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Eilrechtsschutz als Flickenteppich: Vier Gerichte, vier Ergebnisse

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Im Markenrecht ist der einstweilige Rechtsschutz ein zentrales Instrument zur schnellen Unterbindung von Rechtsverletzungen. Die einstweilige Verfügung – insbesondere kombiniert mit einer Sequestrationsanordnung – dient dabei nicht nur der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs, sondern ermöglicht die physische Sicherung potentiell verletzender Produkte.

Sie ist als Überraschungsmaßnahme konzipiert: Die Effektivität steht und fällt mit dem plötzlichen Zugriff.

Wie stark die gerichtliche Praxis jedoch variiert, zeigen vier aktuelle Entscheidungen deutscher Landgerichte. Bei im Wesentlichen identischen Sachverhalten – in denen jeweils markenrechtliche Unterlassungs- und Herausgabeansprüche im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht wurden – traten bemerkenswerte Unterschiede zutage. Und eine juristisch nicht uninteressante Ironie.

Köln: Rechtsstaatlichkeit versus Rechtsverwirklichung

Das Landgericht Köln gewährte dem Antragsgegner vor Erlass der Verfügung rechtliches Gehör – mit Wochenfrist. Dies mag aus Sicht richterlicher Fairness vertretbar erscheinen, bedeutet jedoch in der Sache einen Bruch mit dem Konzept der Beschlagnahme von Produkte im Eilrechtsschutz. Denn wenn das potenziell verletzende Produkt nach Zustellung nicht mehr greifbar ist, verliert die Maßnahme ihre praktische Wirkung.

Ironisch daran: Gerade eine Maßnahme, deren Erfolg entscheidend vom Überraschungseffekt abhängt, wird durch die Anhörung faktisch neutralisiert. Die beschleunigte Rechtsdurchsetzung wird so zum ineffektiven Verwaltungsverfahren.

Düsseldorf: Überraschung mit Sicherheitsbremse

Das Landgericht Düsseldorf agierte konsequenter. Der Beschluss erging ohne Anhörung der Gegenseite und ordnete neben dem Unterlassungsgebot auch die Herausgabe der betroffenen Produkte an einen Gerichtsvollzieher an. Allerdings: Die Vollziehung der Verfügung wurde von der Leistung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 Euro abhängig gemacht.

Diese Form der Absicherung – obgleich rechtlich zulässig – stellt in der Praxis eine nicht unerhebliche Hürde dar. Sie verlagert das Risiko auf den Antragsteller, der nicht nur glaubhaft machen, sondern auch liquide sein muss. Die Konsequenz: Der Schutz von Markenrechten hängt hier am Kontostand.

Stuttgart: Effektiv, praxistauglich und zweckorientiert

Ganz anders das Landgericht Stuttgart: Der Beschluss wurde ohne Anhörung erlassen, eine Sicherheitsleistung wurde für nicht erforderlich erachtet. Dieses Vorgehen reflektiert die Systematik der einstweiligen Verfügung in ihrer Reinform – schnell, wirksam und risikoadäquat.

Stuttgart beweist damit: Eine straffe und zugleich verhältnismäßige Handhabung einstweiliger Maßnahmen ist nicht nur möglich, sondern auch geboten – gerade in markenrechtlich besonders sensiblen Konstellationen.

München: Messeverfügung mit Präzision – und Pannen

Das Landgericht München I hat – ebenfalls ohne Anhörung – eine einstweilige Verfügung mit Sequestrationsanordnung erlassen, die gezielt auf Produkte und Werbematerialien im Inland abzielt. Es handelt sich dabei um eine sog. „Messeverfügung“, bei der der drohende Messeauftritt einer ausländischen Antragsgegnerin besondere Eile erfordert.

Der Beschluss war inhaltlich präzise und konsequent. Doch seine Wirkung blieb zunächst eingeschränkt – technische Probleme beim Gericht verzögerten seinen Erlass, sodass die Verfügung erst am zweiten Messetag zugestellt werden konnte. Der Zeitvorsprung, den das Instrument bieten sollte, ging damit faktisch teilweise verloren. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass nicht nur die juristische Dogmatik, sondern auch infrastrukturelle Abläufe über die Effektivität gerichtlichen Rechtsschutzes entscheiden.

Fazit: Eilrechtsschutz mit systemischem Risiko

Die vier Entscheidungen zeigen exemplarisch, wie stark dieselben Rechtsgrundlagen unterschiedlich ausgelegt und praktiziert werden können. Während einige Gerichte dem Gesetz und seinem Schutzzweck volle Wirkung verleihen, konterkarieren andere das System durch formale oder finanzielle Schranken.

Besonders die Entscheidung des LG Köln wirft Fragen auf. Das rechtliche Gehör im Vorfeld einer Sequestration steht nicht nur im Widerspruch zur ratio legis, sondern stellt die Effektivität des Eilrechtsschutzes grundlegend infrage. Und selbst bei inhaltlich einwandfreien Entscheidungen – wie in München – kann technische Ineffizienz zum entscheidenden Hindernis werden.

Ein kohärentes System sieht anders aus. Wer in Deutschland markenrechtliche Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen will, ist derzeit gut beraten, auch die örtliche Zuständigkeit strategisch zu berücksichtigen – denn von Köln bis München ist der Weg nicht nur geografisch weit.

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