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Erfundendes Ermittlungsverfahren: OLG Frankfurt erlässt einstweilige Verfügung gegen E-Mail-Abofallen-Betreiber und „Investigativ-Journalisten“

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© ronniechua – Adobe Stock

Kryptowährungen, wie zum Beispiel Bitcoin, Ethereum oder Bitcoin Cash sind nach wie vor das Thema in der Finanzbranche. Neue Geschäftsmodelle beflügeln die Fantasie von Softwareexperten, Urheber- und Patentrechtlern und von Ökonomen und Finanzexperten.

Wie in anderen Bereichen, ziehen erfolgreiche Geschäftsmodelle auch hier Glücksritter und Trittbrettfahrer an. Sie geraten dabei oft ins Visier von mehr oder weniger seriösen Journalisten oder sonstigen „Mahnern“ und „Warnern“ mit eigenen, dubiosen Interessen.

Geschäftsmodell Warnen und Abkassieren

Im vorliegenden Fall geht es um einen in Spanien domizilierten, deutsch-sprachigen „Finanz-Influencer“, der bereits seit mehreren Jahren weniger mit Expertise, als mit Werbung unter anderem für seine kostenpflichtigen Newsletter auffällt. 

In diesem Rahmen stellt er potentiellen Kunden zum Preis von ca. fast 2.000 € pro Jahr unter anderem in Aussicht, mit seiner Hilfe „reich“ zu werden. Dieses Geschäftsmodell betreibt der Antragsgegner in kollusiver Zusammenarbeit mit einem in Deutschland ansässigen „Verlag“ über diverse Funnel-Seiten.

Gerichtlich bestätigter E-Mail-Abofallen-Betreiber

Die Abo-Newsletter-Angebote sind derart überteuert, intransparent und hinterhältig, dass das Landgericht Hamburg auf den Versuch des Antragsgegners, ein gerichtliches Verbot gegen die Bezeichnung zu bekommen, umgekehrt bestätigt hat, dass er zulässigerweise als „E-Mail-Abofallen-Betreiber“ bezeichnet werden darf (LG Hamburg, Beschluss v. 6.1.2020, Az. 324 O 568/19).

Zur Bewerbung seiner Abofallen betreibt der Antragsgegner unter anderem eine Internetseite, auf der er allerdings nicht nur Werbung für seine kostenpflichtigen „Get-rich-quick“-Empfehlungen macht, sondern regelmäßig „Warnungen“ veröffentlicht. Diese Veröffentlichungen gründen in der Regel nicht auf einer seriösen Recherche oder auf den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung, da sie – wie auch die vorliegenden „Meldungen“ – nur vordergründig der Information oder Aufklärung dienen. In Wirklichkeit dienen sie dem Antragsgegner regelmäßig lediglich dazu, Aufmerksamkeit für seine „Newsletter“ zu geniereren. 

Beliebte Behauptung: „Behörde/Staatsanwaltschaft ermittelt“

Bereits Mitte des letzen des Jahres stellten die Antragsteller fest, dass der Antragsgegner nun offenbar ihre Unternehmung als Vehikel für seine Machenschaften auserkoren hatte. Nachdem er zunächst lediglich mit einer „Warnung“ und seiner eigenen Einschätzung ihres Vorhabens als „dubios“ und „fragwürdig“ aufwarten konnte, begann er Anfang dieses Jahres auf einmal damit, in sozialen Medien zu behaupten, dass in der causa bereits die Staatsanwaltschaft ermittele. Dass jegliche Belege dafür fehlten, verwunderte nicht, da ein solches Ermittlungsverfahren nie existierte.

Außergerichtliche Aufforderungen blieben erfolglos

Da der Antragsgegner dem unbürokratischen Angebot, die rechtswidrigen Veröffentlichung einfach zu löschen und damit kostenpflichtige rechtliche Schritte zu vermeiden, nicht näher treten wollte, wurde eine kostenpflichtige Abmahnung notwendig. Da diese – nicht überrschend – ebenfalls nicht zum Ziel führte, wurde – wieder einmal – ein Antrag auf einstweilige Verfügung notwendig.

