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Beleidigungen im Rahmen eines Wohnungseigentümerstreits? – das AG München verurteilt zur Unterlassung

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Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.Nachbarschaftsstreitigkeiten hat sicherlich jeder schon einmal erlebt. Insbesondere zwischen Wohnungseigentümern können Streitigkeiten entstehen, die sich nur noch vor Gericht klären lassen. Interessant wird es für den Persönlichkeitsrechtler dann, wenn die Streitigkeiten der Wohnungseigentümer nicht nur die Reinigung des Hausflures, die gemeinsame Nutzung des Kellers oder die nächtliche Ruhe betreffen, sondern sich die Eigentümer gegenseitig beleidigen.

So war es auch in dem Fall den das Amtsgericht München zu entscheiden hatte (Urteil vom 15.05.2012, Az. 481 C 2412/12 WEG, rechtskräftig).

Was war geschehen?

Eine Eigentümerin einer Wohnungsgemeinschaft begann einen Streit mit einer anderen Eigentümerin, weil von dieser angeblich Lärmbelästigungen ausgingen. Die Eigentümerin wusste sich nicht anders zu wehren, als einen Zettel mit Tesafilm an ihre Wohnungstür anzubringen, der für jeden Nachbar lesbar war. Der Zettel enthielt unter anderem den folgenden Inhalt:

„ihr unverschämtes, egoistisches Herumschlagen in den frühen Morgenstunden…“

Weiter führte die Verfasserin des Zettels aus, dass die Adressatin den Hausfrieden durch ihre sechsmonatigen Renovierungsarbeiten sowie durch viele Vorfälle bis aufs äußerste beeinträchtige.

Die Adressatin  verlangte von der Verfasserin daraufhin, dass diese ihr zusichere, kein Schreiben mehr aufzuhängen oder sonst wie in dem Hause öffentlich bekannt zu machen. Sie berief sie dabei darauf, dass das Schreiben ehrverletzend und beleidigend sei.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht München gab der Adressatin Recht und verurteilte die Verfasserin zur Unterlassung. Für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung wurde der Verfasserin unter anderem ein Ordnungsgeld i.H.v. 10.000,00 € angedroht.

Die Verfasserin vertrat im gerichtlichen Verfahren die Ansicht, dass sie lediglich berechtigte Interessen wahrgenommen habe. Daher sei es nötig gewesen, dass Schreiben öffentlich zugänglich zu machen.

Das sah das Amtsgericht anders. Es führte aus, dass sich die Verfasserin selbst dann nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen könne, wenn die zugrunde liegenden Vorwürfe wahr wären. Insofern ließ es dahinstehen, ob die Interessen der Verfasserin berechtigt seien. Die Antragsgegnerin müsse andere Wege finden, um ihre Interessen wahrzunehmen. So hätte sie ein verschlossenes Schreiben an die Adressatin schicken oder ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen können. Es hielt die Äußerungen der Verfasserin für wertend und geeignet die Adressatin zu diffamieren. Das Gericht sah den alleinigen Zweck der Veröffentlichung im Hausflur darin, die Gegenseite in Misskredit zu bringen. Eine Rechtfertigung sei hierfür nicht ersichtlich.

Fazit

Den Persönlichkeitsrechtler mag das Urteil ein wenig verwundern. Denn viele Werturteile sind zulässig. In der Regel ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Trägers des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und desjenigen vorzunehmen, der die Äußerung unter Berufung auf sein Recht der Meinungsfreiheit tätigt. Die Aussage, dass ich jemand „egoistisch“ oder „unverschämt“ verhält, muss daher nicht immer zwingend beleidigend sein.

Insofern bin ich auf die Begründung des Urteils gespannt. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die berechtigten Interessen der Verfasserin überhaupt abgewogen wurden. Das heißt, ob das Gericht tatsächlich geprüft hat, ob die Interessen der Verfasserin zu den Interessen der Adressaten außer Verhältnis stehen und diese nicht überwiegen.

Das Schreiben der Verfasserin enthält darüber hinaus Tatsachenäußerungen, wie zum Beispiel, dass sechsmonatige Renovierungsarbeiten stattgefunden haben. Diese müssen hingegen zwingend unterlassen werden, wenn sie unwahr sind. Der Meldung bei beck-aktuell lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob das Gericht den Wahrheitsgehalt untersucht hat. Vielmehr verweist es darauf, dass es auf die Frage, wegen der Beleidigung nicht ankomme.

Die etwas untypische Entscheidung lässt sich vielleicht damit erklären, dass eine Abteilung des Amtsgerichts entscheiden hat, die speziell für Angelegenheiten zuständig ist, die das Wohnungseigentumsgesetz betreffen.  Insofern wollte das Gericht vermutlich auf die Vorzüge des Wohnungseigentumsgesetzes verweisen, wonach eine friedliche Auseinandersetzung der Eigentümer untereinander erzielt werden soll und den Streit in die geordneten Bahnen des Wohnungseigentumsgesetzes lenken. (jr)

(Bild: © rcx – Fotolia.com)

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