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Recht auf Vergessenwerden
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Es ist eines der geflügelten Worte unser medialen Gegenwartskultur: Das Internet vergisst nicht. Jede noch so kleine und längst verjährte Jugendsünde lässt sich abrufen, so sie jemals öffentlich gemacht wurde, etwa durch einen Medienbeitrag. Dabei gibt es ein „Recht auf Vergessenwerden“.

Das „Recht auf Vergessenwerden“ nach der Datenschutz-Grundverordnung

In Art. 17 Abs. 1 DS-GVO heißt es: „Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen“, wenn bestimmte Gründe vorliegen, die in den Unterabsätzen der Norm entsprechend angegeben sind, beispielsweise, dass sie „für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig“ sind. Oder die betroffene Person „widerruft ihre Einwilligung“, die sie ehedem gegeben hat. Oder sie legt „Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor“. Darum ging es in einem Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt wurde (LG Frankfurt, Urteil vom 28.6.2019, Az. 2-03 O 315/17).

1982 in Auseinandersetzung verwickelt, noch 2019 abrufbar

Eine entsprechend „betroffene Person“ hatte in dem Verfahren vom globalen Datenspeicher Nr. 1, dem Google-Konzern, verlangt, Einträge zu löschen, die ihren Namen in einen Zusammenhang mit Verhaftungen infolge von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten im Jahr 1982 bringen. Lange her, doch auch irrelevant? Dass diese damaligen Vorgänge der Person heute peinlich sind, könne, so Google, nicht schwerer wiegen als das öffentliche Interesse daran – hier und heute.

Datenschutzrechtlicher Löschungs- und Unterlassungsanspruch

Doch, urteilt das Landgericht Frankfurt. Ein öffentliches Informationsinteresse an der Beteiligung der Person an den fast 40 Jahre zurückliegenden Ereignissen bestehe aktuell nicht mehr. Der Person stehe demnach ein datenschutzrechtlicher Unterlassungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zu. Daraus folge nicht allein ein Anspruch gegen Google auf Löschung bestimmter vorhandener Daten, sondern ebenso für die Zukunft ein Anspruch auf Unterlassung ihrer Verarbeitung. Diese sei als Teil der Löschung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zu verstehen.

Das Landgericht Frankfurt verurteilt Google also, es zu unterlassen, bei Eingabe des Vor- bzw. Nachnamens der Person in der gleichnamigen Suchmaschine die beanstandeten Ergebnisse anzuzeigen und dabei auf die Webseiten mit den entsprechenden URLs zu verlinken. Damit ist die alte Geschichte aus der wilden Studentenzeit nun auch im Internet das, was sie in den Köpfen der meisten damals Beteiligten schon längst sein dürfte: vergessen.

Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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