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LHR erwirkt vier einstweilige Verfügungen und Ordnungsgeld iHv 12.000 € gegen „Coaching“-Unternehmen und angeschlossenem „Fachverlag“

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© MichaelJBerlin – Adobe Stock

Das Landgericht Frankfurt hat auf den Antrag einer Mandantin von LHR insgesamt vier einstweilige Verfügungen wegen Schleichwerbung in zwei Beiträgen und zwei YouTube-Videos gegen ein „Coaching“-Unternehmen und einen „Fachverlag“ erlassen.

Mit den Eilbeschlüssen wird den Unternehmen und den verantwortlichen Personen verboten, fremdes Bildmaterial zu verwenden und den Eindruck zu erwecken, dass es sich bei bestimmten Artikeln und Videos um unabhängigen Journalismus handelt, während sie tatsächlich schlicht Werbung sind.

Werbung unterliegt Regeln

Werbung muss sich an Regeln halten. Diese ergeben sich aus zahlreichen Vorschriften, hauptsächlich dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Geschäftliche Kommunikation muss insbesondere als solche erkennbar sein. Sonst spricht man umgangssprachlich von „Schleichwerbung“. Der potentielle Kunde muss wissen, ob anpreisende oder kritische Äußerungen tatsächlich auf der – mehr oder weniger objektiven – Einschätzung eines unabhängigen Dritten, zB eines Journalisten beruhen, oder schlicht der schnöden Umsatzsteigerung oder dem Mitbewerberbashing dienen sollen. Meinungsäußerungen Dritter schenkt der Verkehr naturgemäß mehr Vertrauen, als werbenden Anpreisungen durch den Unternehmer selbst.

Die Presse trommelt nicht für jeden

Natürlich sind die Grenzen zwischen objektiver Berichterstattung und Werbung fließend. Oft findet sich ein Journalist, dem das Produkt oder die Dienstleistung auch persönlich gut gefällt. Der lässt dann das ein oder andere überschwängliche Wort fallen, ohne dass er dafür bezahlt würde und ohne die Grenzen des Zulässigen zu überschreiten. Apple und Tesla sind zwei der Unternehmen, die es besonders geschickt verstehen, die Presse zu regelrechten Lobhudeleien zu bewegen, die in einer Grauzone liegen, aber deshalb noch nicht zur „Schleichwerbung“ werden. Das kommt aber natürlich nicht von ungefähr, sondern erfordert neben geschicktem Marketing grundsätzlich auch einer vertrauenswürdigen Marke.

„Auch kritisch, aber immer fair“

Ganz schön anstrengend, dachte sich offenbar ein junges „Coaching“-Unternehmen und suchte nach einer schnellen Alternativlösung. Wenn die bereits existierenden Presseunternehmen nicht wie gewünscht berichten, warum nicht einen eigenen „Fachverlag“ gründen?

Ein scheinbar genialer Schachzug, konnte doch auf diese Weise auf dem dafür aufgebauten Portal liebsamen Unternehmen – bestenfalls gegen Bezahlung – positive Berichterstattung und der weniger wohl gelittenen Konkurrenz Kritik zuteil werden. Alles unter dem Deckmantel eines unabhängigen, „meinungsstarken, auch kritischen, aber immer fairen“ Journalismus. Gegründet wurde so ein „Fachverlag“, der jedoch alles andere als unabhängig, sondern mit den „Coaches“ unternehmerisch und personell verflochten war.

Ein schöner Nebeneffekt dieses Konstrukts war zudem, dass man Mitbewerbern unter dem Deckmantel der journalistischen Sorgfaltspflichten vorgebliche „Presseanfragen“ senden und so womöglich zur Mitteilung von Unternehmensinterna bewegen konnte, die diese ansonsten nie preisgegeben hätten.

„Was muss ich in diesem völlig unabhängigen „Fachverlag“ über die Konkurrenz lesen?“

Mit dem „Fake-Fachverlag“ aber nicht genug: Um der so lancierten „Kritik“ die größtmögliche Reichweite zu verschaffen, veröffentlichten die „Coaches“ auf ihrem YouTube-Kanal Videos, in denen die – scheinbar unabhängige – Berichterstattung des „Fachverlags“ mit künstlicher Verwunderung und Empörung abgelesen und damit noch einmal wiedergegeben wurde („reaction video“).

