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OLG Köln: Gegenstandswert bei Fotoklau jetzt nur noch 3.000 €

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Das OLG Köln hat in einer Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass der Gegenstandwert bei urheberrechtsrelevanten Formen der unerlaubten Internetnutzung von Lichtbildern durch Private und „Kleingewerbetreibende“ nach § 72 UhrG  bei 3.000 € liegt.

Der frühere eher hohe Streitwert von 6.000 € war unter anderem mit einem generalpräventiven Gedanken begründet worden, Leute allgemein von Urheberrechtsverletzungen abzuhalten.

Je häufiger eine Rechtsverletzung begangen wird, desto weniger Bedeutung kommt ihr zu

Die Abkehr dieser Rechtsprechung wird nun in dem sehr kurzen Beschluss damit begründet, dass die Nutzung des Internets als Kommunikationsforum und Marktplatz in breiten Bevölkerungskreisen in den vergangenen Jahren nochmals an Umfang und Bedeutung gewonnen habe. Das heißt: Weil jetzt noch mehr Leute im Internet wissen, wie man Fotos „klaut“ und dies auch rege tun,  sollen die erwischten Täter nun billiger davonkommen.

Das ist in etwa so, als würde man deswegen, weil immer mehr Fahrräder geklaut werden und jeder Bolzenschneider frei kaufen kann, die Mindeststrafe für Diebstahl absenken.

Während es verständlich ist, dass das Gericht oft schuldlos handelnde Private entlasten will, hat es unseres Erachtens die Möglichkeit nicht genutzt, sich vom sachfremden Argument der Generalprävention, mit dem die Streitwerte jahrelang hochgehalten wurden, eindeutig zu distanzieren und die entsprechende Rechtsprechung vollständig aufzugeben, sondern hat ein weiteres fragwürdiges Argument hinzugefügt: Je häufiger eine Rechtsverletzung begangen wird, desto weniger Bedeutung kommt ihr zu. Eine solche Auffassung ist bestenfalls als unkonventionell zu bezeichnen. Es wäre ehrlicher gewesen, einfach zuzugeben, dass man das Lichtbild-Leistungsschutzrecht für antiquiert und überholt hält und es deswegen faktisch immer weiter entwerten möchte, ohne es ganz abzuschaffen, um den Volkszorn zu beruhigen.

Auf unsere Nachfrage hin hat das OLG den Beschluss für alle ins Internet gestellt.

Bei einem Streitwert von bis zu 5.000 € ist damit nunmehr das Amtsgericht sachlich zuständig für Unterlassungsklagen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Für die Amtsrichter ergeben sich dadurch spannende neue Betätigungsfelder.

Die Gründe des Beschlusses des OLG Köln, Az. 6 W 256/11, vom 22.11.2011 im Volltext:

„Die Antragstellerin, die 2009 über ihren Onlineshop unter der Domain b.de sowie auf der Handelsplattform ebay einen Jahresumsatz von etwa 450.000 € erzielte und unter anderem mit Kunststoffbällen zur Abdeckung von Garten- und Fischteichen handelt, nimmt die Antragsgegnerin wegen ungenehmigter Verwendung eines auf jenen Internetseiten zugänglichen, von der Antragstellerin selbst angefertigen Lichtbildes auf Unterlassung in Anspruch. Die Antragsgegnerin hatte das Lichtbild im September 2011 in ein eigenes ebay-Angebot unter dem Verkäufer-Aliasnamen „M.“ eingebun­den, wonach sie 18.000 Bälle einer Koi Fische Teichabdeckung im Gebrauchtzustand an den Meistbietenden (Erstgebot 1,00 €) gegen kostenlose Selbstabholung mit dem Hinweis „Keine Rücknahme. Dies ist ein Privatverkauf“ abzugeben bereit war. Das Land­ge­richt hat den Streitwert des Verfahrens auf 6.000,00 € festgesetzt und der Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin nicht abgeholfen.

