht schade ist es, dass die Verfügungsklägerin nicht ebenfalls Berufung eingelegt hat, soweit das Landgericht ihren Verfügungsantrag zurückgewiesen hatte. Denn so bleibt ungeklärt, ob nicht auch in diesem Falle die Überlegungen des Oberlandesgerichts München (siehe oben) hätten zu Grunde gelegt werden müssen, wonach auch eine Meinungsäußerung unzulässig sein kann. Nämlich dann, wenn sie auf unzutreffenden Annahmen beruht. Denn dies war ja hier jedenfalls in Bezug auf den Teil der Äußerung, die auf der Behauptung beruhte, die Zahnärztin kläre nicht richtig auf bzw. berate nicht, der Fall.

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