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EuGH: Onlinehändler müssen über Herstellergarantie informieren

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Der EuGH hat in einem aktuellen Urteil vom 05.05.2022  entschieden, dass ein Händler bei Amazon (und anderen Online-Marktplätzen und Handelsplattformen) umfassend über eine Herstellergarantie belehren muss, wenn die Garantie als zentrales oder entscheidendes Merkmal des Produkts dargestellt wird und wenn die Informationen für die Kaufentscheidung relevant sein könnten. Eine generelle Pflicht zur Angabe sei dagegen unverhältnismäßig (EuGH, Urteil v. 05.05.2022, Az.C-179/21). 

Herstellergarantien sind in der Wirtschaft ein wichtiges Instrument zur Absatzförderung und räumen Endkunden, welche zumeist Verbraucher sind, parallel zu ihren kaufrechtlichen Gewährleistungsrechten gegenüber dem Verkäufer zusätzliche Rechte gegen den Hersteller einer Kaufsache ein, falls diese die vom Hersteller versprochene Beschaffenheit nicht bzw. nicht für die gesamte Dauer des Garantiezeitraums aufweist.

Bereits zuvor hat LHR über die Vorlagefragen des BGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV berichtet.

Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde: 

Ein deutsches Handelsunternehmen bot auf der Online-Handelsplattform von Amazon Taschenmesser eines Schweizer Herstellers an. Die Amazon-Angebotsseite enthielt keine Angaben zu einer von dem Handelsunternehmen oder einem Dritten gewährten Garantie, aber unter der Rubrik „Weitere technische Informationen“ einen Link, über den der Nutzer auf ein vom Hersteller formuliertes Informationsblatt zugreifen konnte.

Ein Konkurrenzunternehmen war der Ansicht, dass das deutsche Handelsunternehmen keine ausreichenden Angaben zu der vom Hersteller gewährten Garantie gemacht habe und erhob auf Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften über den unlauteren Wettbewerb eine Klage auf Unterlassung solcher Angebote gegen das Handelsunternehmen.  

Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV

Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV stellte der mit der Rechtssache befasste Bundesgerichtshof drei Vorlagefragen an den EuGH zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, mit denen geklärt werden sollte, inwieweit Internethändler Verbraucher über Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren müssen.

Streitentscheidend war, ob die Informationspflicht aus § 312 d I 1 BGB iVm Art. 246 a § 1 I 1 Nr. 9 EGBGB verletzt wurde. Diese Regelungen dienen der Umsetzung von Art. 6 I Buchst. m RL 2011/83/EU.

Der BGH äußerte Zweifel, ob ein Unternehmer in der Situation der Beklagten des Ausgangsverfahrens auf Grundlage der Verbraucherrechterichtlinie verpflichtet sei, den Verbraucher über das Bestehen einer vom Hersteller angebotenen gewerblichen Garantie zu informieren. Dabei warf er auch die Frage nach dem Umfang und den Voraussetzungen einer solchen Pflicht auf. 

Umfassende Informationspflicht bei berechtigtem Verbraucherinteresse 

Der europäische Gerichtshof entschied nunmehr, dass ein Unternehmer dem Verbraucher vorvertragliche Informationen zu einer gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen hat, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse an einer Kaufentscheidung hat. 

Dies sei insbesondere erforderlich, damit der Verbraucher die Entscheidung treffen kann, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Teil der Informationen könnten neben der Garantiedauer und dem Geltungsbereich auch der Reparaturort, mögliche Beschränkungen der Garantie sowie Name und Anschrift des Garantiegebers sein.

Eine unbedingte Verpflichtung, solche Informationen stets zur Verfügung zu stellen, sei dagegen unverhältnismäßig, da dies Unternehmer dazu zwingen würde, die Informationen über eine solche Garantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren, so der EuGH. 

Berechtigtes Interesse bei Garantieversprechen als Verkaufs- oder Werbeargument

Ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers liege nach Ansicht des EuGH evident dann vor, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht, insbesondere, wenn er daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herleitet, um die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern. Hierbei seien der Inhalt und die allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie alle Gesichtspunkte, die ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen könnten.

Fazit

Das Urteil des EuGH zeigt, dass Onlinehändler, die ihr Angebot mit einer Garantie bewerben, sämtliche Informationen hinsichtlich der Garantie bereitstellen müssen, auch wenn es sich dabei nicht um eine eigene, sondern um die Garantie des Herstellers handelt. Dies jedenfalls dann, wenn die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal des Angebots gemacht wird. Andernfalls riskieren sie eine Abmahnung. Die Entscheidung des EuGH sorgt endgültig für Rechtssicherheit hinsichtlich der umstrittenen Frage, ob bereits das bloße Bestehen einer Herstellergarantie eine Pflicht zur Information hierüber auslöst, indem die Entscheidung die Voraussetzungen klar benennt unter denen eine Informationspflicht des Händlers besteht. 

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