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Das Streaming von Videospielen ist kein rechtsfreier Raum

Das Streaming von Videospielen ist kein rechtsfreier Raum
Photo by Caspar Camille Rubin on Unsplash

Ohne das Streaming wäre die Gaming- und E-Sportszene jetzt nicht das, was sie ist und die Profi-E-Sportler nicht so berühmt, wie sie sind. Die Möglichkeit, sich selbst beim Spielen zu filmen und das Game live kommentierend ins Internet zu stellen, ist beliebt und wird von allen Gameliebhabern gerne als Plattform der Interaktion genutzt.

Während der Spieler seine besten Strategien preisgibt und indirekt für das Spiel wirbt, können die Zuschauer den Spielverlauf mitverfolgen und über die Kommentarfunktion ihren Teil zur Unterhaltung beisteuern.

Doch auch dieser Spaß hat seine Grenzen – oder? Bisher ist das Videospiel-Streaming rechtlich nicht geregelt. Was sollte beim Streaming also unbedingt beachtet werden? Wir klären auf! 

Hat Streaming nicht etwas mit Musik zu tun?

Wenn man nicht gerade aus der Gamingszene kommt, dann ist der Begriff „Streaming“ eher aus der Musikbranche bekannt. Unter Streaming versteht man das Empfangen und Wiedergeben von Daten aus einem Netzwerk, ohne das eine dauerhafte Speicherung der Daten auf dem Endgerät erfolgt. Bekannte Beispiele sind digitale Streamingdienste wie Spotify oder Deezer, bei denen die Nutzer beliebig viele Audio- und Videodateien über das Internet abrufen und sofort auf dem Endgerät übertragen kann, ohne einen Download des Inhaltes vorzunehmen. Es erfolgt lediglich eine temporäre Zwischenspeicherung, die viel Geld und (Speicher-) Platz sparen lässt. 

Beim Video-Streaming überträgt der Gamer das Spiel aus seiner Perspektive live ins Internet. Über verschiedene Portale – das berühmteste ist hier twitch.tv – können die Zuschauer den Spielverlauf ohne Zugangsbeschränkungen, Downloads oder Speicherung mitverfolgen. Schon an dieser Stelle birgt sich ein juristische Problem. 

Ist das Videospiel-Streaming noch ein zulassungsfreies Telemedium oder schon Rundfunk?

Wer im Internet streamt, sollte wissen, ob er hierfür nicht eine sog. Rundfunkzulassung („Lizenz“) benötigt, die bei der Kommission für Aufsicht und Zulassung der Landesmedienanstalten (ZAK) beantragt werden muss und bis zu 5.000 EUR kosten kann. Die Veranstaltung von Rundfunk ohne eine Zulassung stellt zudem eine Ordnungswidrigkeit dar.

Grundsätzlich zulassungsfrei sind Videos auf Abruf (,,on-Demand“), bei denen die Nutzer den Startzeit­punkt der Sendung individuell bestimmen kann. Dies ist zum Beispiel bei den Videos auf YouTube.de der Fall. Somit handelt es sich gem. § 2 Abs. 1, 4 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) um Rundfunk, wenn ein Angebot zeitgleich entlang eines Sendeplans verbreitet ( sog. „lineare Verbreitung“) und zuvor journalistisch-redaktionell gestaltet (= Verbreitung von bearbeiteten Bewegbildern) wird. Die Kontrollfragen ist also hier: Erfolgt die Übertragung einmalig zu einer ganz bestimmten Zeit oder ist der Inhalt jederzeit auf Abruf verfügbar? Sind die Bewegbilder journalistisch-redaktionell gestaltet? Dabei wird nicht zwischen Fernsehen, Internet oder Stream unterschieden. 

Sobald der Nutzer also nicht selbst bestimmen kann, wann das Angebot startet oder endet, liegt eine lineare Verbreitung vor, weil die Auswahl, Zusammenstellung und zeitliche Planung einzelner Sendungen bereits nach einem Sendeplan feststeht, auf die kein Einfluss genommen werden kann. Außerdem unterliegen die Bewegbilder einer journalistisch-redaktionellen Ausgestaltung sobald z.B. mehreren Kameras eingesetzt werden oder eine Kommentierung des Geschehens stattfinden. Eine solche Verbreitung von Bewegbildern ist Rundfunk und bedarf einer Rundfunkzulassung. Alles was hingegen nicht Rundfunk ist, ist dann ein zulassungsfreies Telemedium. 

Ob ein Videospiel-Streamer eine Zulassung beantragen muss, sollte im Einzelfall geprüft werden. Insbesondere dann, wenn er regelmäßig zu bestimmten Zeiten, häufig und aus aktuellen Anlässen streamt und seine Zuschauer über bevorstehenden Streams in sozialen Netzwerken informiert und in direkter Kommunikation zu diesen steht. 

