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BGH: Vergabe von Werbegeschenken bei rezepflichtigen Medikamenten ist wettbewerbswidrig

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Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Apotheken beim Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten keine Werbegeschenke verteilen dürfen.

Nach Ansicht der Richter liegt hierin ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel.

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Ausgangspunkt der Entscheidung war die Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen eine Apotheke vor dem Landgericht Darmstadt. Die Pharmazie hatte diversen Kunden beim Kauf von rezeptpflichtigen Medikamenten einen Brötchen-Gutschein über zwei „Wasserweck“ oder alternativ einen „Ofenkrusti“ kredenzt. Einlösen konnte der erfreute Käufer den Coupon beim örtlichen Bäcker.

Sowohl das Landgericht Darmstadt als auch das Oberlandesgericht Frankfurt als Berufungsinstanz gaben der Klägerin im Ergebnis Recht (LG Darmstadt, Urteil v. 10.6.2016, Az. 14 O 186/15, OLG Frankfurt, Urteil v. 2.11.2017, Az. 6 U 164/16). Wir berichteten:

Die Richter waren hier der Auffassung, die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins beim Kauf eines verschreibungspflichtigen Medikamente verstoße gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel. Diese sind im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) zu finden. In § 78 abs. 2 S. 2 und 3 AMG heißt es entsprechend:

(2) Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52b. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

Bei diesen Vorschriften handele es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3 a) des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), weswegen ein Verstoß zugleich wettbewerbswidrig sei. Zweck der Regelungen sei grundsätzlich, den Preiswettbewerb unter den Apotheken zu regulieren. Ein Verstoß liege nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Mittel zu einem günstigeren Preis anbietet. Auch wenn für solche Medikamente zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber verbunden mit dem Erwerb Vorteile gewährt werden, liege eine Zuwiderhandlung vor. Dann nämlich erscheine der Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger als einer konkurrierenden Apotheke, was den Wettbewerb in unlauterer Weise beeinflusse.

Zwar habe die Rechtsprechung in älteren Urteilen bei vergleichbaren Fällen die für einen Wettbewerbsverstoß erforderliche Spürbarkeit verneint, und bei der Zuwendung geringwertiger Güter beim Kauf von Medizin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) nicht angenommen. An dieser Auffassung könnte indes nicht weiter festgehalten werden, nachdem der Gesetzgeber die entsprechende Vorschrift in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG um die Regelung ergänzt habe, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes Zuwendungen oder Werbegeschenke unzulässig sind. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG lautet:

(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten;

Ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz als Marktverhaltensregel liege demnach bei der Abgabe von Werbegeschenken ebenfalls vor.

Und führe uns bis nach Karlsruhe

Nachdem das OLG Frankfurt die Revision zugelassen hat, hat nun der Bundesgerichtshof ein abschließendes Urteil in der Sache gefällt. Allerdings hatte die Beklagte auch hier keinen Erfolg, die Richter in Karlsruhe sahen in der Abgabe von Werbegeschenken bei rezeptpflichtigen Medikamenten ebenfalls einen Verstoß gegen das UWG (BGH, Urteil v. 6.6.2019, Az. I ZR 206/17).

Der Anwendung der in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG genannten Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) für in Deutschland ansässige Apotheken stehe auch ein Urteil des europäischen Gerichtshofs nicht entgegen. Hier hatten die Richter die Auffassung vertreten, die Regelungen über die Preisbindung für Apotheken in anderen Mitgliedstaaten verstießen gegen die europarechtliche Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV). Diese bezweckt den Schutz des europäischen Binnenmarktes. So werden den EU-Ländern bestimmte Verhaltensweisen untersagt, die den Handel mit anderen Unionsstaaten erschweren. Es könne insofern als Diskriminierung angesehen werden, wenn inländische Apotheken an die Preisvorschriften gebunden sind, während Einrichtungen in anderen europäischen Ländern diese nicht zu befolgen haben. Auf nationale Sachverhalte sei diese Warenverkehrsfreiheit indes ohnehin nicht anwendbar, hier seien die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes einschlägig.

in Ewigkeit, Fazit

Eine der Hauptaufgaben des UWG ist es, den fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmern sicherzustellen. Einfach ausgedrückt, sorgt das Gesetz dafür, dass beim metaphorischen 100-Meter-Sprint alle Läufer auf der gleichen Linie starten. Auf diese Weise wird aber auch das Interesse der Allgemeinheit und der Verbraucher an einem transparenten und unlauteren Markt geschützt.

Vorschriften wie das Arzneimittelgesetz stellen im Detail sicher, dass in einem bestimmten Sektor alles fair von statten geht. Verschreibungspflichtige Medikamente sind deshalb an bestimmte Preise gebunden, damit eine flächendeckende und vor allem gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.

Darüber hinaus verfolgt das Verbot von Werbegaben bei Pharmazeutika den Zweck des Gesundheitsschutzes der Verbraucher. Im Zusammenhang mit dem Kauf von Arzneien soll der Kunde so keinerlei Beeinflussung ausgesetzt sein. Seine Entscheidung, wo er im Einzelnen die Mittel erwirbt, darf nicht aus wirtschaftlichen Beweggründen heraus geschehen.

„Werbung“ sollen Apotheken daher lediglich mit ihrer Kompetenz, Sachlichkeit und Vertrauenswürdigkeit machen können. Von der Zugabe von Gutscheinen und anderen Werbegeschenken sollte daher grundsätzlich abgesehen werden, andernfalls drohen Unterlassungsansprüche und teure Abmahnungskosten.

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