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Forum-Shopping: Zweitem Antrag auf einstweilige Verfügung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis

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Das so genannte “Forum-Shopping” bietet für den Angreifer bei Streitigkeiten im gewerblichen Rechtsschutz eine bequeme Möglichkeit, im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Verfügung ein Gericht seiner Wahl anzurufen.

Warum der Antragsteller trotz der theoretischen Möglichkeit nicht mehrere Gerichte mit seinem Anliegen beglücken sollte, erläutert unser Beitrag anhand einer aktuellen Entscheidung des LG Frankfurt.

Egal, wo die beteiligten Parteien ihren Sitz haben, ist jedes Gericht in Deutschland für eine Entscheidung zuständig, in dessen Einzugsbereich sich die Verletzungshandlung (auch) auswirkt, bzw., wo diese abrufbar ist.

In den Fällen, in denen der Gläubiger in der Wahl des Gerichtsstands frei ist, weil sich die unlautere Wettbewerbshandlung des Schuldners bundesweit bestimmungsgemäß auswirkt, kann es im einstweiligen Verfügungsverfahren zu besonderen Konstellationen kommen.

Bei Anruf Rücknahme

Es kommt vor, dass der Gläubiger von dem von ihm zunächst für einen Antrag auf einstweilige Verfügung ausgewählten Gericht in Anwendung des § 139 BGB einen telefonischen Hinweis erhält, in dem ihm Bedenken mitgeteilt werden, die gegen den Erlass der begehrten Verfügung sprechen, bzw. ihm sogar nahegelegt wird, den Antrag zurückzunehmen.

Nimmt der Gläubiger seinen Antrag daraufhin aus prozesstaktischen Gründen zurück und stellt ihn bei einem anderen Gericht ohne triftigen Grund, z. B. mangels örtlicher Zuständigkeit des Erstgerichts o. Ä., neu, wird vertreten, dass ein solcher zweiter Antrag nicht dringlich sei, da der Gläubiger nur Anspruch auf ein Eilverfahren, nicht jedoch auf mehrfache Versuche der Anspruchsdurchsetzung habe oder aber gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoße. Andere gehen davon aus, dass die Zulässigkeit eines solchen – falls nicht ansonsten zögerlichen – Verhaltens nicht mit dem Kriterium der Dringlichkeit beurteilt werden könne und sprechen einem derartigen Vorgehen das Rechtsschutzbedürfnis ab.

Kein Anspruch auf „Rechtsgutachten“ mehrerer Gerichte

Das Landgericht Frankfurt hat sich in einer aktuellen Entscheidung unter Berufung  unter anderem auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt auf die Seite derjenigen geschlagen, die das Problem eines solchen Vorgehens im Rechtsschutzbedürfnis sehen.

Sinn und Zweck eines einstweiligen Verfügungsverfahrens sei es nicht, dem Antragsteller die Möglichkeit der Einholung gerichtlicher Gutachten zu ermöglichen. Ein  Antragsteller habe zwar einen Anspruch auf ein Eilverfahren hat, nicht jedoch auf mehrfache Versuche einer Anspruchsdurchsetzung bzw. zur Chancenverdoppelung (OLG Frankfurt, Beschluss v. 8.8.2013, Az. 11 W 29/13).

Das Gleiche gilt im PKH-Verfahren

Auch der Umstand, dass in beiden Fällen noch kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anhängig war, da diese Anträge jeweils an die Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe geknüpft waren, ändere daran nichts. Dem Antragsteller stehe es frei, gegen den Beschluss des  Erstgerichts, des LG Darmstadt, das vorliegend das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint hat, sofortige Beschwerde einzulegen und – im Falle einer Nichtabhilfe – eine zweitinstanzliche Entscheidung des OLG Frankfurt am Main herbeizuführen.

Ehrlich währt am längsten?

Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Antragsteller – aufgrund der ihm obliegenden Wahrheitspflicht und in Abweichung von vielen Fällen, wie sie Gegenstand der oben zitierten Rechtsprechung waren – von sich aus darauf hingewiesen hatte, dass er zuvor wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen desselben Streitgegenstandes das Landgericht Darmstadt angerufen hat.

Hätte der Antragsteller seinen erfolglosen Versuch nicht mitgeteilt, hätte dies zwar nichts an der Unzulässigkeit seines zweiten Antrags geändert. Allerdings: Es hätte wahrscheinlich niemand bemerkt.

Denn ein angerufenes Gericht teilt dem Antragsgegner die Rücknahme eines Verfügungsantrags in der Regel nicht mit. Dieser (und damit eventuell später angerufenes, weiteres Gericht) erfährt von dem erfolglosen Versuch meist nur dann, wenn er eine Schutzschrift hinterlegt hat und er diese nach Ablauf einer gewissen Zeit bei den Gerichten „abtelefoniert“,  d.h., dort nachfragt, ob der erwartete Verfügungsantrag auch tatsächlich gestellt (und dann gegebenenfalls zurückgenommen) wurde.

Dennoch sollten sich Antragsteller hüten, unter Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht mehrere Anträge bei unterschiedlichen Gerichten zu stellen. Ein solches Verhalten kann nicht nur rechtliche Konsequenzen für den konkreten Fall haben, sondern fällt womöglich auch auf die Glaubwürdigkeit der vertretenen Kanzlei zurück.

Es schadet aber nicht nur dem anwaltlichen Ruf, sondern auch dem schnellen und effektiven Rechtsschutz für den Mandanten: Argwöhnische Gerichte könnten bei jedem Verfügungsantrag die anwaltliche Versicherung darüber verlangen, ob und gegebenenfalls wo bereits gerichtliche Schritte unternommen wurden, bevor sie eine ansonsten unproblematische einstweilige Verfügung erlassen.

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