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Problempatient Jameda: Prima Plattform oder Ärztepranger?

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Negative Bewertung Jameda
Photo by National Cancer Institute on Unsplash

Vergleichsportale sind eine praktische Sache. Ob Krankenkasse, Hotel oder Restaurant: man stöbert durch die Angebote und vergleicht Preis, Leistung und Bewertung. Und seit 2007 ist so ein Vergleich auch für Ärzte möglich: Jameda.

Was für den Patienten nützlich ist, kann für den Arzt jedoch zum Ärgernis werden. Erhält der Arzt einen oder mehrere negative Kommentare, stellt sich die Frage, ob er die Bewertung entfernen oder gar sein Jameda-Profil löschen kann. 

Ein Ärzteportal, in dem jeder Gelistete in gleicher Art und Weise mit Foto, Sprechstundenzeiten, Leistungen und der Möglichkeit zur Online-Terminbuchung verzeichnet ist, wäre durchaus hilfreich. Bei Jameda jedoch ist das Bild verzerrt. Bereits die optische Darstellung der Arzt-Profile ist nicht einheitlich. Die Möglichkeit, sich inhaltlich zu präsentieren, hängt von der Zahlungsbereitschaft ab. Je mehr man zahlt, desto aussagekräftiger das Profil.

Problematisch wird dieses Prinzip dadurch, dass Ärzte nicht frei über eine Aufnahme in das Portal entscheiden können. Jameda erfasst Ärzte auch gegen deren Willen und lässt ihnen damit nur die Wahl, sich vergleichsweise mager mit ihren Basisdaten oder gegen Aufpreis mit einem erweiterten Profil darzustellen. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder gestellt wird, lautet:

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Kann man sein Jameda-Profil löschen lassen?

Eine „Abmeldung” von Jameda war nicht möglich, solange die Bewertungsplattform als „neutraler Informationsmittler“ galt. Ärzte gingen von einer „Zwangslistung“ aus, denn Jameda ließ eine Entfernung des Profils auf eigenen Wunsch nicht zu und die Gerichte unterstützen dieses Gebaren eine ganze Zeit lang. Etwaiger Kritik am Portal oder der Bewertungspraxis wurde u.a. mit Hinweis darauf begegnet, dass ein Arzt „sich vor dem Hintergrund des Rechts auf freie Arztwahl dem zwischen Ärzten beste- henden Wettbewerb stellen müsse und Marktmechanismen ausgesetzt“ sei.

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Im Jahr 2018 kam dann der Paukenschlag

Nach Jahren sah der BGH Jameda in einem Fall erstmals die Neutralität als nicht mehr gegeben an und ermöglichte die Löschung eines Arztprofils.

Das ist einleuchtend: Wenn Ärzte, die sich kostenpflichtige „Premium- Profile“ kaufen, gegenüber Nichtzahlern bevorzugt werden, kann von Neutralität keine Rede mehr sein. Ärzte, die „nur“ über ein Basis-Profil verfügen, werden quasi zum Zahlen genötigt, da sie anderenfalls vergleichsweise unvorteilhaft dargestellt werden. Während zahlende Jameda-Kunden optisch ansprechend positioniert werden, sind Nichtzahlern selbst grundlegende Darstellungsmöglichkeiten, z.B. ein Foto einzustellen, verwehrt.

Das suggeriert den Patienten (in spe) Nachlässigkeit des Arztes, insbesondere, wenn daneben der Kollege aus unmittelbarer Nachbarschaft mit flottem Bild, umfangreichem Praxisprofil und der Möglichkeit zur Online-Buchung glänzt. In Zeiten, in denen die Menschen sich online informieren und neben Restaurants eben auch Ärzte vergleichen, gereicht sowas schnell zum Nachteil. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Google die Jameda-Einträge in der Regel die ersten Ränge belegen, oft noch vor der eigenen Website. Testen Sie es mal!

Durch dieses Geschäftsmodell, das die Nichtzahler quasi dazu instrumentalisiert, den „Premium-Kunden“ die Patienten in die Arme zu treiben, verlor Jameda seine Rolle als „neutraler Informationsmittler“ endgültig.

