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LG Hamburg: Adblocker sind aus urheberrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden

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Das LG Hamburg hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Adblocker aus urheberrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sind. Mit Hilfe dieser Software können Internetnutzer die Anzeige von Werbung auf Webseiten verhindern, indem der Datenstrom von den Servern unterbunden wird, die Werbeinhalte zur Verfügung stellen, und darüber hinaus Werbung anhand bestimmter Charakteristika erkannt und ausgeblendet wird. Der Axel Springer Verlag kann  keinen Unterlassungsanspruch gegen den Adblock Plus-Anbieter geltend machen. (LG Hamburg, Urteil v. 14.01.2022, Az.308 O 130/19)

Klage unbegründet – kein Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs.1 UrhG

Dem Rechtsstreit lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte vertreibt ein Programm mit dem Namen “ A. Plus“, bei dem es sich um ein Browser-Plugin handelt. Das Programm arbeitet mit Filterlisten. „A. Plus“ sorgt in zwei Varianten dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzes erscheinen. Eine Variante besteht darin, dass ein Abruf von Inhalten von AdServern nicht durch den Browser ausgeführt wird. Eine weitere Variante („Element Hiding“) führt dazu, dass ein in den Arbeitsspeicher beim Nutzer geladenes Werbeelement nicht auf dem Monitor angezeigt wird.

Die Klägerin beantragte dem Beklagten zu untersagen ein Software-Programm anzubieten, zu bewerben, zu unterstützen oder zu vertreiben, dass Werbeinhalte auf den Seiten einschließlich deren mobilen Ausgaben bei Abrufen durch Nutzer in Deutschland ganz oder teilweise unterdrückt oder auf andere Weise beeinträchtigt. Die Klägerin führte in der Klageschrift aus, welche konkreten urheberrechtlichen Verletzungshandlungen zu dem Unterdrücken von Werbeinhalten und redaktionellen Beiträgen geführt haben sollen.  Ihrer Ansicht zufolge waren dies einerseits, die bei Blockade von Aufrufen und andererseits die beim Ausblenden von Elementen erfolgenden Einwirkungen.

Das LG Hamburg wies die Klage als zulässig aber unbegründet ab. Den Richtern zufolge stehe der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu. Denn es liege keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor. Nach Ansicht des LG Hamburg kann offenbleiben, ob die Dateien, die beim Abruf der Webseiten der Klägerin an die Nutzer übermittelt werden, als Computerprogramme i.S.d. § 69a UrhG geschützt sind. Auch könne dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich dieser Programme über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt und damit aktivlegitimiert ist. Jedenfalls hätten die Beklagten die Rechte der Klägerin an den Programmen zur Erstellung der Webseiten nicht verletzt. Die Beklagten seien nicht – gemeinsam mit dem jeweiligen Nutzer – Mittäter einer Urheberrechtsverletzung.

Keine urheberrechtliche Vervielfältigung i.S.d § 69c Nr. 1 UrhG

Eine urheberrechtliche Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG liege bereits nicht vor. In den Entscheidungsgründen wies, das LG Hamburg darauf hin, dass zwar bei Abruf der Seiten der Klägerin die HTML-Datei und weitere Elemente in den Arbeitsspeicher des Nutzers geladen werden. Insoweit erfolge die Speicherung aber mit der Einwilligung der Klägerin. Wer eine Webseite bereitstellt, erkläre sich damit einverstanden, dass die entsprechenden Programme von den Servern des Webseitenbetreibers – und zum Teil von Drittservern – abgerufen und im Arbeitsspeicher des Nutzers abgespeichert werden. Das Anbieten von Webseiten sei gerade darauf ausgerichtet, dass sie von Nutzern aufgerufen werden. Zu den hierfür zwingend notwendigen Zwischenschritten gehöre die Zwischenspeicherung der vom Webseitenbetreiber bereitgestellten Dateien beim Nutzer. Auch Nutzer, die die Seiten der Klägerin aufrufen und dabei das Programm “ A. Plus“ verwenden, seien zur Speicherung der Dateien berechtigt.

Keine Umarbeitung i.S.d § 69c Nr.2 UrhG

Ferner stellte das LG fest: Die im Anschluss an das Speichern des Webseitenprogramms erfolgenden Vorgänge, die durch “ A. Plus“ erzeugt werden und die dazu führen, dass Werbung ausgeblendet wird, stellen keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG dar.

§ 69c Nr. 2 UrhG gewährt dem Inhaber der Rechte an einem Computerprogramm ein umfassendes Umarbeitungs- und Bearbeitungsrecht unter Einschluss des Rechts, das Ergebnis einer Umarbeitung zu vervielfältigen. § 69c Nr. 2 UrhG nennt als Oberbegriff in wörtlicher Übernahme des entsprechenden Wortlauts der Computerprogrammrichtlinie und der internationalen Konventionen die „Umarbeitung“ und fasst darunter in S. 1 beispielhaft die Übersetzung, Bearbeitung und das Arrangement. Es handelt sich dabei um ein weit gefasstes Recht, dem alle Abänderungen eines geschützten Computerprogramms unterfallen.

Kein Eingriff in die Programmsubstanz

Bei den durch “ A. Plus“ bewirkten Handlungen, die sich auf die Datenstrukturen auswirken, handle es sich aber nicht um Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Vielmehr seien die Abläufe als Eingriffe in den Ablauf des Programms zu werten, die nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst sind. Eine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG liegt aber nur bei einem Eingriff in die Programmsubstanz vor.

Eine Auslegung, die bereits eine Veränderung des Programmablaufs als Umarbeitung wertet, würde dazu führen, dass jede durch Dritte erfolgende Steuerung der Funktionalitäten einer Software zustimmungsbedürftig wäre. Auch würde es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Handlungsfreiheit des Nutzers darstellen, wenn es nicht seiner Entscheidung obliegen würde, ob und wie er ein legal erworbenes Programm ausführt, solange er das Programm selbst nicht verändert.

Website kein geschütztes Werk i.S.d §§ 2ff. UrhG

Schließlich stünden der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unberechtigten Vervielfältigung der Darstellung der Webseite zu. Aus dem Vortrag der Klägerin folge nicht, dass es sich bei den Gestaltungen ihrer Webseiten um geschützte Werke i.S.d.§§ 2 ff. UrhG handelt.

Die Webseiten der Klägerin seien mangels des Vorliegens einer eigenschöpferischen Leistung nicht als „Multimediawerke“ als ungeschriebene Werkgattung i.S.d. § 2 UrhG (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 29.02.2012, Az. 5 U 10/10 ) geschützt. Gem. § 2 Abs. 2 UrhG sind Werke i.S.d. UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen.

Aus dem Vortrag der Klägerseite und den als Anlagen eingereichten Screenshots der Webseiten ergebe sich aber nicht, dass die Gestaltung der Webseiten individuell geprägt ist. Zwar kann sich eine schutzfähige Gestaltung auch aus einer individuellen Zusammenstellung vorbekannter Elemente ergeben. Allein aus dem Umstand, dass Texte, Bilder, Grafiken, Videos und Elemente zur Einbeziehung der Nutzer (etwa zur Abgabe von Kommentaren oder zur Durchführung von Abstimmungen) kombiniert werden, folge aber bei Webseiten keine hinreichende Schöpfungshöhe. Auch die Verwendung von Links zu weiterführenden Artikeln stelle bei Onlineangeboten keine eigenschöpferische Leistung dar.

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