Die „Coaches“ und der „Fachverlag“ wollten es nicht lassen

Ein auf diese Weise „kritisierter“ Konkurrent der „Coaches“ wollte diesem Treiben nach einigem Wohlwollen schließlich doch ein Ende bereiten und tat mit dies Hilfe von LHR genau das.

Nachdem das Angebot eines außergerichtlichen Unterlassungsvertrags von den „Coaches“ und dem „Fachverlag“ abgelehnt worden war, wurden entsprechende Anträge auf einstweilige Verfügung notwendig, die das Landgericht Frankfurt jeweils umgehend erließ (LG Frankfurt a.M., Beschluss v. 7.12.2022 , Az. 2-3 O 371/22, LG Frankfurt a.M., Beschluss v. 29.12.2022, Az. 2-3 O 391/22, LG Frankfurt a.M., Beschluss v. 20.1.2023, Az. 2-3 O 373/22 sowie LG Frankfurt a.M., Beschluss v. 19.1.2023 ,Az. 2-03 O 394/22, alle nicht rechtskräftig).

Das Gericht teilte die Auffassung der Antragsteller, dass es sich bei den Beiträgen und die flankierenden Videos um „Schleichwerbung“, d.h. um Veröffentlichungen handelte, die eine unabhängige, objektive Berichterstattung lediglich vortäuschten, während sie in Wirklichkeit schnöde Eigenwerbung darstellten bzw. einen Mitbewerber unter dem Deckmantel des „Journalismus“ herabsetzten. Erst recht war die Verwendung fremden Bildmaterials rechtswidrig.

Es drohen bis zu 250.000 € Ordnungsgeld oder Ordnungshaft

Im Falle der Zuwiderhandlung drohen den „Coaches“, dem Fachverlag bzw. den Verantwortlichen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft.

In einem Fall wurden bereits Ordnungsgelder verwirkt

In einem Fall sind wegen Nichtbefolgung der Verbotsverfügung bereits Ordnungsgelder von insgesamt 12.000 € verhängt worden. Die Antragsgegner hatten zwar trickreich „nachgebessert“, das reichte jedoch weder Antragsteller noch Landgericht, so dass den Beteiligten ein Ordnungsgeld auferlegt wurde (nicht rechtskräftig).

UPDATE 7.11.2023 – „Fachverlag“ nimmt Berufungen zurück

Während wir nach der Weigerung des „Fachverlags“, die einstweiligen Verfügungen als endgültige Regelung anzuerkennen, wegen der drohenden Verjährung Hauptsacheklage erheben mussten, hatte dieser Berufung gegen die einstweiligen Verfügungen eingelegt. Über diese wurde nun heute endlich verhandelt. Mit einem erfreulichen Ergebnis: Nachdem der Vorsitzende in den Sach- und Streitstand eingeführt und die Auffassung des Senats mitgeteilt hatte, nahm der Prozessbevollmächtigte des „Fachverlags“ beide Berufungen zurück.

Ein teurer Spaß. Die Antragsgegner müssen nun aber nicht nur die Kosten der zwei Verfahren durch zwei Instanzen in Höhe von ca. 30.000 € tragen, sondern auch Schadensersatz leisten, der nicht mehr im bloßen 5-stelligen Bereich liegen wird.

Rechtsanwalt Arno Lampmann von LHR:

“Professionelles coaching (vulgo: Unternehmensberatung) bietet – wenn es Hand und Fuß hat – einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert. Eine gute Beratung kann zu erheblichen – vorher womöglich ungeahnten – wirtschaftlichen Erfolgen führen. Diese Leistung lassen sich die Berater natürlich entsprechend bezahlen. Diese Verdienstchancen locken jedoch nicht nur seriös und nachhaltig agierende Player, sondern auch solche, die ihrem Erfolg mit – gelinde gesagt – unkonventionellen Methoden nachhelfen wollen. So auch in diesem Fall. Hier produzierten die Coaches die gewünschte, für sich selbst positive und den Konkurrenten negative „Presseberichterstattung“ schlicht selbst, um sich dann mit gespielter Empörung in „reaction videos“ gewissermaßen selbst zu zitieren. Pfiffig, aber unzulässig.“

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