Mit dem stetig wachsenden gesellschaftlichen Bewusstsein für den Klimawandel und sonstiger Auswirkungen unseres Konsumverhaltens auf die Umwelt steigt gleichzeitig das Interesse an möglichst umweltschonenden Produkten und Dienstleistungen.
Hieraus ergibt sich verständlicherweise der Anreiz für Unternehmen, ihre Bestreben in Sachen Klima- und Umweltschutz gegenüber Verbrauchern und Investoren hervorzuheben.
So werben viele mit Angaben wie „klimaneutral“, „grün“, „umweltfreundlich“, „bio“ und ähnlichen Begriffen. Werden hierbei jedoch unwahre oder zu wage Aussagen gemacht oder die entsprechenden Begriffe nicht erläutert, spricht man von „Greenwashing“.
In diesem Beitrag wird der Begriff des Greenwashing erläutert und in den Kontext des Wettbewerbsrecht gesetzt und die aktuellen gesetzlichen Entwicklungen in den Blick genommen. Zudem gibt es Hinweise für den praktischen Umgang mit Umweltaussagen.
Übersicht
Begriff des Greenwashing
Der Begriff Greenwashing (zu deutsch etwa „Grünfärberei“) umschreibt allgemein das Phänomen umweltbezogener Aussagen von Unternehmen über ihre Dienstleistungen, Produkte oder sonstiges Handeln mit dem Ziel umweltfreundlicher oder nachhaltiger wahrgenommen zu werden, als es der Wahrheit entspricht.
Greenwashing kann sich auf viele verschiedene Aussagen aus dem ESG-Bereich (Environmental, Social, Governance) beziehen. Inwieweit Greenwashing vorliegt, muss sich immer bezogen auf den konkret verwendeten Begriff ermitteln lassen, da es um die jeweilige Auffassung des Adressaten von der Begriffsbedeutung geht.
Greenwashing im Wettbewerbsrecht
Der Vorwurf des Greenwashing kann an Aussagen an verschiedenen Stellen der Unternehmenskommunikation anknüpfen. Praktisch sehr relevante Fälle bilden Aussagen in der Werbung für Produkte oder einer Dienstleistungen. Werden etwa umweltbezogene Angaben gemacht, die nicht zutreffend oder garnicht beziehungsweise nicht hinreichend erläutert sind, kann aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 UWG oder, wenn wesentliche Informationen vorenthalten werden, eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a UWG vorliegen.
Der Adressat ist entscheidend
Wann eine Irreführung vorliegt, die den Verbraucher oder andere Marktteilnehmer zu geschäftlichen Entscheidungen veranlassen kann, die sie sonst nicht getroffen hätten, ist dabei vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Es ist darauf abzustellen, an wen sich die Werbung richtet. Richtet sie sich generell an Verbraucher, kommt es darauf an, welches Verständnis ein durchschnittlich informierter, situationsadäquat aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher vom jeweiligen Begriff hat. Richtet sich die Werbung hingegen an ein Fachpublikum kann eine andere Bewertung erfolgen.
Zunächst ist entscheidend, ob es sich bei den verwendeten Begriffen um sehr allgemein gehaltene, wie etwa „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“, handelt oder um konkretere, wie „klimaneutral“. Je allgemeiner der Begriff und dementsprechend „schwammiger“ seine Bedeutung für den Adressaten ist, desto eher wird von einer Irreführung ausgegangen, sofern die Bedeutung des Begriffs nicht im Zusammenhang mit der Werbung erläutert wird. Aber auch bei bestimmteren Begriffen kann das Bedürfnis weiterer Erklärung bestehen.
Unterschiedliche Handhabung in der Rechtsprechung
Greenwashing im Wettbewerbsrecht wird in der Praxis der Gerichte nicht einheitlich bewertet. Während es an Rechtsprechung des Bundesgerichtshof bisher fehlt, werden teils strenge, teils weniger strenge Maßstäbe zur Umweltwerbung angesetzt.
Richtige Umsetzung von Umweltwerbung
Um in solchen Fällen auf der sicheren Seite zu sein, sollten Unternehmen bei der Werbung mit Begriffen wie „klimaneutral“ stets angeben, ob die CO2-Bilanz durch Einsparung oder durch Kompensation zustande kommt und weitergehende, etwa über einen per QR-Code abrufbaren Link, Informationen bereitstellen, die für den Verbraucher relevant sind.
Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass immer für den Verbraucher klar ist, wie die nachhaltigkeitsbezogenen Begriffe zu verstehen sind und ob sie auf das ganze Produkt selbst, nur einen Teil oder etwa nur auf die Verpackung bezogen sind. Informationen sollten hierbei als Hinweis nicht losgelöst von der betreffenden Werbung platziert werden, sodass sie von den Kunden nicht im Zusammenhang wahrgenommen werden, sondern müssen mindestens durch einen eindeutigen Hinweis an der Werbung angedeutet und an geeigneter Stelle ausgeführt werden. Hierbei können, wie bereits erwähnt, auch Links zu Internetseiten mit ausführlicherer Information eingesetzt werden.
Ausblick – Gesetzgebung der EU
Auf europäischer Ebene gibt es derzeit neue Gesetzgebung, die Regelungen schaffen soll, um Greenwashing zu bekämpfen.
