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OLG Frankfurt zur Bestimmung des Streitwerts im Wettbewerbsrecht

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Андрей Яланский – stock.adobe.com

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich in einem Beschluss ausführlich zu den Grundsätzen für die Streitwertfestsetzung in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs geäußert (OLG Frankfurt, Beschluss v. 21.7.2021, Az. 6 W 53/21).

Laut OLG Frankfurt folgt die Festsetzung des Streitwerts in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs der Systematik des § 51 Abs. 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach § 51 Abs. 2 ist der Streitwert, „nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen“. Damit sei grundsätzlich das sogenannte ‚Angreiferinteresse‘ maßgeblich.

Die „Bedeutung der Sache“ sei identisch mit dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Sache, welches nach objektiven Maßstäben zu bewerten sei. Ein wichtiges Indiz könne die Streitwertangabe in einer Klageschrift sein, also die Angabe durch den Kläger zu einem Zeitpunkt, zu dem der Verfahrensausgang noch ungewiss ist. Sofern der Angreifer eine Handlung verbieten will, sei wiederum die Gefährlichkeit und Schädlichkeit der Handlung entscheidend.

Unternehmensgröße und drohende Schäden sind zu berücksichtigen

Bei einer pauschalierenden Schätzung seien insbesondere folgende Parameter zu berücksichtigen: Unternehmensverhältnisse, also die Art, Größe, der Umsatz und die Marktbedeutung des Verletzten und des Verletzers, aber auch die Art, Intensität, Zielrichtung und Dauer der Verletzungshandlung. Mit einfließen müsse auch die Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher unter Berücksichtigung der drohenden Schäden sowie der Grad des Verschuldens unter Bewertung auch des nachträglichen Verhaltens des Verletzers.

Interessen von Verbänden zu bewerten wie die von Mitbewerbern

Das Interesse eines Verbandes im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – darunter fallen „rechtsfähige Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen“ – sei im Regelfall ebenso zu bewerten wie das gewichtiger Mitbewerber. Deren Ansprüche sind in § 8 Absatz 3 Nr. 1 normiert.

Minderung bei geringer Bedeutung

Der nach diesen Grundsätzen festgestellte Streitwert könne nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG gemindert werden, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist, als der nach § 51 Abs. 2 GKG ermittelte Streitwert. Erst wenn sich aus dem Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbemessung entnehmen lassen, sei der Streitwert nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG mit 1.000 Euro zu bemessen.

Zeitpunkt der Klageeinreichung entscheidend

Bei der Ermittlung des Streitwerts sei außerdem nach den §§ 40 GKG, 4 Abs. 1 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen. Daraus folge aber nicht, dass bei der Bewertung des Interesses allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse der Parteien unter Berücksichtigung einer bereits begangenen Verletzungshandlung abgestellt werden könne. Ausschlaggebend sei vielmehr das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung wirtschaftlicher Nachteile. Derartige Nachteile könnten mit weiteren Verstößen verbundenen sei. Eine bereits begangene Verletzungshandlung könne für Rechtsverstöße, die erst noch folgen, „nur indizielle Bedeutung haben“, führt das OLG Frankfurt in seinem Beschluss aus.

Klägerinteresse nicht bestimmt

Im konkreten Fall entschied das OLG Frankfurt, dass die Vorinstanz, das Landgericht Darmstadt, den aufgestellten Anforderungen „nicht gerecht geworden“ sei. Die Vorinstanz hatte den Unterlassungsstreitwert auf 1.000 Euro festgesetzt. Das LG Darmstadt, so das OLG Frankfurt, habe trotz einer Fülle von Angaben in der Antragsschrift, nicht das Klägerinteresse nach § 51 Abs. 2 GKG bestimmt, sondern bei der Streitwertfestsetzung nur § 51 Abs. 3 GKG berücksichtigt. Das Landgericht habe außerdem übersehen, dass das Unterlassungsbegehren einen bereits fälligen, wenn auch in die Zukunft gerichteten Anspruch darstelle.

Entgegen dem durch das Landgericht erweckten Eindruck handle es sich bei dem Beschwerdegegner „nicht um einen Kleinhändler, der zufällig in die Fänge eines Wettbewerbsverbandes geraten ist, sondern um einen normalen Marktteilnehmer“. Die vorhandenen Angaben rechtfertigten ohne Weiteres die vom Kläger per Beschwerde Festsetzung des Streitwerts auf 3.000 Euro.

In wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten ergeben sich regelmäßig hohe Streitwerte, da Unternehmen und häufig auch Produkte und damit größere Umsätze betroffen sind. Der Beschluss des OLG Frankfurt gibt Praktikern detaillierte klare Leitlinien an die Hand, wie der Streitwert in solchen Fällen zu bemessen ist. Die OLG-Entscheidung ist auch nicht mehr anfechtbar.

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