Mehrfach ausgezeichnet.

Focus Markenrecht
en

Big trouble im „Lil Baby Ape Club“: Der Diebstahl des Plagiats im Metaverse

Ihr Ansprechpartner

Letzte Woche gab es einen handfesten Skandal in der NFT-Community. Es ging um große und kleine Affen, eine Urheberrechtsverletzung und viel Geld.

Der Grund für die Empörung lag jedoch woanders. Was war da los?

Was sind NFTs?

NFTs (Non Fungible Tokens) sind kryptographische Tokens, die auf der Blockchain erzeugt werden. Bis jetzt werden sie hauptsächlich in der Kunstwelt eingesetzt, um digitale Inhalte zu authentifizieren. Die Einsatzmöglichkeiten sind jedoch unbegrenzt. Einzelheiten dazu auf unserer LHR-Themenseite Non Fungible Tokens: Tweets, Memes und Katzenbilder auf Christie’s? NFT als neuer Trend in der Kryptowelt.

Hier geht es um NFTs als Vehikel für Kunst, im vorliegenden Fall um Serien von Cartoon-Profilbildern („JPEGs“), die mit verschiedenen Merkmalen ausgestattet sind und unterschiedlichen Seltenheitswert haben. 

Gelangweilte Affen für 2 Milliarden USD

Die meistgehandelte Serie dieser Art auf den Marktplatz OpenSea heißt „Bored Ape Yacht Club„. Sie besteht aus 10.000 Profilbildern von „Bored Apes“, die der Story nach im besagten Yachtclub ein und ausgehen.

Die sechs günstigsten Bored Apes sind zurzeit zum Preis von jeweils zwischen 52 und 54 Ethereum (ca. 220.000 USD) zu haben:

Der Gesamtwert der Kollektion beträgt über 2 Milliarden USD. Der Bored Ape Yacht Club ist zur Zeit die meistgehandelte NFT-Kollektion auf der Plattform OpenSea und hat sogar die berühmten CryptoPunks überholt. Das Tradingvolumen betrug in den letzten 7 Tagen über 26.000 Ethereum, was einem Gegenwert von über 100 Millionen USD entspricht: 

Eine Urheberrechtsverletzung, die niemanden stört

Am 11.1.2021 erschien eine Serie von 5.000 NFTs unter dem sehr ähnlichen Namen „Lil Baby Ape Club“ und mit sehr ähnlichen Abbildungen von gelangweilten Affen. Die Initiatoren hatten sich – offenbar , um eine völlig identische Übernahme der Zeichnungen zu vermeiden – überlegt, in ihrer Kollektion nicht erwachsene Affen, sondern 5.000 virtuelle Nachkommen der Bored Apes, nämlich die „Lil Baby Apes“ zum Leben zu erwecken und für 0.02 Ethereum (ca. 80 USD) herauszugeben:

Nach deutschem Recht handelt es sich dabei um Urheberrechtsverletzungen, die so eindeutig sind, dass sie auch von Laien ohne Weiteres erkennbar sein dürften. Denn obwohl die Zeichnungen nicht identisch kopiert und die Äffchen teilweise mit anderen Outfits und Accessoires ausgestattet worden waren, hatte man die prägenden Merkmale der „Elterngeneration“ fast identisch übernommen.

Eine eigene Neuschöpfung scheidet vor diesem Hintergrund aus, denn diese erfordert einen gewissen Abstand (Unterschied) zwischen Vorlage und neuem Geschaffenen. Dieser ist gewahrt, wenn die Wesenszüge der Vorlage in den Hintergrund treten und so verblassen, dass die Wesenszüge des neu Geschaffenen im Vordergrund stehen (vgl. BGH, 11.3.1993 – I ZR 263/91 – Asterix-Parodie). Das amerikanische Recht sieht zwar im Rahmen der fair use-doctrin einen größeren Spielraum für die Anlehnung an vorbestehende Werke vor, als das deutsche Recht. Fair use dürfte jedoch aufgrund der Kommerzialität des Angebots ausscheiden. Ein kommerzieller Zweck schließt die Anwendung zwar nicht kategorisch aus, macht sie aber unwahrscheinlich.

