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Auch auf Deutsch: Facebook versteht Dich!

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Gottfried Wilhelm Leibniz war ein schlaues Kerlchen. Wenn er ein Problem sah, dachte er über die Lösung nach. Und oft genug fand er sie.

Als Jurist und Diplomat des ausgehenden 17. Jahrhunderts hatte er viel mit Sprache zu tun – und dabei mit vielen Sprachen. An der Uni lehrte man (immer noch) auf Latein, an den Höfen parlierte man Französisch, in der Oper wurde auf Italienisch gesungen, auf der Straße sprach man Deutsch (in all seinen schönen Dialekten).

Nicht, dass das für Leibniz irgendein Problem gewesen wäre, er war – wie gesagt – nicht auf den Kopf gefallen. Da er ab und zu mit Newton chattete, konnte er auch noch Englisch. Griechisch sowieso.

Erzählen nach Zahlen

In der Vielsprachigkeit entsteht ein Wirrwarr an Begriffen und Konzepten, das Leibniz – nebenbei auch Philosoph und Theologe – gestört haben muss. Da er auch Mathematiker war, dachte er daran, die Sprache – als situativ zu deutendes System von Wörtern und Wendungen – durch ein System von logisch verknüpften Zeichen zu ersetzen, das jede und jeder verstehen kann und auch in eindeutiger Weise versteht – Missverständnisse ausgeschlossen. „Characteristica universalis“ nannte er sein Projekt. Fragen der internationalen Diplomatie und andere Rechtsprobleme und Meinungsverschiedenheiten sollten nicht mehr besprochen, sondern berechnet werden: Die „angemessenen Charaktere oder Zeichen“, so der Gelehrte, „drücken alle unsere Gedanken aus“.

Sie ahnen es: Mit diesem Projekt scheiterte Leibniz (immerhin fand er im Zuge seines Versuchs, alles auf einfachste Formen herunterzubrechen, den Binärcode – Grundlage der Digitaltechnik –, aber das ist eine andere Geschichte). Sprache funktioniert so nicht. Gleichwohl: Die Idee mit der allgemein verständlichen Universalsprache auf Zeichenbasis wurde seitdem immer mal wieder aufgegriffen. Zum Beispiel Anfang des 20. Jahrhunderts vom Berliner Architekten Tiemer, der im Rückgriff auf universal verwendete Zeichen, nämlich Zahlen, sein „Timerio“ entwickelte. „Ich liebe dich“ heißt dann „1-80-2“ – „1“ bedeutet „ich, mich“, „80“ heißt „Liebe, lieben“ und die „2“ steht für „du, dich“. Ganz einfach.[*]

Natürliche Sprachen sind natürlicher

Durchgesetzt hat sich auch diese Art der Kommunikation nicht, zahlenbasierte Kunstsprachen sind zum Scheitern verurteilt, auch in ihren „light“-Varianten, den so genannten Plansprachen (die bekannteste ist wohl „Esperanto“). So edel ihr Anliegen – die Welt von Unverständnis zu befreien –, so klar und deutlich ihr Scheitern an der Lebenswirklichkeit. Natürliche Sprachen sind eben doch – natürlicher. Verständnisschwierigkeiten, Denkfehler und Missverständnisse eingeschlossen.

Und so müssen grenzüberschreitende Rechtsangelegenheiten auch weiterhin in natürlichen Sprachen geregelt werden. Da man aber verstehen können soll, was Inhalt einer Sache ist, muss sichergestellt sein, dass die Parteien in den natürlichen Sprachen miteinander kommunizieren, die für sie beide gleichermaßen verständlich sind. Was als verständliche Sprache vorausgesetzt werden kann, muss im Einzelfall geklärt werden.

Köln und Düsseldorf sind sich einig

Gleich zweimal binnen kürzester Zeit wurde dies für den in Irland ansässigen Facebook-Konzern geklärt, vom Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Beschluss v. 09.05.2019, Az. 15 W 70/18) und vom Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.12.2019, Az. I-7 W 66/19). Und wenn sich Köln und Düsseldorf schon mal einig sind, sollte man das ernst nehmen. Ergo: Facebook kann deutsch. Daher muss das Unternehmen auch eine einstweilige Verfügung in deutscher Sprache akzeptieren. Für das Sprachverständnis, so der 7. Zivilsenat des OLG Düsseldorf, komme es nämlich nicht auf den Sitz, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt an. Facebook verfüge in Deutschland über viele Nutzer, denen die Plattform vollständig in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werde. Auch die dabei verwendeten vertraglichen Dokumente seien in deutscher Sprache gehalten, einschließlich juristischer Wendungen und Begriffe. Sich, wenn es unangenehm wird, auf den bequemen Standpunkt zurückzuziehen, man verstehe kein Deutsch, überzeugt dann eben nicht.

Beruhigend zu wissen, dass man mit dem Unternehmen Facebook nicht in dessen – eingedenk des europäischen Firmensitzes Dublin – ureigener Sprache kommunizieren muss. Das wäre dann Gaeilge, eine Variante des Gälischen.Alles klar, „Aghaidh Leabhar“[**]?

Anmerkungen:

[*] Nun, ja: Nicht so ganz. Die Schwierigkeit liegt zum einen in der begrenzten Zahl an Begriffen und damit in einer sehr limitierten Ausdrucksmöglichkeit, zum anderen im grammatikalischen Detail. Wie lassen sich temporale Variationen des Prädikats darstellen („Ich liebte dich“, „Ich werde dich lieben“), wie die verschiedenen Wortarten, die aus einem Grundbegriff gewonnen werden, also „Liebe“ (Substantiv), „lieben“ (Verb), „lieb“ (Adjektiv bzw. Adverb)? Tiemer behalf sich mit ergänzenden Zeichen: Um etwa die Vergangenheit eines Sachverhalts auszudrücken, wird die „Prädikatszahl“ unterstrichen („80“, „liebte“), für die Zukunftsform wird ein Strich über die Zahl gezogen („80“, „werde lieben“). Wortartvarianten werden mit spitzen Klammern markiert („<“ und „>“, Beispiel: „1673“, „Farbe“; „>1673“, „farbig“; „1673<“, „färben“). Der Plural wird durch eine hochgestellte Zwei dargestellt („980“, „Brief“; „980²“, „Briefe“). Die Steigerung von Adjektiven wird durch nachgestellte Sternchen verdeutlicht: „164“ bedeutet „groß“, „164*“ entsprechend „größer“ und „164***“ heißt „am größten“. Die Deklination der Nomen erfolgt dadurch, dass die Fallzahl als römische Ziffer angehängt wird, z.B. „80 II“ für den Genitiv von „Liebe“. Auch für die Verwendung von Zahlen in ihrem eigentlichen Sinne, nämlich als Zahlen, hat Tiemer vorgesorgt: Sie werden in Klammern gesetzt – „(1)“ bedeutet tatsächlich „eins“ (und nicht „ich“).

[**] „Aghaidh“ ist das Gaeilge-Wort für „face“ und „Leabhar“ sagt der Ire für „book“.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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