OLG Frankfurt erlässt einstweilige Verfügung

Nachdem das Landgericht den Antrag noch zurückgewiesen hatte, teilte das OLG Frankfurt die von den Antragstellern vertretene Auffassung, dass der Antragsgegner seine Äußerungen wegen einer Kreditgefährdung gemäß §§ 1004 Abs. 1, 824 BGB unterlassen muss (OLG Frankfurt, Beschluss v. 2.6.2023, Az 16 W 27/23, nicht rechtskräftig).

Und dies, obwohl der Antragsgegner in seinen Posts – vermeintlich geschickt – kein konkretes Unternehmen oder konkrete Firmierung genannt hatte. Die Äußerung bezog sich lediglich auf das „System“ XYZ. Da beide antragstellenden Unternehmen den Bestandteil „XYZ“ in ihrer Firmierung und den Vertrieb von Produkten in Bezug auf die Distributed-Ledger-Technologie zum Gegenstand haben, hielt es das Gericht es jedoch für ausreichend, dass Personen davon ausgehen, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Antragsteller gerichtet ist.

Dass Ermittlungsverfahren nur gegen natürliche Personen geführt werden, ist unerheblich

Das Gericht betont, dass die Behauptung im Internet über ein entsprechendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eine Tatsachenbehauptung darstellt und dem Beweis zugänglich ist. Der Senat ließ auch das naseweise Argument des Antragsgegners in seinen umfangreichen außergerichtlichen Elobaraten nicht gelten, dass nicht Unternehmen, sondern nur natürliche Personen Subjekt eines Strafverfahrens sein können. Der juristisch nicht vorgebildete Durchschnittleser werde diese rechtliche Differenzierung in der Regel nicht vornehmen. Selbst dann, wenn er dies tun sollte, werde er die Äußerung so verstehen, dass die verantwortlichen Personen bzw. die „Köpfe“ des Unternehmens Subiekt des geführten Ermittlungsverfahrens sind, welches sich auf die Tätigkeit des Unternehmens, nämlich dessen System, bezieht.

Die Äußerungen seien auch geeignet, die Antragsteller in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und ihren wirtschaftlichen Ruf zu gefährden.

Üble Nachrede: Es drohen bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe

Interessanterweise stellt das OLG Frankfurt explizit fest, dass es sich bei der Äußerung um eine solche handelt, die geeignet ist, den wirtschaftlichen Ruf der Antragsteller zu gefährden und die Beziehung zu deren Geschäftspartnern zu stören und es sich damit tatbestandlich um üble Nachrede nach § 186 StGB handelt. Dies hat nicht nur die prozessuale Folge, dass der Äußernde die Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptungen beweisen bzw. glaubhaftmachen muss. Die Handlung des Antragsgegners ist zudem mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht.

Der Streitwert wurde sowohl für das Erlass- als auch für das Beschwerdeverfahren auf 40.000,00 EUR festgesetzt. Im Falle der Zuwiderhandlung droht dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und erging ohne mündliche Verhandlung, allerdings unter Berücksichtigung umfangreichen außergerichtlichen Vortrags des Antragsgegners. Den entstandenen Schaden werden die Unternehmen nun ebenfalls erstattet verlangen.

Exkurs: Untaugliche Zustellungsvereitelung

Der Antragsgegner hat seinen Sitz natürlich nicht nur aufgrund der guten Witterung in Spanien. Nachdem sich seine Prozessbevollmächtigten unter Vorlage einer Vollmacht im einstweiligen Verfügungsverfahren zunächst bestellt und Verteidigungsabsicht angezeigt hatten, wollten sie nach Erlass der Beschlussverfügung von dieser Bevollmächtigung auf einmal nichts mehr wissen und wiesen eine Parteizustellung, die für die ordnungsgemäße Vollziehung der Verfügung notwendig ist, zurück und behaupteten, nicht zustellungsbevollmächtigt zu sein. Die Hoffnung: Die Antragsteller müssen nun den langwierigen Weg der Auslandszustellung in Spanien gehen. Aber auch hier wird der Antragsgegner scheitern: Laut § 87 ZPO bleibt ein Anwalt in einem Prozess so lange bestellt, bis ein anderer Anwalt benannt wird. Der Gerichtsvollzieher wurde in weiser Voraussicht schon beauftragt.

Offenlegung: LHR vertritt in dem Verfahren die Antragsteller

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