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Google AdWords: Haftung des Werbenden für rechtsverletzende Anzeige erst ab Kenntnis

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Google AdWords Werbung Störerhaftung
prima91 – stock.adobe.com

Google Ads ist das Onlinewerbeprogramm von Google, mit dem sie Werbeanzeigen erstellen können und Nutzer genau in dem Moment erreichen, in dem sie Interesse an ihren Produkten oder Dienstleistungen zeigen. Schalten Werbetreibende also Google-Anzeigen für bestimmte Keywords, sehen andere, die nach diesem Suchbegriff suchen, auch diese Anzeige. Dann geht alles ganz schnell – mit einem Klick auf die Google-Anzeige gelangt man dann direkt auf die gewünschte Website und kann dort kaufen, bestellen und Neukunde werden.

Die Reichweite, die Schnelligkeit und die Flexibilität machen das Werben durch die Suchmaschine für Kunden interessant, denn anders als im Fernsehen und der Zeitung kann die Anzeige jederzeit verändert und angepasst werden.

Allerdings bringt AdWords auch Nachteile mit sich. Denn wie steht es beispielsweise um fremde Kennzeichen in Google-AdWords-Anzeigen? Besteht eine kennzeichenrechtliche Haftung des Werbenden, wenn Google eine Verknüpfung zwischen einem fremden Kennzeichen oder eine dem geschützten Zeichen ähnliche Bezeichnung und der AdWord-Anzeige des Werbenden vornimmt? Haftet man also für Google-AdWords-Anzeigen, wenn man von der Rechtsverletzung nichts weiß?  

Zur Klärung in Sachen fremde Kennzeichen in Google-AdWords-Anzeigen hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zu entscheiden, ob eine automatische Verknüpfung eines als Unternehmenskennzeichen geschützten Keywords durch Google zu einer Störerhaftung des betroffenen Werbetreibenden führen kann.

Suchergebnisse bei Google

Der Antragsgegner beauftragte Google, AdWords-Anzeigen für kieferorthopädische Leistungen zu schalten. Genauere Vorgaben machte er nicht, sodass die Anzeigen automatisch von Google platziert wurden. Über die von Google vorgenommen Verknüpfungen hatte er keine Kenntnis.

Bei Google erschien bei Eingabe des Unternehmenskennzeichens des Mitbewerbers der mit „Anzeige“ gekennzeichnete Suchtreffer des Angebots des Kieferorthopäden. Daraufhin mahnte der Antragsteller den Antragsgegner zunächst erfolglos ab, denn auch nach der Abmahnung erschien die Anzeige weiterhin im Internet. Sodann klagte er auf Unterlassung vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG Frankfurt a.M, Urteil v. 30.10.2019, Az. 2-06 O 255/19).  Das Gericht gab dem Antrag jedoch nicht statt, denn der Kieferorthopäde sei für die Anzeige nicht als Täter verantwortlich, da er nicht selbst, sondern Google für die Verknüpfung gesorgt habe.

Störerhaftung ohne Kenntnis?

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei könne auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Allerdings setze die Haftung des Störers die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere Prüfpflichten, voraus, wenn er die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen habe, so das Gericht (OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 19.3.2020, Az. 6 U 240/19). Inwieweit dem Störer eine Prüfung zuzumuten sei, richte sich sodann nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.

Eine Störerhaftung könne demnach jedoch erst ab der Kenntnis über die Verknüpfung angenommen werden. Von dem Umstand, dass Google die Anzeige auf Eingabe des Antragsteller-Unternehmenskennzeichens auswarf, habe der Antragsgegner erst durch die Abmahnung erfahren, sodass schon eine Störerhaftung für die vor der Abmahnung ausgeworfenen Anzeigen ausscheiden müsse. Der Frage, ob die nach der Abmahnung gezeigten Anzeigen grundsätzlich eine Störerhaftung begründen können, widmet sich das Oberlandesgericht gerade nicht und lässt sie offen.

Keine markenmäßige Benutzung bei erkennbarer Anzeige

Weiter hat sich das OLG Frankfurt a.M. zur Zulässigkeit von Google-Ads Anzeigen geäußert und sah demnach in der Anzeige keine Markenrechtsverletzung.

Voraussetzung für die Annahme einer Markenrechtsverletzung ist zunächst die markenmäßige, beziehungsweise kennzeichenmäßige Benutzung des Unternehmenskennzeichens. Demnach muss die konkrete Benutzungshandlung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen können, andernfalls scheidet eine Markenverletzung aus. Die Verwendung von Google-AdWords kann grundsätzlich eine markenmäßige Benutzung darstellen, weil der Verkehr davon ausgehen wird, dass eine Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber besteht. Das Gericht stellt jedoch klar, dass es an einer markenmäßigen Benutzung nach der Rechtsprechung zu AdWord-Anzeigen gerade dann fehle, wenn die geschaltete Anzeige als solche klar erkennbar sei (BGH NJW-RR 2014,356). Demnach sei die Verwendung von Begriffen in GoogleAds, die nach dem Markengesetz (MarkenG) geschützt sind, dann zulässig, soweit die Anzeigen in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheinen – so sei dem Verkehr klar, dass die von Google angezeigten Angebote nicht ausschließlich vom Markeninhaber stammen. Weiter sei erforderlich, dass die Anzeige weder die Marke noch einen sonstigen Hinweis auf den Markeninhaber oder deren Produkte enthalte.

Allerdings sieht das Gericht eine Markenverletzung durch die Keyword Nutzung dann als gegeben an, wenn für Dritte aufgrund der allgemeinen Bekanntheit eines Vertriebsnetzes des Markeninhabers die Vermutung einer Verbindung des Markeninhabers und des Werbenden entsteht. In solchen Fällen sei eine weitergehende Kennzeichnung der Anzeigen erforderlich, um Klarheit zu schaffen. Diese Grundsätze müssen auch auf die Benutzung eines fremden Unternehmenskennzeichen übertragen werden, so das Gericht.

Unwissen schützt vor Strafe nicht – oder etwa doch?

Beauftragt ein Unternehmen die Firma Google mit der Schaltung nicht näher bezeichneter AdWords-Anzeigen und verwendet Google daraufhin eigenmächtig fremde Unternehmenskennzeichen, haftet der Werbetreibende für Markenrechtsverletzungen nicht anfänglich als Täter oder Störer. Vielmehr komme eine Haftung erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem das beauftragende Unternehmen Kenntnis von der vermeintlichen Rechtsverletzung erlangt. Erst dann könne von einem Verstoß gegen die bestehende Prüfpflicht ausgegangen werden, sofern das Keyword dann nicht bereits auf die „Blacklist“ verschoben wurde.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. stellt klar, dass ein Google-AdWords-Kunde im Falle einer Markenrechtsverletzung für seine Anzeige frühestens ab Kenntnis darüber als Störer angesehen werden könne – dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn Google automatisch ein markenrechtlich geschütztes Wortzeichen als AdWord zur Anzeige hinzufügt. Also gilt wohl eher: Unkenntnis schützt vor der Annahme der Störereigenschaft!

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