Welche Auswirkung hat diese Unterscheidung auf weitere Rechte und Pflichten des Streamers?

Die Unterscheidung führt natürlich auch zur Frage, ob dann das Telemediengesetz (TMG) oder der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) zur Anwendung kommt. Das könnte für den Streamer dahingehend interessant sein, weil sich für ihn und sein Streamingkanal unterschiedliche Impressumpflichten, nämlich einmal nach § 5 TMG oder nach § 55 RStV, ergeben könnten. Außerdem müsste er seine Werbemaßnahmen entweder an §§ 5a Abs. 6, 6 Abs. 1 Nr. 1 (Kennzeichnungs- und Trennungsgebot) und 2 (Identifizierungsgebot) TMG oder an §§ 2 Abs. 2 Nr. 7, 7 Abs. 3, 7a RStV anpassen. 

Jugendschutz über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

Jedoch ist dem Jugendschutz gleich, ob Videospiel-Streaming ein Telemedium oder Rundfunk ist, da in beiden Fällen der Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) mit seinen gestaffelten Sendezeiten nach den USK-Freigaben des Spiels zur Anwendung kommt. Danach sollten Spiele ab 18 Jahren in der Zeit von 23 bis 6 Uhr und Spiele ab 16 Jahren in der Zeit von 22 bis 6 Uhr gestreamt werden, § 5 Abs 1, 4 JMStV. Für Spiele ab bzw. unter 12 Jahren ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. Bezüglich des Inhalts sind gem. § 4 JMStV insbesondere pornografische und kriegsverherrlichende Darstellungen verboten. 

Geduldete Verstöße gegen das Urheberrecht sind die Regel

Auch im Rahmen des Urheberrechts ergeben sich keine Besonderheiten. Denn Computerspiele sind als hybride Werke weiterhin nach §§ 69a ff. Urhebergesetz (UrhG) und ihre einzelne Bestandteile nach §§ 2 ff. UrhG geschützt. Deshalb sind beim Streamer auch zwei urheberrechtliche Verstöße denkbar. Zum einen könnte eine unerlaubte Vervielfältigung gem. § 16 Abs. 1 UrhG und § 69c Abs. 4 UrhG vorliegen, wenn der Streamer seine Übertragung auf die Server der Plattform hochlädt und speichert. Zum anderen ein Verstoß gegen § 69c Abs. 1 UrhG, wenn der Rechtsinhaber, hier in der Regel der Publisher bzw. Spielentwickler, die öffentliche Wiedergabe des Computerprogramms nicht gestattet hat. Zwar besteht hier keine große praktische Relevanz, weil gerade diese Verstöße für die Spieleentwickler einen wünschenswerten Nebeneffekt der Werbung und Verbreitung haben, doch auch hier ist Vorsicht geboten. Diese konkludente Duldung der Eingriffe kann jederzeit einseitig widerrufen werden. Insbesondere, wenn nicht klar ist, wie die Verwendung und Lizenzierung des Spiels im Spieleentwicklungs- und Publishervertrag Niederschlag gefunden hat. Bevor der Streamer sich dafür entscheidet, seinen Spielverlauf live zu übertragen, sollte er sich beim Publisher informieren, welche besonderen Regeln dieser dafür vorschreibt und ob bereits eine Duldungserklärung veröffentlicht wurde.

Einwilligung in AGB unumgänglich

Darüber hinaus sollte sich jeder Streamer bewusst sein, dass er selbst den Dienst einer digitalen Plattform in Anspruch nimmt, bei der er zuvor der plattformeigenen AGB zugestimmt hat. Die Twitch-AGB verbieten und dulden z.B. keine Verstöße gegen Gesetze, Gewalt oder Bedrohung, Identitätsdiebstähle, sexuelle Inhalte oder die nicht autorisierte Weitergabe privater Inhalte. Bei Zuwiderhandlung droht dem Nutzer eine zeitliche Sperre oder gar ein kompletter Ausschluss aus der Community sowie strafrechtliche Verfolgung. Damit soll auch im Netz kein rechtsfreier Raum entstehen, den einige für sich ausnutzen. 

Auch wenn das Streaming im Gaming und E-Sport gesetzlich noch nicht ausdrücklich geregelt ist, ist dennoch klar, dass Streamer sich nicht im rechtsfreien Raum bewegen. Vielmehr sollte ihr Verhalten dem gleichstehen, was auch im realen Leben rechtmäßig und erlaubt ist. Streamer sein Teil einer Community und sollten sich ab einer gewissen Größe (z.B. wenn mit dem Streaming bereits Geld verdient wird) ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. 

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