Das Plagiat des Plagiats

Den Skandal sah die Community aber nicht in dieser Rechtsverletzung, mit der die Delinquenten zudem einen recht ansehnlichen Betrag von 100 Ethereum (ca. 400.000 USD) erzielt hatten, sondern in der Tatsache, dass – so die Gerüchteküche –, das Plagiat bereits einige Tage vorher von jemand anderem geplant und  in einem Smart Contract angelegt, vorbereitet und vom „zweiten“ Dieb schlicht übernommen worden war. Dieser hatte auch die offenbar vom Initiator – unter Verletzung des Urheberrechts (s.o.) – gefertigten Grafiken übernommen (vulgo: geklaut).

Auf der Plattform „Medium“ erklärt der User „Roh“ unter der Überschrift How 5,000 baby apes were stolen from their parents, dass der Plagiatsdieb  – vereinfacht gesagt – die einzelnen Daten und Bezeichnungen kopiert und zur Darstellung der einzelnen Abbildungen, die mit den NFTs verknüpft sind, schlicht – ähnlich wie beim Framing – auf den Speicherort des ersten Contracts verwiesen hatte. Eine Handlung, die nach der Rechtsprechung des EuGH für sich genommen kurioserweise womöglich urheberrechtsneutral ist, da sie keine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn sie keine Schutzmaßnahmen gegen Framing umgeht (EuGH, Urteil v. 9.3.2021 – C-392/19 – Bild-Kunst/SPK).

Die Empörung trifft rechtlich den Falschen

Die Empörung trifft somit rechtlich gesehen den Falschen, da die eigentliche Urheberrechtsverletzung vom Plagiator begangen wurde, während der Plagiatsdieb sich – jedenfalls  im Verhältnis zum Plagiator – wohl sogar völlig rechtskonform verhalten hat.

Auch in der Diskussion hierzulande stellt man fest, dass es für die Bewertung einer Urheberrechtsverletzung für viele darauf ankommt, ob sie auf Kosten oder unter Ausnutzung der Mühen des Berechtigten begangen wurde. Da dies insbesondere im Internet häufig nicht der Fall ist, wehrt man sich nicht nur in gewissen Kreisen gegen die Wendung des „Diebstahls“ geistigen Eigentums. Für die urheberrechtliche Beurteilung des Rechtsverstoßes spielt es allerdings keine Rolle, wieviel Arbeit die Werkerstellung für den Urheber war oder ob ihm durch die Nutzung etwas „weggenommen“ wurde oder nicht. Diese Frage wirkt sich allenfalls bei der Höhe des Schadensersatzes aus. Dies vor dem Hintergrund der Lizenzanalogie allerdings auch dort seltener, als man meinen könnte. Denn die Höhe des Schadensersatzes wird danach unabhängig vom tatsächlichen Schaden fiktiv danach bestimmt, was vernünftige Parteien vereinbart hätten.

Beide Projekte sind nun online

Mittlerweile werden beide Projekte auf der Plattform OpenSea gehandelt und es sieht nicht so aus, als würde der Plattformbetreiber gegen die eine oder die andere Kollektion zu Gunsten der Elternkollektion einschreiten wollen (wenn, dann müssten ja streng genommen beide entfernt werden):

Die Verwirrung wird komplett, wenn man nach Betrachten der beiden Kollektionen bemerkt, dass der Floor Price (also der niedrigste Preis, zu dem jemand bereit ist, sein Exemplar zu verkaufen) der kopierten Fälschung im Moment (jedenfalls im Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags) fast doppelt so hoch ist, wie der der Originalfälschung.

Welcome to the Metaverse and the world of NFTs!

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht

2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

Chronologisch aufgebaut, differenzierte Gliederung, zahlreiche Querverweise und, ganz neu: Umfangreiche Praxishinweise zu jeder Prozesssituation.

Mehr erfahren

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht