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Neues Kaufrecht seit 1. Januar 2022

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Andrey Popov – stock.adobe.com

Seit Jahresbeginn gilt ein neues Kaufrecht. Die Neuregelungen wirken sich vor allem aus auf den Verbrauchsgüterkauf und Waren mit digitalen Elementen. Eine neue Aktualisierungspflicht schafft neue Pflichten für Händler von smarten Produkten.

Das bis Jahresbeginn geltende Kaufrecht beruhte zu großen Teilen auf der EG-Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, geändert durch die EU- Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 2011/83. Diese Richtlinie wurde zum 1. Januar 2022 durch die EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 ersetzt. Die Warenkaufrichtlinie gibt vor, dass sie auf Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden, anzuwenden ist.

Neuer Sachmängelbegriff

Die neue Reform beinhaltet unter anderem eine Änderung des Sachmängelbegriffs. Der § 434 BGB (Sachmangel) wurde komplett umgearbeitet. Eine Sache ist nun „frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht“. Um den subjektiven Anforderungen zu genügen, muss die Ware nun auch „mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen“ übergeben werden.

Der neue § 434 Abs. 3 regelt, wann eine Sache den objektiven Anforderungen genügt. Hier ist bei der Beschaffenheit nach Satz 1 Nr. 2 jetzt entscheidend, was der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung „der Art der Sache“ und auch „der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette…insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden“.

Zur üblichen Beschaffenheit nach § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 gehören nun „Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben“.

Verlängerung der Beweislastumkehr

Trat bislang innerhalb eines halben Jahres nach Gefahrübergang ein Sachmangel auf, wurde zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass der Mangel schon beim Kauf vorlag. Diese Frist beträgt nun ein ganzes Jahr.

Fristsetzung bei Nacherfüllung entfällt

Bislang musste ein Verbraucher im Falle eines Sachmangels eine Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er Schadenersatz geltend machen oder vom Vertrag zurücktreten konnte. Dieses Fristsetzungserfordernis ist weggefallen. Stattdessen fängt jetzt eine fiktive angemessene Frist dann an zu laufen, wenn der Verbraucher dem Unternehmer mitgeteilt hat, dass die Sache einen Mangel hat.

Neue Kategorie von Waren mit digitalen Elementen

Neu sind „Waren mit digitalen Elementen“. Nach der Legaldefinition des § 327a Abs. 3 BGB sind dies Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. Beispiel: Bei einem Smart-TV, der nur mit seiner Firmware läuft, wird nun, wenn die digitale Firmware nicht mehr funktioniert, davon ausgegangen, dass die Funktionsfähigkeit des gesamten Produkts nicht mehr gegeben ist, also ein Sachmangel vorliegt. Zu Waren mit digitalen Elementen können Smartphones, Tablets und Smartwatches ebenso zählen wie auch jegliche Haushaltselektronik vom Saugroboter bis zum Bluetooth-Lautsprecher – ein großer Anwendungsbereich.

Händler müssen Updates bereitstellen – sonst Mangel

Für den Kauf einer Ware mit digitalen Elementen, bei dem sich der Unternehmer verpflichtet, dass er oder – und dies ist eine neue, erhebliche Verbesserung für Verbraucher – ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt, gelten ergänzend die Regelungen des  § 475b BGB. Nach dessen Absatz vier müssen, damit eine Ware mit digitalen Elementen den objektiven Anforderungen genügt, „dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente…erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind“. Der Verbraucher muss darüber hinaus über diese Aktualisierungen informiert werden. Kommt der Unternehmer seiner Aktualisierungspflicht nicht nach, ist die Ware mangelhaft.

Häufig wird das Update von Elektronikprodukten vom Hersteller gestellt und nicht vom Verkäufer. Verkäufer sollten deshalb ihre Verträge mit Herstellern und Lieferanten prüfen. Dabei sollte sichergestellt werden, dass die Rechte gegenüber Lieferanten mit den Rechten der Kunden aus Kaufverträgen in Einklang stehen.

Digitale Inhalte als neuer Vertragstyp

Bei Kaufsachen, bei denen keine qualifizierte Verbindung mit dem digitalen Element besteht, bestimmt sich die Mangelfreiheit des digitalen Elements nach den neuen §§ 327d ff. BGB. Dies betrifft Online-Streaming, Video- und Book-on-Demand, den Gaming-Bereich, aber auch DVDs und USB-Sticks.

Wenn eine Ware zwar digitale Elemente enthält oder mit diesen verbunden ist, ihre Funktion aber auch ohne die digitalen Elemente erfüllen kann, finden für die Ware das Kaufrecht und für die digitalen Elemente das Recht der Verbraucherverträge über digitale Produkte in den § 327 ff. BGB Anwendung.

Neue Verjährungsfrist bei Mängeln

Ebenfalls ändert sich die Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei Verbrauchsgüterkäufen. Tritt ein Mangel innerhalb der Gewährleistung auf, tritt die Verjährung jetzt erst vier Monate nachdem der Mangel sich erstmalig gezeigt ein. Für Händler stellt sich hier das Problem, dass sie schwer überprüfen können, wann sich ein Mangel erstmalig gezeigt hat.

Die Reform bringt viele Verbesserungen für Verbraucher mit sich. Es wird sich zeigen, wie fair manche Regelungen für Unternehmer und vor allem den Online-Handel sein werden, wenn es um Mängelrügen geht und um Hersteller, die Verkäufern keine durchreichbaren Updates bereitstellen.

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