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Keine Bildzeitung, aber roter Umschlag – Was tun?

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Der Springer-Verlag hat es nun tatsächlich getan.

Am 23.6.2012 erhielten alle Haushalte Deutschlands, außer denen, die einer solchen Zustellung widersprochen haben, eine Gratisausgabe der Bild-Zeitung zur Feier von deren 60. Geburtstag.

Nachdem zunächst unklar war, ob der Springer-Verlag die geplante Aktion insbesondere vor dem Hintergrund einer nicht unerheblichen Protestwelle tatsächlich durchführen würde, machte der Springer-Verlag seine Ankündigung nun wahr. Findige Köpfe hatten dort offenbar eine Lösung für das organisatorische Problem gefunden, nicht nur denjenigen die Bild-Zeitung nicht zukommen zu lassen, die einen entsprechenden Aufkleber („Keine Bild“, o.ä.) am Briefkasten haben, sondern auch denen, die gegenüber dem Springer-Verlag einer Zustellung der Bild-Zeitung schriftlich widersprochen haben.

System Roter Umschlag

Dass auch die schriftlich Widersprechenden trotz der Tatsache, dass dieser Widerspruch für den jeweiligen Zusteller nicht ersichtlich ist, keine Bild-Zeitung erhalten, sollte das System „Roter Umschlag“ sorgen. Der Springer-Verlag hatte nämlich, wie aus einem internen Schreiben an die Post Mitarbeiter hervorgeht, einen Infopostbrief für diejenigen vorgesehen, die der Zustellung der Bild-Zeitung widersprochen hatten und wollte so offenbar die „Verweigerer“ für die Zusteller kenntlich machen.

Das System hat nicht immer funktionert

Den Kommentaren zu unserem Blogbeitrag ist zu entnehmen, dass die selektive Zustellung der Bild-Zeitung erwartungsgemäß Probleme bereitet hat. So haben manche trotz Aufkleber eine Bild-Zeitung erhalten. Andere wiederum haben trotz Widerspruch den ominösen roten Umschlag und die Bild-Zeitung erhalten. Bei wieder anderen ist offenbar der schriftliche Widerspruch vollständig ignoriert worden.

Wenn bei der Zustellung der Aufkleber am Briefkasten oder sogar der schriftliche Widerspruch einfach übergangen worden sind, kann der Springer-Verlag diesbezüglich auf Unterlassung in Anspruch genommen („abgemahnt“) werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Widerspruch absichtlich ignoriert worden ist, oder ob es sich nur um ein Versehen des Postboten handelte. Der Springer-Verlag haftet in jedem Fall als genannter mittelbarer Störer. (vgl. BGH, Urteil v. 20.12.1988, Az. VI ZR 182/88). Eine solche Abmahnung kann jeder ohne einen Anwalt aussprechen. Spätestens, wenn gerichtliche Schritte anstehen, empfiehlt es sich natürlich, einen Anwalt einzuschalten.

Kann man sich auch gegen den roten Umschlag wehren?

Neben zahlreichen Kommentaren und E-Mails diesbezüglich haben uns auch einige Leser geschrieben, die wissen wollten, ob sie sich auch gegen die Zusendung des ominösen roten Umschlags zur Wehr setzen können.

In diesem Schreiben wird den Empfängern der Widerspruch und die Löschung der Adressdaten bestätigt. Zusätzlich wird behauptet, dass zahlreiche Widersprüche eingegangen seien, die unzutreffende Absenderangaben enthielten. Falls man zu den Betroffenen gehören sollte, die nun keine Jubiläums-Bild erhalten haben, obwohl man sich darüber gefreut hätte, solle man dies dem Springer-Verlag mitteilen. Es werde dann ein persönliches Exemplar nachträglich zugeschickt. Der vollständige Inhalt des so versandten Infobriefes ist übrigens beim Kollegen Schwartmann einzusehen.

Unseres Erachtens kann man sich auch gegen diese Zusendung wehren. Wenn man zuvor jeglicher Zusendung durch den Springer-Verlag widersprochen hat, dann muss man sich auch die Zusendung des ominösen roten Umschlags nicht gefallen lassen.

Was soll das alles? Kann man den Umschlag nicht einfach wegwerfen?

Manche werden vielleicht an dieser Stelle einwenden, dass man den Briefumschlag doch einfach wegwerfen und seine wertvolle Zeit anderweitig verwenden könne. Uns interessiert die Fragestellung jedoch nicht nur vor dem rechtlichen Hintergrund (bereits in den siebziger Jahren hat sich der BGH mit einem Widerspruch gegen Briefwerbung befasst – BGH, Urteil v. 16. 2. 1973 – I ZR 160/71) sondern auch deswegen, weil der Springer Verlag  hier – wie so häufig – Rechte Einzelner ganz bewusst und systematisch missachtet, um die groß angelegte und sicherlich lukrative Werbeaktion nicht zu gefährden.

Machtdemonstration des Springer-Verlags

Unseres Erachtens handelt es sich bei der Nachricht im roten Kuvert nur zum Schein um eine individuelle Nachricht bzw. eine Antwort auf einen Widerspruch und in Wirklichkeit um den Versuch, den organisatorischen Aufwand, der dadurch entsteht, die individuellen Widersprüche berücksichtigen zu müssen, auf Kosten der Postboten bzw. der Widersprechenden möglichst gering zu halten. Vor dem Hintergrund, dass die Nachricht zigtausendfach per Infopost verschickt worden ist, ist nämlich anzunehmen, dass diese inhaltsgleich an alle Widersprechenden geschickt worden ist.

Zusätzlich konnte der Axel-Springer-Verlag unter dem Vorwand des Antwortschreibens auch den Widersprechenden ein „freundliches“ Angebot zukommen lassen. Last, but not least kann man davon ausgehen, dass der Springer-Verlag damit auch die  Möglichkeit genutzt hat, seine Macht zu demonstrieren. Nach dem Motto: You can run but you cannot hide: Wer keine Bild möchte, bekommt erst recht Post von uns.

Erfolgsaussichten einer Klage

Ob diese Erwägungen auch zu einem Unterlassungsanspruch führen, hängt von einer Interessenabwägung ab, die im Rahmen des § 823 bei der Prüfung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung immer vorgenommen werden muss. Mit anderen Worten, die Erfolgsaussichten richten sich nach dem Empörungsgrad des zur Entscheidung berufenen Richters. Diesen müsste man beim Landgericht Berlin (Sitz des Springer-Verlags) in einer Klage abfragen.

Diese kostet natürlich Zeit und Nerven und ist mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko verbunden. Wir haben daher vollstes Verständnis dafür, dass viele – ganz im Sinne des Springer-Verlags – rechtliche Schritte scheuen. Das Mindeste, was man tun kann, ist beim nächsten Mal an der Tankstelle vor dem Griff zur Bild-Zeitung an die Aktion zurück zu denken. (la)

(Bild u.a.: © Yvonne Weis – Fotolia.com)

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