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Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gibt dem Senat Anlass, seine bisherige – vom Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 15.11.2011 zutreffend wieder­gege­bene und angewendete – ständige Rechtsprechung zur Wertbemessung in Urheberrechts­streitigkeiten der vorliegenden Art im Lichte der neueren technischen und wirtschaft­li­chen Entwicklung zu überprüfen und den im Laufe der Zeit gewandelten Anschauungen anzupassen. Die Nutzung des Internet als Kommunikationsforum und Marktplatz breiter Bevölkerungskreise hat in den vergangenen Jahren nochmals an Umfang und Bedeutung gewonnen. Ohne die wirtschaftliche Bewertung dabei vorkom­mender Verletzungen immaterieller Schutzrechte durch private Internetnutzer zu bagatellisieren, muss dies im Ergebnis dazu führen, das Gewicht eines einzelnen Verstoßes heute eher geringer zu bewerten.

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Im Gesamtgefüge der vom Senat für die Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet – sei es auf Handelsplattformen wie ebay, sei es beim Filesharing in Peer-to-Peer-Netzwerken (sogenannten Tausch­börsen), sei es bei anderen urheberrechtsrelevanten Formen der Internetnutzung – heute als angemessen angesehenen Gegenstandswerte erscheint insbesondere das objektive Interesse der in ihrem Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG beeinträchtigten Licht­bildner an der Unterbindung von Verletzungshandlungen der hier in Rede stehenden Art mit Regelbeträgen von etwa 6.000,00 € nicht mehr angemessen bewertet. Geht es wie im Streitfall darum, gemäß §§ 97, 15 Abs. 2, 19a UrhG die weitere ungenehmigte Verwendung eines vom Antragsteller im Rahmen eines eigenen Warenangebots ohne Kopierschutz und ausdrücklichen Rechte­vorbe­halt ins Internet gestellten, nicht als Lichtbildwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG geschützten Fotos durch privat oder kleingewerblich tätige Dritte zu verhindern, wird eine deutlich geringere Wertbemessung in der Regel ausreichen. Für den damit keineswegs als völlig unbedeutend, sondern lediglich entsprechend seinem wirt­schaftlichen Gewicht realistisch eingeordneten Rechtsverstoß der Antragsgegnerin im Rahmen einer nachvollziehbar als Privatverkauf bezeichneten ebay-Auktion hält der Senat die Festsetzung auf 3.000,00 € für angemessen und ausreichend.

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Soweit die Annahme eines Regelstreitwertes von 6.000,00 € in der Vergangenheit auch von einer Orientierung an der Streitwertgrenze der §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und dem Bestreben beeinflusst gewesen sein mag, eine Zersplitterung der Gerichtszuständig­keit zu vermeiden, rechtfertigt dieser sachfremde Gesichtspunkt ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung des Senats um so weniger, als die Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichen­streitsachen und Urheberrechtsstreitsachen sowie Streitigkeiten nach dem Olympia­marken­schutzgesetz vom 30.08.2011 (GV.NRW 2011, 468) wie bereits die vorher geltende Konzentrations-VO vom 02.06.2004 (GV.NRW 2004, 291) für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln die Konzentration der zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Urheberrechtsstreitsachen bei dem Amtsgericht Köln (§ 2) und der in die Zuständigkeit der Landgerichte in erster Instanz oder in der Berufungsinstanz fallenden Urheberrechtsstreitsachen bei dem Landgericht Köln (§ 1) vorsieht.

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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 GKG).“

Schwacher Trost für die Rechteinhaber: Der Streitwert von 3.000 € gilt nur dann, wenn der Verletzer privat oder „kleingewerblich tätig“ ist,  was auch immer das OLG sich darunter vorstellt. Zudem gilt die Rechtsprechung nicht für Lichtbildwerke, sondern nur für einfachere „Knipsbilder“.  (ca)

Nachtrag:

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Kommentar (dort Nr. 14) im lawblog, dessen Leserschaft sich ansonsten hauptsächlich aus Wutbürgern rekrutiert, in dem ein Fotograf seinem Ärger darüber Luft macht, dass die bei Gericht angesetzten Streitwerte vor dem Hintergrund des Aufwands der Fertigung von professionellen Fotografien häufig sogar viel zu niedrig angesetzt werden. Bisher sind noch keine Protestkommentare sichtbar.

(Bild: © remar – Fotolia.com)

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