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LG Bielefeld stoppt fehlerhafte Creditreform‑Bonitätsbewertung

Mit Beschluss vom 26. Juni 2025 (Az. 7 O 119/25) hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld der Creditreform untersagt, die Bonität eines mittelständischen Unternehmens allein beruhend auf dem bilanziellen Negativwert des Eigenkapitals bzw. den Jahresabschlüssen 2021‑2023 zu bewerten.

Andernfalls drohen Ordnungsgeld bis 250.000 € oder Ordnungshaft.

Was war passiert?

Die Antragstellerin – ein seit über 20 Jahren familiengeführtes Produktionsunternehmen – verfügt über eine tadellose Zahlungshistorie und finanziert sich ausschließlich aus Eigenkapital sowie einem langfristigen, nachrangigen Gesellschafterdarlehen. Dennoch bewertete die Antragsgegnerin die Firma mit 271 Punkten („gelber Bereich“) und einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 1,05 %.

Die Einstufung wirkte sich unmittelbar geschäftsschädigend aus: So verlangte ein langjähriger Logistikdienstleister plötzlich eine Kaution von 5.000 € für die Fortsetzung der Zusammenarbeit; bei anderen Dienstleistern wurden die Zahlungsbedingungen auf Vorauskasse umgestellt.

Der Beschluss des LG Bielefeld

Das Gericht sah einen rechtswidrigen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht (§§ 823 I, 1004 I 2 BGB i. V. m. Art. 2 I GG) sowie in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ein Bonitätsurteil genießt nur dann Schutz als Werturteil, wenn es auf einer wahren Tatsachengrundlage basiert.

Das sei hier nicht der Fall, weil Creditreform wesentliche Liquiditätskennzahlen (Gesellschafterdarlehen, Patronatserklärung, makelloses Zahlungsverhalten) ignoriert hatte.

Zudem bejahten die Richterinnen einen datenschutzrechtlichen Löschungs‑ und Unterlassungsanspruch des Geschäftsführers (Art. 17 I lit. d DSGVO), da die fehlerhafte Bewertung auch personenbezogene Daten berührte.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig und kann noch mit dem Widerspruch angegriffen werden. Er kann hier als PDF abgerufen werden:  LG Bielefeld, Beschluss v. 26.6.2025, Az. 7 O 119/25

Rechtliche Einordnung

  • Unternehmenspersönlichkeitsrecht: Negative Bonitätsauskünfte greifen tief in den sozialen Geltungsanspruch eines Unternehmens ein. Ohne belastbare Tatsachen überwiegt das Schutzinteresse des Betroffenen.
  • Gewerbebetrieb: Bereits die Herabsetzung auf „mittlere“ Bonität kann Finanzierungskonditionen verschlechtern oder Aufträge kosten – ein unmittelbarer betriebsbezogener Eingriff.
  • DSGVO: Enthält die Auskunft personenbezogene Geschäftsführer‑Daten, greift die DSGVO. Ohne Rechtsgrundlage ist die Verarbeitung unzulässig.

Praxishinweis

  • Transparenz verlangen: Unternehmen sollten von Auskunfteien detaillierte Offenlegung der Bewertungsgrundlagen fordern.
  • Fehler umgehend rügen: Reagieren Geschäftspartner auf eine Score‑Herabstufung, empfiehlt sich sofortige anwaltliche Intervention – notfalls per einstweiliger Verfügung.
  • Dokumentation sichern: Zahlungs‑ und Liquiditätsnachweise (BWA, Darlehens‑ & Patronatserklärungen) erleichtern die Glaubhaftmachung.

Fazit

Der Beschluss sendet ein klares Signal: Bonitätsbewertungen müssen objektiv, aktuell und vollständig sein. Schon der bloße Verweis auf negatives Eigenkapital ohne Gesamtwürdigung kann unzulässig sein.

(Offenlegung: LHR Rechtsanwälte hat die Antragstellerin vertreten.)

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