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EU-DSGVO: Wettbewerbsverbände dürfen Verstöße abmahnen

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DSGVO Abmahnung Wettbewerbsverbände
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Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht – zum Verhältnis dieser Rechtsgebiete gibt es ein neues, bahnbrechendes Urteil. Zugleich stärkt es den Nationalstaat und dessen Verfahrensregeln.

Das gibt Wettbewerbsverbänden in Deutschland die Möglichkeit, bestimmte Verstöße gegen die EU-DSGOV als Wettbewerbsverstöße nach dem deutschen UWG abzumahnen. Dieser Weg ist nach dem Urteil des OLG Stuttgart ausdrücklich zulässig.

Vorinstanz hatte Befugnis zur Abmahnung verneint

Das Landgericht Stuttgart hatte den Wettbewerbsverbänden diese Möglichkeit zunächst verwehrt (LG Stuttgart, Urteil v. 20.05.2019, Az. 35 O 68/18). Im Rechtsstreit gegen einen gewerblichen eBay-Verkäufer wegen Verstoßes gegen die Informationspflichten nach DSGVO hatte das LG Stuttgart eine Klage des IDO-Verbandes (des Interessenverbands für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen) mit der Begründung zurückgewiesen, die DSGVO gehe als abschließende Regelung dem UWG vor. Verstöße gegen das Datenschutzrecht könnten daher nicht als Wettbewerbsverstöße abgemahnt werden. Alles weitere zu diesem nunmehr aufgehobenen Urteil finden Sie hier.

OLG Stuttgart ist anderer Meinung

Doch, sagte jetzt das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil v. 27.2.2020, Az. 2 U 257/19 – Beachten Sie dazu auch die Aktualisierung in diesem Artikel). Denn: Bei einigen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (etwa bei den Informationspflichten, um die es ging) handelt es sich um Marktverhaltensregelungen, die insoweit ins Wettbewerbsrecht fallen und daher auch entsprechend wettbewerbsrechtlicher Normen abmahnbar sind. Wettbewerbsverbände wie der IDO-Verband sind folglich nach § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 8 Absatz 1 und § 3a UWG zur Abmahnung befugt.

EU-DSGVO steht eigenen prozessualen Maßnahmen der Mitgliedsstaaten nicht entgegen

In der Urteilsbegründung heißt es, Bestimmungen einer EU-Verordnung (wie etwa der DSGVO) seien nicht von sich aus abschließend, so dass Mitgliedsstaaten der EU (z.B. Deutschland) die Anwendung bestimmter nationaler Normen (hier: des UWG) zur Rechtsdurchsetzung gestattet sei, wenn damit das Interesse des Normgebers (also der EU) gewahrt bleibe. Da anzunehmen sei, dass dieses Interesse darin besteht, dass die von ihm erlassenen Bestimmungen von allen Adressaten befolgt werden und ferner davon auszugehen sei, dass der Normgeber die effektive Durchsetzung der durch ihn verliehenen Rechte beansprucht, spräche nur dann etwas gegen nationale Maßnahmen, die geeignet ist, die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, wenn diese bereits in der Norm mit hinreichender Klarheit als unzulässig ausgeschlossen werden.

Davon könne jedoch im Fall der EU-Datenschutz-Grundverordnung nicht die Rede sein, im Gegenteil: Europa gibt die Zuständigkeit zur Ausgestaltung des Prozessrechts in Sachen DSGVO an die Mitgliedstaaten ab. Somit müsse vom Grundsatz her jede nationale Maßnahme, die geeignet ist, die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, als zulässig angesehen werden. Konkret bedeutet das: Nichts in der EU-DSGVO – explizit oder dem anzunehmenden Interesse des Normgebers nach – spricht dagegen, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt sein soll, Wettbewerbsverbänden eine Klagebefugnis einzuräumen. Es darf also abgemahnt und geklagt werden. Gute Nachrichten für den IDO-Verband.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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