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„Textklau“: Einfache Online-Werbetexte urheberrechtlich nicht geschützt

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urheberrechtlicher Schutz Online-Werbetexte
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Im Internet werden häufig Texte übernommen, ohne das Einverständnis des Urhebers für die Nutzung eingeholt zu haben. Doch bevor man sich mit den Ansprüchen gegen den Verletzer beschäftigt, fragt sich, ob es sich bei dem übernommenen Text überhaupt um ein Schriftwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urhebergesetz (UrhG) handelt und es diesem Schutz unterliegt. Ausschlaggebend ist die Schöpfungshöhe des jeweiligen Textes.

Wann kann nun ein Urheber gegen die ungefragte Übernahme seines Textes tatsächlich vorgehen? Ist es ausreichend, dass eine Beschreibung mit einer Aneinanderreihung von technischen Formulierungen verfasst und übernommen wurde? Oder wird vorausgesetzt, dass eine schöpferische Eigenart vorliegt, die unverwechselbar ist?

Das Landgericht Frankenthal (LG) kam zu dem Entschluss: Bei einer einfachen Online-Werbung über ein Produkt kann nicht von einem urheberrechtlichen Schutz ausgegangen werden, denn es fehle an der erforderlichen Schöpfungshöhe.

Verdient die Beschreibung eines Produkts urheberrechtlichen Schutz?

Der Kläger betreibt gewerblich Anzeigen auf dem Online-Kleinanzeigen-Portal eBay Kleinanzeigen. Die Firma hat im Rahmen einer eBay-Annonce eine umfangreiche Beschreibung ihrer betrieblichen Tätigkeit mit aufgenommen. Zudem enthielt die Anzeige eine detaillierte Beschreibung des Produktes.

Der Beklagte, ebenso gewerblich tätig, nutzte Teile des Textes des Klägers für seine veröffentlichten Anzeigen betreffend verschiedene Fahrzeugtypen und eine Beschreibung von Spurhalteassistenten. Dem Beklagten wurde weder ein Nutzungsrecht durch den Kläger eingeräumt noch erfolgte eine Urhebernennung. Daher forderte der Kläger den Beklagten zur Abgabe eine Unterlassungserklärung, weil er Urheber des streitgegenständlichen Textes sei.

Dem bringt der Beklagte jedoch entgegen, es handele sich weder um übereinstimmende Texte noch weise der Text die erforderliche Schöpfungshöhe auf, um urheberrechtlichen Schutz als Sprachwerk genießen zu können.

Werbetext = schutzwürdiges Schriftwerk?

Für einen von der klägerischen Firma erhobenen Anspruch aus Urheberrecht muss es sich bei dem Text zunächst um ein schutzwürdiges Schriftwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Urhebergesetz (UrhG) handeln. Darunter sind solche Sprachwerke zu verstehen, bei denen sprachliche Gedankeninhalte durch Schriftzeichen oder andere Zeichen äußerlich erkennbar gemacht werden. Auch einfache geistige Schöpfungen mit nur geringem Schöpfungsgrad seien daher vom Urheberrechtsschutz umfasst (BGH, Urteil v. 26.09.1980, Az. ZR 17/78).

Trotz der geringen Anforderungen an den Schöpfungsgrad sei aber ein Werk, das als persönlich geistige Schöpfung zu bewerten ist, erforderlich. Das zeige, dass nur solche Werke urheberrechtlich geschützt sind, die ein Mensch geschaffen hat – das Werk müsse daher immer das Ergebnis eines Schaffensprozesses darstellen. Hierbei erlangen frei erfundene Sprachwerke leichter Urheberrechtlichen Schutz als solche Texte, bei denen der Inhalt durch bestimmte Themen vorgegeben ist. Diesen fehle es häufig bereits an der urheberrechtsschutzfähigen eigenschöpferischen Prägung, aufgrund der üblichen Ausdrucksweise. Allerdings sei nicht gänzlich ausgeschlossen, dass auch diese Texte schutzfähig sein können – denn durch die eigenschöpferische Gedankenformung und -führung des Inhalts sowie der besonders geistvollen Form der Anordnung oder Aufmachung des Stoffes könne eine Schutzbedürftigkeit hervorgerufen werden.

