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Beschwerde über Mitbewerber bei Amazon: berechtigt oder unlauteres Anschwärzen?

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Beschwerde über Mitbewerber Amazon
Photo by Christian Wiediger on Unsplash

Der Online-Markt wächst und ihm kommt eine immer größere Bedeutung im Alltag zu. Daher kommt es nicht selten vor, dass sich verschiedene Online-Händler über die Angebotsgestaltung der Mitbewerber beschweren.

Meldet man einen Konkurrenten/Mitbewerber dann beispielsweise bei Amazon wegen eines Gesetzes- oder Regelverstoßes, stellt dies jedoch nicht ohne Weiteres  wettbewerbswidriges Verhalten dar, so das Oberlandesgericht Hamm.

Beschwerde bei Amazon

Ein Händler „schwärzte“ seinen Konkurrenten wegen eines Verstoßes gegen die Energiekennzeichnung bei LED-Einbaustrahlern an. Zum damaligen Zeitpunkt bestand auch bei Leuchten die Verpflichtung, über das Energieetikett zu informieren. Dieser Informationspflicht kam der Beklagte jedoch nicht nach. Nachdem der Kläger sich an Amazon wandte, entfernten diese das Angebot und teilten dem Händler mit, dass die Amazon Standard Identifiaction Number (ASIN) aufgrund einer Rechtsverletzung entfernt wurde.

Als Reaktion mahnte die Konkurrentin ihrerseits die Onlinehändlerin ab. Die an Amazon gerichtete Beschwerde stelle eine aggressive geschäftliche Handlung, Anschwärzung und gezielte Behinderung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Wegen der erfolgten Angebotslöschung forderte sie Auskunft und Schadensersatz von der Onlinehändlerin. Hiergegen erhob die Onlinehändlerin jedoch negative Feststellungsklage mit dem Ziel einer gerichtlichen Feststellung, dass die Abmahnung unberechtigt und ihr Vorgehen über eine Beschwerde an Amazon wettbewerbskonform war.

Kein wettbewerbswidriges Anschwärzen

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Urteil v. 08.10.2020, Az. 4 U 7/20) entschied: Ein wettbewerbswidriges Anschwärzen sei nicht gegeben, weswegen die Abmahnung zu Unrecht erfolgte. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Gläubigerin den Weg der Beschwerde über Amazon gewählt und nicht direkt abgemahnt habe.

Die Richter stellen insoweit klar, dass nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin ihre Beschwerde an den Plattformbetreiber aus sachfremden – wettbewerbsfremden – Interessen abgesetzt habe. Die Umstände, dass die Klägerin zunächst den Weg der Beschwerde an den Plattformbetreiber und nicht sofort eine gegebenenfalls Kostenerstattungsansprüche auslösende Abmahnung ausgesprochen habe, spreche gerade dafür, dass ihr Vorgehen dem Interesse an einem lauteren, gesetzeskonformen Wettbewerb entsprang. Zumal habe der Weg der Beschwerde an den Plattformbetreiber zu einer schnellen und effizienten Entfernung der nicht gesetzeskonformen Produktangebote aus dem Internet geführt.

Meldung = Wettbewerbsverstoß?

Und auch eine Herabsetzung oder Verunglimpfung des angeschwärzten Händlers im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG sah das Gericht nicht. Denn die in dieser Beschwerde von der Klägerin geäußerte Rechtsauffassung, die beiden Produktangeboten, die Gegenstand der Beschwerde waren, entsprächen nicht den Vorgaben der Verordnung zu Anforderungen an die Energieverbrauchskennzeichnung von Lampe und Leuchten (VO (EU) Nr. 874/2012), sei zutreffend.

Da eine Anschwärzung im Sinne des § 4 Nr. 2 UWG eine Behauptung oder Verbreitung falscher oder nicht erweislich wahrer Tatsachen voraussetzt, kann hier schon nicht von einer solchen ausgegangen werden. zwar blieb der genaue Inhalt der Beschwerdenachricht im Prozess offen. Allerdings lagen aber ja die gemeldeten Wettbewerbsverstöße in tatsächlicher Hinsicht vor, so dass das Gericht von wahren Behauptungen in der Beschwerde ausgehen konnte.

Keine Herabsetzung, Verunglimpfung oder gezielte Behinderung

Neben der fehlenden Herabsetzung und Verunglimpfung, liege auch keine gezielte Behinderung der Beklagten im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG vor, wie das Gericht feststellte. Nicht jede Behinderung eines Wettbewerbers unterfalle der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG. Es müssten vielmehr besondere, die Unlauterkeit der Behinderung des Wettbewerbers begründende Umstände hinzutreten – welche das Gericht hier jedoch gerade nicht sah. Eine gezielte Behinderung könne, nach Auffassung des Gerichts, allenfalls dann vorliegen, falls der Klägerin gegenüber der Beklagten keine Ansprüche wegen der Zuwiderhandlung gegen die Vorgaben der Energieverbrauchskennzeichnung zustünden.

Beschwerde statt Abmahnung

Plagiate und Bilderklau gehören wohl zur Schattenseite des Online-Handels. Gerade auf Plattformen wie Amazon tummeln sich täglich Rechtsverstöße, die Plattformbetreiber zum Handeln verpflichten. Dort greift auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ein. § 4 UWG schützt Mitbewerber voreinander und stellt sicher, dass ein fairer Wettbewerb stattfinde kann. Dennoch ist die Grenze zwischen wettbewerbsrechtlich gedecktem Agieren und dem Überschreiten der Schwelle der Unlauterkeit nicht immer einfach – so müssen auch hier grundsätzlich die konkreten Umstände des Einzelfalles betrachtet werden.

Fest steht: die Beschwerde über einen Mitbewerber bei Amazon – hinsichtlich eines tatsächlich bestehenden Rechtsverstoßes – stellt grundsätzlich weder eine Herabsetzung, Verunglimpfung oder gezielte Behinderung dar. Für alle Parteien ist und bleibt es der günstigere und risikoärmere Weg, sich direkt an die Plattform zu wenden.

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