Empowering Consumers-Richtlinie
Ende März 2024 trat die „Empowering Consumers for the Green Transition-Richtlinie (EU) 2024/825“ (EmpCo-RL) in Kraft, deren Regelungen von den EU-Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen sind. Durch die EmpCo-RL wird die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) ergänzt, sodass auf deutscher Ebene die Änderungen im UWG zu finden sein werden.
Zu den wichtigsten Änderungen gehören:
Die wesentlichen Merkmale eines Produkts, über die nicht in die Irre geführt werden darf, werden um ökologische und soziale Merkmale, sowie Zirkularitätsaspekte wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit ergänzt. Des Weiteren werden Aussagen über zukünftige Umweltleistungen ohne detaillierten Umsetzungsplan und die Werbung mit (Umwelt-)Vorteilen für Verbraucher, die irrelevant sind und sich nicht aus Produktmerkmalen oder der Geschäftstätigkeit ergeben, als irreführend gelten.
Zudem werden neue absolut verbotene unlautere Geschäftspraktiken eingeführt. Hierzu zählen:
- Verwenden von nichtzertifizierten oder nicht staatlichen Nachhaltigkeitssiegeln
- Treffen von allgemeinen Umweltaussagen, die nicht nachgewiesen werden können
- Treffen von Umweltaussagen über ein gesamtes Produkt oder auf die gesamte Geschäftstätigkeit des Unternehmers, wenn sie sich in Wahrheit nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder der Geschäftstätigkeit bezieht
- Treffen der Aussage, dass ein Produkt hinsichtlich der Emission von Treibhausgasen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat, wenn dahinter lediglich die Kompensation von Treibhausgasemissionen steht (Stichwort „klimaneutral“)
- Herausstellen von Produktanforderungen als Besonderheit, obwohl sie gesetzlich festgelegt sind
- Falschbehauptungen oder Vorenthalten von Informationen in Bezug auf Aspekte wie Softwareaktualisierungen, Haltbarkeit und Nutzungsdauer von Produkten, Reparierbarkeit und Einsatz von Betriebsstoffen, Ersatzteilen und Zubehör von Drittherstellern
Green Claims-Richtlinie
Als Gegenstück zur EmpCo-RL soll zusätzlich die sogenannte „Green Claims Richtlinie“ eingeführt werden, die sich derzeit im europäischen Gesetzgebungsverfahren befindet. Nach dem Richtlinienentwurf sollen Bestimmungen über unionsweit verlässliche, vergleichbare und überprüfbare Umweltaussagen in Bezug auf Waren und Dienstleistungen eingeführt werden.
Umweltaussagen sollen demnach durch unabhängige, akkreditierte Stellen in einem ex-ante-Überprüfungsverfahren, beruhend auf anerkannten wissenschaftlichen Standards belegt und anschließend zertifiziert werden, bevor sie veröffentlicht oder vermarktet werden können. Die Mindestkriterien sollen hierbei durch die Mitgliedstaaten kontrolliert werden.
Es sollen zudem nur noch Nachhaltigkeitssymbole bzw. -siegel verwendet werden dürfen, die durch zertifizierte private oder staatliche Stellen vergeben werden. Bereits bestehende Vorschriften bezüglich EU-Umweltzeichen oder EU-Bio-Siegel bleiben hierbei unberührt.
Als Sanktionen gegen Verstöße könnten Unternehmen Geldbußen in Höhe von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes sowie der Einzug von Produkten oder Einnahmen bzw. Gewinne drohen, sowie der Ausschluss aus öffentlichen Vergabeverfahren von bis zu zwölf Monaten.
Die Regelungen sollen grundsätzlich auf alle Unternehmen die in der EU tätig sind oder sich mit ihrer Werbung an EU-Verbraucher richten mit Ausnahme von Kleinstunternehmen die unter 10 Mitarbeiter beschäftigen und einem Jahresumsatz von unter 2 Millionen Euro, Anwendung finden.
Fazit
Die Werbung mit „grünen“ Aspekten stellt Unternehmen vor Herausforderungen. Zum einen besteht die Gefahr sich dem Vorwurf des Greenwashings und damit lauterkeitsrechtlichen und schlimmstenfalls strafrechtlichen Folgen auszusetzen. Zum anderen liegt es gleichzeitig im eigenen wirtschaftlichen aber auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass Unternehmen mit ihren besonderen Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit gegenüber anderen Marktteilnehmern werben können, um den Absatz umweltfreundlicherer Produkte zu fördern und so zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beizutragen.
Während derzeit noch verbindliche Standards in Bezug auf Umweltwerbung fehlen und in der Rechtsprechung noch keine Einheitlichkeit zu finden ist, verspricht die EU-Gesetzgebung zumindest zukünftig eine Verbesserung und klarere Konturen. Aufgrund der strengeren Anforderungen werden Unternehmen mehr Hürden zur Umweltwerbung überwinden müssen. Andererseits können Unternehmen, die sich aufrichtig für Umweltbelange einsetzen und dies nachweisen können, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Es empfiehlt sich demnach jetzt schon sich mit den kommenden Vorschriften auseinanderzusetzen und sich hieran zu orientieren.
Möchten Sie für Ihr Unternehmen mit besonderen Bemühungen und Leistungen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit für Ihre Produkte oder Dienstleistungen werben und wollen das Risiko von Greenwashing ausschließen? Oder wurden gegen Sie Vorwürfe wegen Greenwashing erhoben? Die im Wettbewerbsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei LHR berät und vertritt Unternehmen in allen Fragen zu Umweltwerbung und Greenwashing gerichtlich und außergerichtlich.