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Twittern im Gerichtssaal verboten?

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Der Internetdienst Twitter bietet als modernes Kommunikationsmittel für jeden Nutzer ein weites Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten.

Im journalistischen Bereich reicht es beispielsweise von der Recherche für eigene redaktionelle Beitrage bis zur Nutzung als Nachrichtenticker. In der letztgenannten Funktion wird das Twitter-Portal vermehrt zu Live-Berichterstattungen über öffentlichkeitswirksame Gerichtsverhandlungen eingesetzt. Fraglich ist aber, ob solche Berichterstattungen rechtlich zulässig sind.

Es gibt kein gesetzliches Twitter-Verbot

Festzuhalten ist jedenfalls, dass ein Verbot von Live-Textberichterstattungen gesetzlich nicht normiert ist. Insbesondere berücksichtigt § 169 GVG nicht die neusten medialen Entwicklungen und ist in dessen aktuell gültigen Fassung nicht unmittelbar einschlägig:

 „Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.“

Die Gerichtspraxis sieht es aber anders

Dennoch sind Verfahren bekannt, in denen das Twittern bzw. Live-Tickern aus der laufenden Gerichtsverhandlung durch den vorsitzenden Richter untersagt wurde. Zu nennen sind insbesondere das Strafverfahren gegen einen Hells-Angels-Mitglied am Landgericht Koblenz aus dem Jahr 2010 und das patentrechtliche Verfahren zwischen Apple und Samsung am Landgericht Mannheim, das in diesem Jahr ausgetragen wurde.

Die beiden Verbote ergingen als so genannte sitzungspolizeiliche Maßnahmen im Sinne des § 176 GVG, wonach dem Vorsitzenden die Pflicht auferlegt und das damit korrespondierende Recht eingeräumt wird, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sitzungsordnung zu ergreifen.

Akkreditierungshinweise des Bundesverfassungsgerichts

Die erforderlichen Anordnungen stellen dabei nicht unbedingt eine Reaktion auf eine konkrete Störung im laufenden Gerichtsverfahren dar, sondern können auch vorbeugend im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung getroffen werden.

So hat das Bundesverfassungsgericht in seine Akkreditierungshinweise in der Pressemitteilung vom 04.10.2012 unter Berufung auf § 17a BVerfGG folgende Regelung aufgenommen:

„Das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Kurznachrichten, das digitale Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im bzw. aus dem Sitzungssaal sind nicht gestattet. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptops und iPads, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertretern kann die Nutzung von Laptops im Offline-Betrieb gestattet werden, soweit sichergestellt ist, dass mit den Geräten weder Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen durchgeführt werden.“

Fazit

Diese Mitteilung zeigt beispielhaft, dass die Justiz mittlerweile das nötige Problembewusstsein zu der hier aufgeworfenen Fragestellung entwickelt hat. Ob sich die aktuelle Praxis zu einem grundsätzlichen Verbot von Live-Textberichterstattungen im Gerichtssaal entwickelt wird, bleibt aber fraglich. Eine feste Rechtsgrundlage hierfür fehlt jedenfalls. Solange der Gesetzgeber dieses Problem nicht rechtspolitisch abgewogen und keine eindeutige Stellung bezogen hat, dürfte das Twitter- bzw. Live-Tickern-Verbot nur zulässigerweise nur aufgrund einer am konkreten Einzelfall orientierten Entscheidung des mit dem Verfahren befassten Gerichts ausgesprochen werden. (pu)

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