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Unzutreffende Werbung mit Mitgliedschaft in Anwaltskammer-Abteilung ist wettbewerbswidrig

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Rechtsanwaltskammern genießen als Aufsichtsstellen über die Rechtsanwaltschaft hohes Ansehen. Eine Rechtsanwältin schmückte ihre Webseite mit der unzutreffenden, weil nicht mehr aktuellen Angabe, Mitglied einer Vorstandsabteilung einer Rechtsanwaltskammer zu sein. Darin liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung, entschied nun der BGH (BGH, Urteil v. 22.7.2021, Az. I ZR 123/20).

Die Beklagte, eine Anbieterin von Rechtsanwaltsdienstleistungen, führte im Mai 2018 auf ihrer Internetseite auf einer Unterseite „Anwälte“ unter einer Rubrik und dort unter der Überschrift „Besondere Aktivitäten“ auf, dass sie „Mitglied der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der Rechtsanwaltskammer München“ sei. Die Beklagte war aber seit 2012 nicht mehr Mitglied der Vorstandsabteilung der Rechtsanwaltskammer.

Klageabweisung durch Landgericht

Die Klägerin erwirkte nach vorgerichtlicher Abmahnung eine einstweilige Verfügung des Kammergerichts Berlin gegen die Beklagte. Sie hält die angegriffene Angabe für eine unlautere irreführende Angabe. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Die Klägerin ging daraufhin in Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantrage.

Irreführende geschäftliche Handlung

Der BGH entschied nun, dass die unzutreffende Behauptung, aktuell Mitglied der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer zu sein, eine irreführende geschäftliche Handlung darstellt. Diese sei auch dann im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestand.

Es komme dabei auf die „Vorstellung des verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers“ an. Erforderlich sei, dass die betroffene Angabe geeignet ist, „bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen“.

Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten

Es könne zwar tatsächliche Umstände geben, die gegen eine geschäftliche Relevanz des als Irreführung beanstandeten Verhaltens im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG sprechen. Die Darlegungs- und Beweislast liege hier jedoch bei der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten.

Wirksam mit Nichtwissen bestritten

Eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die gegen eine Rechtsanwältin wegen einer solchen Angabe Klage erhoben hat, könne den Vortrag der Beklagten, zu einem früheren Zeitpunkt Mitglied dieser Vorstandsabteilung gewesen zu sein, gemäß § 138 Abs. 4 der Zivilprozessordnung wirksam mit Nichtwissen bestreiten, so der BGH in seinem Urteil.

Das Berufungsgericht, das Kammergericht Berlin, sei bei der Würdigung des Parteivortrags „rechtsfehlerhaft vorgegangen“. Entgegen der Auffassung des Kammergerichts habe die Klägerin die von der Beklagten behauptete frühere Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung der Rechtsanwaltskammer München gemäß § 138 Abs. 4 ZPO wirksam mit Nichtwissen bestritten. Das Berufungsgericht habe deshalb den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten zu einer früher bestehenden Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung nicht ohne Beweisaufnahme zugrunde legen dürfen.

Keine Erkundigungspflicht

Eine Erkundigungspflicht der Klägerin hinsichtlich der Richtigkeit und Aktualität der Angabe, früher Mitglied der Vorstandsabteilung gewesen zu sein, verneinte der BGH für den konkreten Fall. Bei der Rechtsanwaltskammer handle es sich nicht um eine Stelle, die im Unternehmensbereich der Klägerin tätig werde. Das Berufungsgericht habe deshalb der Klägerin nicht zur Last legen dürfen, keine weiteren Erkundigungen bei der Rechtsanwaltskammer eingeholt zu haben.

Immer wieder kommt es vor, dass Marktanbieter falsche oder inaktuelle Angaben auf Internetseiten machen, um sich in einem möglichst positiven Licht darzustellen. Das höchstrichterliche BGH-Urteil bietet einen guten Leitfaden, um derartige Fälle zu beurteilen, insbesondere wenn es um das Bestreiten von Tatsachen geht.

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