Bei Werbeaussagen müssen diese über die üblichen Anpreisungen hinausgehen, um Urheberrechtsschutz zu erlangen. Ist eine entsprechende Individualität anzunehmen, könne dem urheberrechtlichen Schutz nichts mehr entgegenstehen. Allerdings führe allein die Werbewirksamkeit und Schlagkraft der Werbeaussage nicht zum Schutz des Textes. Vielmehr können längere werbende Texte mit gewissem Informationsgehalt und der eigenen schöpferische Wahl der Reihenfolge sowie der gewählten Sprache, Urheberrechtsschutz begründen – es sei denn, der Gebrauchstext unterscheide sich, außer durch seine ansprechende Art und Weise, nicht von den üblicherweise verwendeten Beschreibungen (LG Stuttgart, Urteil v. 04.11.2010, Az. 17 O 525/20).

Schöpferische Eigenart fehlt bei Aneinanderreihung von Informationen

Berücksichtigt man diese Grundsätze, kommt man zu dem Ergebnis, dass dem veröffentlichten Online-Werbetext kein Urheberrechtsschutz zuzusprechen ist. Zu diesem Ergebnis kam auch das Landgericht Frankenthal. Bei dem Text handle es sich um ein Angebot und die Beschreibung von Spurhalteassistenten und dessen Aktivierung durch die klagende Firma. Zwar könne man aufgrund der Länge des Textes einen urheberrechtlichen Schutz in Betracht ziehen, dennoch ließe sich aus dem Gesamteindruck der konkreten Textgestaltung keine erforderliche schöpferische Eigenart feststellen (LG Frankenthal, Urteil v. 03.11.2020, Az. 6 O 102/20). Außerdem setze ein urheberrechtlich geschütztes Werk grundsätzlich keinen Mindestumfang voraus. Entscheidend sei allein, dass das Werk den Anforderungen des § 2 Abs. 2 UrhG entspreche. Der Werbetext besteht überwiegend aus kurzen Sätzen, die der Beschreibung der Funktionen und Vorteile eines Spurhalteassistenten dienen und nicht über übliche Werbefloskeln hinausgehen.

Das Gericht kommt zu dem Entschluss: Der Text zeichne sich weder durch eine besonders ansprechende Formulierung aus noch begründe die Art und Weise des Textes eine besondere schöpferische Gestaltung. Bei einer einfachen Aneinanderreihung von technischen Informationen handle es sich meist um begrifflich vordefinierte Aussagen, die keinerlei sprachlichen Gestaltungsspielraum eröffnen. Da die Individualität eines Werkes das bedeutendste Kriterium bei der Bestimmung der urheberrechtlichen Werkqualität darstelle, müsse sich das Werk von anderen Werken durch seine Formgestaltung unterscheiden. Dies könne sich gerade durch eine unverwechselbare Wortfolge oder eine besonders geistvolle Form und Art zeigen. Lässt sich die gewählte Reihenfolge der Sätze so variieren, ohne dass ein erheblicher inhaltlicher Unterschied entstünde, könne man weder von einer Unverwechselbarkeit ausgehen noch von einer eigenschöpferischen Gedankenführung des Urhebers. Vielmehr entspreche der Werbetext einem üblichen Beschreibungstext für Fahrzeugausstattungen mit gängigen technischen Formulierungen, so das Gericht. Ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG liege gerade nicht vor, weswegen eine Urheberrechtsverletzung ausscheide.

Grad der Individualität

Ein urheberrechtliches Werk muss eine gewisse Gestaltungshöhe besitzen. Dieses Merkmal bezieht sich auf den Grad der Individualität, den ein geistiges Erzeugnis besitzen muss, um eine persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG zu sein. Die schöpferische Leistung könne bei Texten sowohl in der individuellen sprachlichen Gestaltung als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes und der Inhalte liegen. Die Schutzgrenze sei demzufolge niedrig anzusetzen, um geistige Schöpfungen mit nur geringem Schöpfungsgrad mitumfassen zu können – die „kleine Münze“ im Urheberrecht.

Somit werden an die erforderliche Schöpfungshöhe gewisse Anforderungen gestellt: Das Werk müsse Originalität, Individualität und die Urheberpersönlichkeit in gewissem Maße widerspiegeln. Ausschlaggebend sei vor allem der Grad der Individualität, der sich durch einen Vergleich des Gesamteindrucks des Originals mit seinen prägenden Gestaltungsmerkmalen mit der Gesamtheit der vorbekannten Gestaltungen bestimmen ließe.

Das LG Frankenthal entschied: Mangelt es an einer individuellen Gedankenführung bei Online-Werbetext, sei nicht von einem urheberrechtlich geschützten Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG auszugehen – eine Urheberrechtsverletzung komme nicht in Betracht.

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