OLG Köln: Verdachtsberichterstattung nach Freispruch unzulässig – Erfolg für Pferdehändlerin im einstweiligen Rechtsschutz
Ein Freispruch bedeutet nicht zwingend ein Ende der öffentlichen Debatte – doch wenn ein Medium trotz Freispruchs weiterhin einen strafrechtlichen Verdacht nahelegt, sind die Grenzen der zulässigen Berichterstattung schnell überschritten.
Das hat das OLG Köln in einer aktuellen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz deutlich gemacht.
Hintergrund: Freispruch – aber Berichterstattung bleibt zweifelnd
Die Verfügungsklägerin, eine Reiterin und Pferdehändlerin aus dem Rheinland, war von einem Amtsgericht vom Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs und der Urkundenfälschung freigesprochen worden. In einem nachfolgenden Beitrag berichtete ein Pressemedium über den Freispruch – stellte jedoch zugleich durch Kontext und Formulierungen in den Raum, die Betroffene habe die Tat möglicherweise dennoch begangen.
Ergänzt wurde dies durch zahlreiche weitere Vorwürfe im Zusammenhang mit angeblichen Pferdeverkäufen sowie Andeutungen über eine betrügerische „Masche“.
Entscheidung in zweiter Instanz: Pressefreiheit endet nicht, aber sie hat Grenzen
Das Landgericht hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst abgelehnt. Erst in zweiter Instanz erkannte das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 29. April 2025 (Az. 15 U 424/24) die Unzulässigkeit weiter Teile der Berichterstattung und erließ eine einstweilige Verfügung gegen das Presseorgan.
Im Zentrum der gerichtlichen Beurteilung stand dabei der Umstand, dass die Berichterstattung zwar einen Freispruch erwähnte, im Gesamtkontext jedoch erneut einen Tatverdacht gegen die Verfügungsklägerin weckte. Das Gericht stellte klar: Gerade weil ein Freispruch erfolgt war, durfte nicht durch Formulierungen oder selektive Darstellung der Eindruck entstehen, die Betroffene habe die Tat dennoch begangen.
Maßstab: Der Schutz vor „Vorverurteilung durch die Hintertür“
Das OLG hob hervor, dass selbst die Berufung auf wahre Tatsachen – wie etwa die Existenz eines Ermittlungsverfahrens – nicht ausreicht, wenn durch Darstellung und Kontext erneut ein schwerwiegender Verdacht aufrechterhalten wird. Die Darstellung müsse sich mit der gerichtlichen Entscheidung ernsthaft auseinandersetzen und dürfe diese nicht entwerten oder relativieren.
Unzulässig sei insbesondere eine Berichterstattung, bei der der Freispruch als bloße „Formalität“ dargestellt werde oder der Eindruck entsteht, die Gerichte hätten den „eigentlichen“ Sachverhalt verkannt. Ein solcher Effekt sei geeignet, die Unschuldsvermutung faktisch auszuhebeln.
Fazit: Eindeutige Linie gegen medialen Generalverdacht
Die Entscheidung des OLG Köln macht deutlich: Die Pressefreiheit erlaubt kritische, auch zugespitzte Berichterstattung – aber sie endet dort, wo der Freispruch einer Person entwertet und ihr in der Öffentlichkeit ein faktisches „Weiterleben des Verdachts“ zugemutet wird.
Für Medien gilt: Wer berichten will, muss sorgfältig abwägen – und darf sich nicht auf suggestive Kontexte verlassen, wenn eine gerichtliche Entscheidung Klarheit geschaffen hat.
Die Entscheidung ist aufgrund der Abgabe einer Abschlusserklärung rechtskräftig.
Offenlegung: LHR hat die Antragstellerin in diesem Verfahren vertreten.