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LG Halle: Kein Muster-Widerrufsformular bei eBay – 1.000 EURO Ordnungsgeld

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Mit Urteil vom 28.12.2021 hat das LG Halle entschieden, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EURO bei Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung wegen fehlender Information über das Muster-Widerrufsformular bei eBay angemessen ist. (LG Halle, Beschluss v. 28.12.2021, Az. 8 O 15/17)

Als Ordnungsmittel kommen nach § 890 Abs. 1 ZPO grundsätzlich Ordnungsgeld und Ordnungshaft in Betracht. Dem Gericht steht die Wahl zwischen diesen Mitteln in den Grenzen der Androhung zu. Ordnungshaft darf im Übrigen als primäre Maßnahme nur angeordnet werden, wenn die Festsetzung eines bloßen Ordnungsgeldes nicht ausreichend erscheint. Jedenfalls dürfen Ordnungsgeld und Ordnungshaft nicht gleichwertig nebeneinander angeordnet werden. Wird ein Ordnungsgeld festgesetzt, so ist aber nach § 890 Abs. 1 S. 1 ersatzweise – für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – von Amts wegen eine Ordnungshaft zu verhängen. Wurde nur Ordnungsgeld ohne Ersatzordnungshaft angedroht, kann nachfolgend keine Ersatzordnungshaft festgesetzt werden.

Die Rechtsnatur der Ordnungsmittel nach § 890 ist seit jeher umstritten. Nach der Rechtsprechung verfolgen sie einen doppelten Zweck: Zunächst handelt es sich um Beugemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen; daneben haben sie aber auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter. (BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss v. 4. 12. 2006, Az. 1 BvR 1200/04)

Das Ordnungsgeld ist in bestimmter Höhe von mindestens 5 EUR (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EGStGB) und höchstens 250.000 EUR (Abs. 1 S. 2) festzusetzen. Bei wiederholter Zuwiderhandlung kann es mehrfach verhängt werden.

Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster- Widerrufsformular

Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Durch Anerkenntnisurteil der Kammer vom 08.03.2017 im einstweiligen Verfügungsverfahren wurde dem Schuldner unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz betreffend Kraftfahrzeug- und/oder Motorradzubehör Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung gestellt wird.

Gegen dieses Unterlassungsgebot hat der Schuldner objektiv zuwidergehandelt, indem er am 21.07.2020 bei eBay Angebote aus dem Bereich Kraftfahrzeug-/Motorradzubehör eingestellt hat, ohne das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB beizufügen.

Den Verstoß gegen diese Unterlassungsverpflichtung stellte der Schuldner nicht in Abrede.

Das LG Halle entschied daraufhin:  Die Zuwiderhandlung sei schuldhaft begangen worden. Als Verschuldensformen kommen Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht. Soweit der Schuldner einwendet, der Textbaustein „Muster-Widerrufsformular“ sei im Rahmen der Programmierungsstruktur bei eBay „auf bis heute unbekannten Weg verloren gegangen“ sei ihm jedenfalls vorzuwerfen, dass er nach Einstellung seiner Angebote diese nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft habe und damit fahrlässig handelte. Zuwiderhandlung bedeutet ein Verhalten im Widerspruch zu dem Unterlassungs- oder Duldungsgebot. Hierbei ist zunächst durch Auslegung festzustellen, welchen Inhalt die Unterlassungs- oder Duldungspflicht hat. Die Auslegung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen der Titelauslegung unter Einbeziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen.

Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels nach Einzelfallbeurteilung

Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners in die Erwägung einzustellen. (BGH, Urteil v. 08.12.2016, Az. I ZB 118/15)

Maßgeblich ist damit eine Einzelfallbeurteilung; die Höhe des Ordnungsgeldes darf damit nicht schematisch auf einen Bruchteil des Streitwertes des ursprünglichen Unterlassungsverfahrens bemessen werden. Insgesamt muss durch die Höhe des Ordnungsgeldes sichergestellt sein, dass sich die Zuwiderhandlung für den Schuldner nicht lohnt. (BGH, Urteil v. 30.09.1993, Az. I ZR 54/91)

Nach Ansicht der Richter sei vorliegend ist zwar zu berücksichtigen, dass es sich bei der Informationspflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1EGBGB um die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 (lit.) h der Richtlinie 2011/83/EU handelt. Diese Richtlinie hat nach Art, 1 den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. ( BGH, Urteil v. 11.04.2019, Az. I ZR 54/16). Andererseits könne aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass inzwischen in Deutschland der durchschnittliche Internetkäufer über die Art und Weise der Ausübung seines Widerrufsrechts informiert sei. Darüber hinaus scheint es sich bei den streitgegenständlichen Angeboten vom 21.07.2020 um einmalige Vorfälle zu handeln, so das Gericht. Gleichwohl sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Schuldner durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird. Insgesamt hat das LG Halle daher ein Ordnungsgeld von 1.000,- EUR für angemessen erachtet.

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