Mehr und mehr Ärzte entscheiden sich dazu, diese Praxis von Jameda nicht auf sich sitzen zu lassen. Die Klagen häufen sich und damit auch die Gerichte, die diese Rechtsauffassung teilen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Jameda nun unkompliziert eine Löschung zulässt. Der Gang vor Gericht scheint derzeit noch nötig zu sein und gegen die aktuellen Urteile wurde auch bereits Berufung eingelegt. Doch für eine erste Möglichkeit, das Profil löschen zu lassen, scheint der Weg geebnet.

Trotz fehlender Neutralität der Plattform gibt es jedoch für viele Ärzte und Psychotherapeuten auch durchaus nachvollziehbare Gründe, ihr Profil bei Jameda zu belassen. Einige Ärzte sehen die Ungleichbehandlung als gar nicht so gravierend an, andere wollen einfach weiter gelistet bleiben, weil eben (fast) alle anderen Kollegen dort auch zu finden sind.

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Burda investiert weitere Millionen Euro in Jameda:

Der Medienkonzern Burda plant nach Angaben der Ärzte Zeitung, in die im Jahr 2015 für insgesamt 46,8 Millionen Euro erworbene Online-Plattform Jameda weitere 20 Millionen Euro zu stecken. Derzeit seien nach einer Mitteilung des Unternehmens auf der Plattform 65.000 Ärzte und sechs Millionen aktive Nutzer registriert. „Das Verhältnis zwischen Patienten und Ärzten befindet sich in einer fundamentalen Transformation. Darum investieren wir weiterhin in dieses stark wachsende Geschäftsfeld“, wird Burda-Vorstand Stefan Winners dort zitiert. Jameda sei „hervorragend positioniert“, um Ärzte dabei zu begleiten. Die Plattform bietet neben Arztsuche und Online-Terminen seit 2019 auch Videosprechstunden an.

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Falschbehauptungen wehrlos ausgeliefert?

Eine Arzt-Suchmaschine ist ja auch durchaus praktisch, wären da nicht noch die Bewertungen. Wer vergleichen möchte, dem helfen Bewertungen, ganz klar. Allerdings gibt es Grenzen. Der BGH konstatierte bereits im Jahre 2014:

„Die Bewertungen können nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes haben. Sie können vielmehr auch die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit an deren Ärzten auswirken und damit im Falle von negativen Bewertungen sogar seine berufliche Existenz gefährden.“

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Negative Bewertungen nehmen stark zu

Doch die Zunahme von negativen Bewertungen – oft anonym verfasst, unsachlich oder falsch – bereitet vielen Ärzten und Psychotherapeuten Kopfschmerzen. Unzufriedene Patienten scheuen meist die direkte Konfrontation. Es ist für sie einfacher, sich auf einem Portal „Luft zu verschaffen“ und sich dann schlicht einen neuen Arzt zu suchen. Das ist natürlich grundsätzlich legitim, solange die Kritik der Wahrheit entspricht.

Vergleichsplattformen beinhalten nun mal auch das Element der Bewertung. Sich jedoch gegen Falschbehauptungen im Netz zur Wehr zu setzen, ist ein durchaus komplexes Unterfangen:

  • Soll ich Stellung nehmen?
  • Soll ich den Patienten kontaktieren?
  • Soll ich Jameda anschreiben?
  • Oder lieber einen Anwalt zu Rate ziehen?

Ärzte, die negative Bewertungen entdecken, fühlen sich oft hilflos. Sie kommen erst gar nicht dazu, sich über mögliches Reputationsmanagement durch Gegendarstellung oder Kommentar Gedanken zu machen, da ihnen die ärztliche Schweigepflicht ein enges Korsett schnürt. Und im Gegensatz zum Arzt, der – zum Schweigen verdammt – mit dem Rücken an der Wand steht, kann der entrüstete Patient seinem Unmut anonym freien Lauf lassen. Wenn dies in vereinzelten Fällen dann gar in strafrechtlich relevante Vorwürfe (z.B. Körperverletzung ausartet), dann wird Jameda zu einer Art öffentlichem Pranger.

