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Wann besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Mitbewerbern?

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Wettbewerbsverhältnis
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Die Frage, wann ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Mitbewerbern vorliegt, ist äußerst relevant für das Wettbewerbsrecht (UWG). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Parteien versuchen, Waren oder Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise abzusetzen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen kann.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte nun in einem konkreten Fall über diese Frage erneut zu entscheiden.

Informationspflichten im Online-Shop

Der Antragsteller ist Bio-Landwirt und verkauft Getreide aus eigenem Anbau. Er bietet Müsli aus eigenem Getreide und zugekauften Zutaten auf einer Webseite zum Verkauf an. Diese können dann nach Absprache auf dem Hof abgeholt werden. Einen Hofladen hat der Antragsteller jedoch nicht. Die Antragsgegnerin ist Betreiberin eines Online-Shops, über den sie Müslimischungen vertreibt, die Kunden aus verschiedenen Zutaten selbst zusammenstellen können.

Der Bio-Landwirt mahnte die Betreiberin des Online-Shops mit Schreiben vom 20.10.2020 wegen des Verstoßes gegen gesetzliche Informationspflichten ab. Die Antragsgegnerin wies die Abmahnung zurück. Das Landgericht Wiesbaden gab in erster Instanz den Ansprüchen des Biobauern statt. Hiergegen wendete sich die Onlineshop-Betreiberin in der Berufung beim Oberlandesgericht mit der Begründung, der Bio-Bauer sei kein Mitbewerber und ein Wettbewerbsverhältnis liege nicht vor, da der Bio-Bauer seine Kunden auf unterschiedlichen Vertriebswegen bediene.

Ansprüche nach dem Wettbewerbsrecht: Wettbewerbsverhältnis erforderlich?

Zunächst ist klarzustellen: Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung nach § 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie auf Schadensersatz nach § 9 UWG stehen unter anderem Mitbewerbern zu. „Mitbewerber“ ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein Mitbewerber kann daher nur Unternehmer in seiner Eigenschaft als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen sein. Im Rahmen der Feststellung der Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmers ist dann auf die jeweilige konkrete geschäftliche Handlung abzustellen – eine abstrakte Feststellung reicht nicht aus. Letztlich entschiedet die geschäftliche Handlung, ob sich der handelnde Unternehmer zu einem anderen Unternehmer in Wettbewerb stellt.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis sei daher gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann, so das Gericht. Aufgrund des Interesses eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes seien an das Bestehen eine konkreten Wettbewerbsverhältnisses jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. Es sei demnach ausreichend, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Auch Unternehmen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen agieren, können demnach in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, wenn sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden.

Steht ein Bio-Bauer in konkretem Wettbewerbsverhältnis zu einem Onlineshop-Betreiber?

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 11.11.2021, Az. 6 U 81/21) entschied aus diesen Gründen, dass der Bio-Bauer Mitbewerber des Onlineshop-Betreibers sei und wies die Berufung des Onlineshop-Betreibers zurück. Beide Parteien seien Anbieter von Müslimischungen und Zutaten dafür. Dabei handele es sich um austauschbare Produkte, weswegen eine Überschneidung der Märkte gegeben sei. Auch in zeitlicher Hinsicht seien beide Parteien auf demselben Markt für Müsli und deren Zutaten tätig. Auf die Frage, ob der Bio-Bauer zum Teil auf vorgelagerten Wirtschaftsstufen tätig sei, nämlich als Lieferant von Hofläden, komme es nicht an, denn die wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung als Mitbewerber hänge nicht vom Umfang und Zuschnitt der unternehmerischen Tätigkeit des Mitbewerbers ab, so das Gericht.

Außerdem sei unerheblich, dass die Parteien in Gestalt der Vorbestellung per E-Mail des Bio-bauern und des Onlineversands des Onlineshop-Betreibers völlig unterschiedliche Vertriebswege bedienen.

An Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnis sind keine hohen Anforderungen zu stellen

Das OLG Frankfurt am Main hat in seinem Urteil klargestellt, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Bio-Bauern und einem Onlineshop-Betreiber auch dann vorliegt, wenn zwar unterschiedliche Vertriebswegen bestehen, aber ähnliche Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Bei Müslimischungen und Zutaten handele es sich außerdem um austauschbare Produkte.

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