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Pressefotos bei Beerdigung verletzen Persönlichkeitsrechte

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sargDas Landgericht Frankfurt/Oder hat mit Urteil vom 25.06.2013 (Az. 16 S 251/12) entschieden, dass das Anfertigen von Pressefotos während einer privaten Trauerfreier unzulässig ist. In dem konkreten Fall ging es zwar um die etwas ungewöhnliche Frage, ob ein von den Trauergästen beauftragter Wachmann Schmerzensgeld für Verletzungen verlangen kann, die ihm während eines Handgemenges mit einem Pressefotografen entstanden sind, jedoch enthält das Urteil grundsätzliche Ausführungen, die eine generelle Unzulässigkeit entsprechender Aufnahmen nahelegen.

Der Kläger in dem Verfahren vor dem LG Frankfurt/Oder war von der Familie der Verstorbenen beauftragt worden, weil die tragischen Umstände ihres Todes (sie wurde ermordet!) in der Boulevardpresse auf ein erhebliches mediales Echo gestoßen waren. Dementsprechend stand für die Hinterbliebenen zu befürchten, dass Pressefotografen nicht davor zurückschrecken würden, auch während der Trauerfeier Fotografien der Trauergäste anzufertigen. Der Beklagte positionierte sich außerhalb des Friedhofs hinter einem Zaun und setzte gerade dazu zu loszuknipsen als er von dem Wachmann bemerkt und von seinem Tun abgehalten wurde. Daraufhin kam es zu einem Handgemenge, bei dem der Wachmann verletzt wurde.

Recht am eigenen Bild der Trauernden überwiegt der Presse- und Meinungsfreiheit

Das Landgericht sah das Einschreiten des Wachmanns als zulässige Nothilfe im Sinne von § 227 BGB gerechtfertigt, weil bereits das Anfertigen der Fotografien in das Recht der Trauergäste an ihrem eigenen Bild eingreife. Ob es sich bei der Trauergemeinde – was der Beklagte meinte – um eine Versammlung im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG handle, könne offen bleiben, denn selbst dann sei nicht von einer Einwilligungsfreiheit auszugehen, weil die Fotografien jedenfalls ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten verletzen würden (§ 23 Abs. 2 KUG). Diesbezüglich führte das Landgericht detailliert aus, dass das Persönlichkeitsrecht der Trauernden vorliegend dem Recht der Presse- und Meinungsfreiheit überwiege:

„Nach diesen Grundsätzen überwiegen im zu entscheidenden Einzelfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen gegenüber dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit des Beklagten. Zwar handelt es sich bei einer Trauerfeierlichkeit um ein Ereignis, welches (zwangsläufig) in der Öffentlichkeit stattfindet, jedoch bietet ein Friedhof in aller Regel ein hinreichendes Maß an Abgeschiedenheit von der breiten Öffentlichkeit. Trauerfeierlichkeiten sind grundsätzlich als ein der Privatsphäre zugehöriger Vorgang anzusehen. Die Angehörigen – insbesondere die eines Verbrechensopfers – haben einen zu achtenden Anspruch darauf, dass ihre Trauer respektiert und nicht zum Gegenstand öffentlicher Berichterstattung gemacht wird… Denn sofern das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eigenen Bild ermöglichen soll, sich frei von öffentlicher Beobachtung und dadurch verursachter Selbstkontrolle verhalten zu können, ist dieser Aspekt gerade bei Trauerfeierlichkeiten von besonderem Gewicht. Während der Beerdigung eines nahen Angehörigen sind die Teilnehmer einem enormen emotionalen Druck ausgesetzt; die nach Art. 1 GG zu schützende Würde des Menschen gebietet von Rechts wegen einen besonderen Schutz gerade dieses Moments.“

Besondere Umstände des Einzelfalls führen zu keiner anderen Bewertung

Das Landgericht stellte ferner klar, dass die Umstände des Todes der Verstorbenen zu keiner anderen Bewertung des Falls führen:

„Dieser Teilnehmerschutz gilt selbst dann, wenn der Verstorbene in der Öffentlichkeit gestanden hat oder am Beerdigungsvorgang aufgrund besonderer Umstände sonst ein Informationsinteresse besteht. Insbesondere im Fall eines tragischen Todes ist den Angehörigen in aller Regel das Recht einzuräumen, die Öffentlichkeit von der Beerdigung auszuschließen und damit ebenso eine Bildberichterstattung zu verhindern“

Ohne Bedeutung war für das Landgericht außerdem, dass die Gesichter einzelner Trauernder auf den Fotografien nicht klar erkennbar waren und dass die Fotografien im Übrigen gar nicht erst zur Veröffentlichung im Rahmen eines Presseartikels gelangt sind:

„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erstreckt sich nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits auf das Anfertigen der Fotos. Denn das Schutzbedürfnis ergibt sich schon aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren. Aufgrund der Schutzrichtung dieses Aspekts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt es daher auch nicht darauf an, ob auf den Fotos Gesichter einzelner Personen deutlich erkennbar sind. Ein Betroffener muss daher – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht erst die Veröffentlichung der Fotos abwarten, sondern kann bereits gegen die Erstellung der Fotos vorgehen. Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte auf der Grundlage der zum Herstellungszeitpunkt bekannten Umstände ausgeschlossen werden, dass eine spätere Veröffentlichung der Fotos gerechtfertigt gewesen wäre.“

Schließlich verwarf das Landgericht auch den Einwand des beklagten Fotografen, er habe die Fotografien von außerhalb des Friedhofs angefertigt:

„Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er die Fotos nicht von einem Standort innerhalb des Friedhofsgeländes, sondern außerhalb desselben angefertigt hat. Denn wie oben dargestellt, begründen gerade die Fortschritte der Technik, hochqualitative Aufnahmen auch aus sehr großer Distanz vorzunehmen, eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Rechtes am eigenen Bild. Für den Gehalt dieses Rechtes kommt es auch nicht darauf an, aus welcher Entfernung Bilder widerrechtlich erstellt wurden. An welcher Stelle der Fotograf bei Anfertigung der Fotos gestanden hat, ob innerhalb oder außerhalb der Friedhofsgrenzen, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von Belang. Denn es ist unstreitig, dass es dem Beklagten um das Fotografieren gerade der Trauergemeinde ging und diese nicht etwa nur zufällig Bestandteil einer Landschaftsfotografie wurde.“

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder veranschaulicht in überzeugender Weise, welchen Stellenwert das Recht am eigenen Bild in unserem Wertesystem genießt. Umso beschämender ist es, dass dieses Recht tagtäglich von der Boulevard-Presse (aber nicht nur von dieser!) mit den Füßen getreten wird. Dass ein Urteil wie das vorliegende überhaupt ergehen musste, ist deshalb nur als skandalös zu bezeichnen. Denn dass man Trauernde bei einer Beerdigung nicht fotografiert, gebietet letztlich schon der Anstand. (ab)

(Bild: shutterstock – Kzenon)

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