Immer mehr Ärzte lassen sich daher anwaltlich beraten, weil sie die verzerrte Darstellungsweise einerseits und Falschbehauptungen andererseits nicht mehr hinnehmen wollen. Über die Arten der Negativbewertungen und die jeweiligen Handlungsoptionen klären wir Sie im Folgenden auf.

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Sind anonyme Bewertungen erlaubt?

Ja. Jameda muss die anonyme Nutzung ermöglichen und darf die über den Bewerter gespeicherten Daten nicht herausgeben. Im Streitfalle obliegt jedoch Jameda die Beweispflicht, dass die Bewertung wahr ist.

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Darf der Arzt Bewertungen kommentieren?

Nein. Die ärztliche Schweigepflicht umfasst bereits den Umstand, dass der oder die Betroffene überhaupt bei dem Arzt in Behandlung war oder ist.

Darüber hinaus sind u.a. Namen, Krankendaten und sämtliche Gedanken, Meinungen und Informationen, die der Patient dem Arzt anvertraut hat, streng vertraulich.

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Wann muss eine Bewertungen durch Jameda gelöscht werden?

In folgenden Fällen:

  • Die Bewertung ist unzutreffend, unsachlich oder enthält Schmähkritik.
  • Der Arzt kennt den angeblichen Patienten überhaupt nicht.
  • Es gab keinen Behandlungskontakt, sondern nur Vorgespräche.
  • Der bewertete Arzt war nicht der behandelnde Arzt.
  • Der Arztbesuch liegt schon lange zurück.
  • Es handelt sich um eine Mehrfachbewertung.
  • Es werden weitere Namen genannt (z.B. von Mitarbeitern der Praxis).
  • Es werden die Behandlungskosten kritisiert.
  • Der Arzt kann sich aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht verteidigen.
  • Die Bewertung stammt von einem Mitbewerber & soll Ihnen Schaden zufügen.
  • Es werden angebliche, objektive Behandlungsfehler behauptet. („Jameda-Pranger“).

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Kann man auch nur die Note der Jameda-Bewertung löschen lassen?

Nein, es sei denn… Wenn der Erläuterungstext falsche Tatsachenbehauptungen enthält, sind auch sämtliche darauf beruhenden Meinungsäußerungen (Noten) zu entfernen.

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Ab wann haftet Jameda für negative Bewertungen?

Ab Kenntnis der rechtswidrigen Bewertung. Jameda muss zunächst ausführlich und sorgfältig auf den Rechtsverstoß aufmerksam gemacht werden. Die behauptete Rechtsverletzung muss für Jameda offensichtlich erkennbar sein.

Im Zuge der sich häufenden Verfahren kann man davon ausgehen, dass Jameda mittlerweile Kenntnis über die o.g. einschlägigen Kriterien rechtswidriger Bewertungen hat. Dieser Eindruck verfestigt sich nach einem Blick auf die Website. Dort gibt das Unternehmen an, die Bewertungen im Rahmen der Qualitätssicherung bereits vor Veröffentlichung eingehend zu prüfen (50 Kriterien!).

Als zu befolgende Vorgaben für Bewertungen werden mehrere Punkte der o.g. Liste genannt, u.a. muss für eine Notenvergabe auch ein Behandlungskontakt stattgefunden haben. Wenn nicht (z.B. nur Telefonat zwecks Terminvergabe), erfolge aber zumindest eine Veröffentlichung des Bewertungstextes, ohne Bezugnahme auf den Arzt.

Letzteres sah das LG Meiningen zuletzt etwas anders: Ohne Arztkontakt soll nicht nur keine Benotung, sondern keine Bewertung erfolgen.

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Wie geht man erfolgreich gegen eine Jameda-Bewertung vor?

Der Arzt könnte neben Jameda zugleich auch den bewertenden Patienten auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Es ist jedoch meist besser, das Vorgehen zunächst auf den Plattformbetreiber auszurichten und erst dann – sofern notwendig – den Patienten selbst in Anspruch zu nehmen. Während Jameda „nur“ wirtschaftliche Interessen verfolgt und einen verhältnismäßig aussichtslosen Rechtsstreit oft lieber vermeiden möchte, kommen bei einzelnen Patienten Emotionen hinzu, die zu irrationalen Entscheidungen verleiten können. Negative Bewertungen werden dann womöglich aus Trotz nicht nur nicht gelöscht, sondern sogar an weiteren Stellen im Internet veröffentlicht.

Somit empfiehlt sich folgendes Verhalten:

  1. Inkenntnissetzung, ggf. Abmahnung und Unterlassungsverfügung oder -klage gegenüber Jameda
  2. Abmahnung und Unterlassungsverfügung oder -klage gegenüber Patient
  3. Prüfung einer vorsichtigen Kommentierung

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Muss Jameda auch die Anwaltskosten übernehmen?

Das kommt darauf an… Grundsätzlich haftet der Täter (der bewertende Patient). Jameda haftet erst ab Kenntnis auf Unterlassung, Schadensersatz und damit auch auf die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Weigert sich Jameda, einen klaren Rechtsverstoß zu beseitigen, muss das Unternehmen auch den Anwalt des Arztes bezahlen.

Gleiches gilt, wenn Jameda den Bewertungstext ohne Rücksprache mit dem Arzt eigenmächtig verändert. In diesem Fall macht sich Jameda den Text zu eigen und haftet ab diesem Zeitpunk als unmittelbarer Störer.

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Ich möchte meine Bewertung löschen lassen. Muss ich einen Anwalt einschalten?

Als Reaktion auf unzutreffende Bewertungen können Sie einen Anwalt beauftragen, der Ihre Interessen mit Nachdruck vertritt. Das Geld wird vom Gegner erstattet, sofern die Rechtsverfolgung erfolgreich ist. Über die Erfolgsaussichten des jeweiligen Vorgehens wird Ihr Anwalt Sie vorab informieren. Die Mandatierung eines erfahrenen Rechtsanwalts hat den Vorteil, dass sich ein neutraler Dritter den Sachverhalt anschauen und ihn objektiv und professionell beurteilen kann. Als unmittelbar Betroffener und juristischer Laie kann ein Arzt meist nicht sicher einschätzen, ob Bestandteile einer Jameda-Bewertung zulässige Meinungsäußerungen oder unzulässige Tatsachenbehauptungen sind.

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Zahlt die Rechtsschutzversicherung?

In der Regel: Ja. Sollten Sie eine gewerbliche Rechtsschutzversicherung haben, übernimmt diese unserer Erfahrung nach die Anwalts- und Gerichtskosten. Erkundigen Sie sich.

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Fazit

Im Thema „Jameda“ ist Bewegung und als gelisteter Arzt oder Psychotherapeut sollte man die Wirkung des Eintrags nicht unterschätzen. Wichtig ist, dass Ihr Praxispersonal für das Thema sensibilisiert ist, die Bewertungen der eigenen Praxis regelmäßig aufruft und Ihnen Unstimmigkeiten mitteilt.

Das ist jedenfalls besser, als ganz unvermittelt von einem irritierten Patienten in der Sprechstunde mit der schlechten Bewertung Dritter konfrontiert zu werden.

Doch selbst wenn keine Negativkommentare vorhanden sind, sollte man als Arzt mit „Patientenblick“ auf die Darstellungs- weise des eigenen Profils schauen und sich selbst ein Bild machen.

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LHR-Ratgeber als PDF zum Ausdrucken

Unter diesem Link finden Sie unseren LHR-Ratgeber „JAMEDA – Prima Plattform oder Ärztepranger?“. Damit haben Sie Ihre Handlungsalternativen immer auf einen Blick vor Augen.

Als Gegenleistung für den Download wollen wir (fast) nichts haben. Nur Ihren Namen und Ihre E-Mail-Adresse und Ihr Versprechen, dass Sie uns bei Gelegenheit mitteilen, ob Ihnen unser Ratgeber helfen konnte.

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