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Das Zeichen „durchgestrichene Abfalltonne“ ist bei Elektrogeräten Pflicht, sonst drohen Abmahnungen

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ElektroG Marktverhaltensregelung
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Leere Batterien, alte Glühbirnen oder sonstige, defekte Elektrogeräte sammeln sich häufig zuhause, bis wir sie entsorgen – denn Elektro- und Elektronikgeräte dürfen nicht einfach über den Hausmüll entsorgt werden.

Auf diese Tatsache weist die Kennzeichnung mit einer durchgestrichenen Abfalltonne auf der Produktinformation oder dem Produkt selber hin. Laut § 9 Abs. 2 Elektrogesetz ist diese Kennzeichnung Pflicht.

Doch nicht jeder Verstoß gegen ein Gesetz ist auch zugleich wettbewerbswidrig. Kennzeichnet der Hersteller sein Produkt nicht, bedeutete dies nicht auch, dass ein Verstoß gegen § 3a Gesetz zum unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegt. Vielmehr fordert die Regelung einen Verstoß gegen eine sogenannte „Marktverhaltensregel“ – stellt § 9 Abs. 2 Elektrogesetz eine solche dar?  

Das Landgericht Dortmund (LG) entschied: § 9 Abs. 2 Elektrogesetz sei eine Marktverhaltensregelung, da ein wettbewerblicher Zweck dessen nicht mehr verneint werden könne.

Welche Rolle spielt die „durchgestrichene Mülltonne“?

Die Parteien vertreiben Leuchten und Leuchtmittel in ihren Onlineshops und streiten über eine Kennzeichnungsflicht dieser Leuchten nach § 9 Abs. 2 Elektrogesetz (ElektroG). Die Klägerin bestellte Leuchten bei der Beklagten. Darunter befanden sich auch solche Lampen, bei denen die Kennzeichnung mit dem Symbol einer „durchgestrichenen Mülltonne“ lediglich auf der Verpackung oder Gebrauchsanweisung abgebildet sind, nicht aber auf dem Produkt selber.

Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Sie war der Ansicht, dass es sich bei der Norm, welche die Kennzeichnung mit der durchgestrichenen Mülltonne regelt, um eine sogenannte Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG handelt. Die Beklagte bringt dem entgegen, die Regelung diene allein dem Umweltschutz und zudem sei eine Anbringung des Symbols auf dem Boden der Lampen nicht geeignet, da das Symbol aufgrund der Größe weder sichtbar noch erkennbar sei. Damit sei das Elektrogesetz auf Lampen und Leuchtmittel auch gar nicht anwendbar.

LG Dortmund: ElektroG regelt auch das Marktverhalten

Nach § 3a UWG stellen Marktverhaltensregelungen Vorschriften dar, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder des Bezugs eines Unternehmens dient. Unerheblich ist, ob eine unmittelbare oder nur eine mittelbare Förderung erfolgen soll. Ebenso wird das Marktverhalten durch Produktkennzeichungsvorschriften sowie durch die den Vertrieb von Produkten beschränkenden Regelungen geregelt. Diese Regelungen dienen primär den Interessen der Marktteilnehmer. Unerheblich sei, ob es durch einen Verstoß gegen die Vorschrift zu spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb kommen muss oder kommen kann. Denn die Spürbarkeit der Auswirkungen stellt eine weitere Voraussetzung dar, um dieses Verhalten als unlauter anzusehen im Sinne des § 3a UWG. Somit muss der Verstoß gegen die jeweilige Vorschrift geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Nun fragt sich, ob auch § 9 Abs. 2 ElektroG das Marktverhalten regelt? Gemäß § 9 Abs. 2 ElektroG sind Elektro- und Elektronikgeräte mit dem Symbol der „durchgestrichenen Mülltonne“ dauerhaft zu kennzeichnen. Doch um als Marktverhaltensregel zu gelten, müsste die Vorschrift auch den Schutz der Interessen der Marktteilnehmer bezwecken und nicht lediglich auf den Umweltschutz abzielen. Das LG Dortmund (LG Dortmund, Urteil v. 27.04.2020, Az. 10 O 16/19) hat die Qualifikation als Marktverhaltensregelung unter anderem mit § 1 Satz 3 ElektroG begründet:

„Um diese abfallwirtschaftlichen Ziele zu erreichen, soll das Gesetz das Marktverhalten der Verpflichteten regeln.“

Der wettbewerbsrechtliche Zweck des § 9 Abs. 2 ElektroG könne nicht mehr bestritten werden, nachdem der Gesetzgeber § 1 ElektroG im Jahr 2005 ergänzt habe. Außerdem sei das Interesse des Verbrauchers, beim Kauf erkennen zu können, ob er das Produkt im Hausmüll entsorgen kann, zumindest sekundär berührt. Das zeige aber vor allem, dass es sich bei einem Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht auch um einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß handle, so das LG Dortmund.

Symbol auf Gebrauchsanweisung nicht ausreichend

Zwar regelt § 9 Abs. 2 Satz 2 ElektroG eine Ausnahme, wonach, wenn es auf Grund der Größe oder der Funktion des Elektrogerätes erforderlich ist, das Symbol statt auf dem Gerät auf die Verpackung, die Gebrauchsanweisung oder den Garantieschein zu drucken. Aber dies sei nur dann anzunehmen, wenn das Produkt so klein sei, dass das Symbol nicht mehr sichtbar anzubringen ist oder nur auf Bedien- und Gelenkflächen angebracht werden könnte. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, man hätte die „durchgestrichene Mülltonne“ ohne jegliche Funktionsbeeinträchtigung am Boden der Lampen anbringen können. Denn könne nicht davon ausgegangen werden, dass Verbraucher auch tatsächlich einen Blick in die Gebrauchsanweisung wagen – umso mehr müsse davon ausgegangen werden, wenn es sich um alltägliche Produkte handle. Schließlich seien Geräte in diesem Fall auch nicht vom Anwendungsbereich des Elektrogesetzes ausgenommen: Lampen würden ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, lediglich Glühlampen seien ausgenommen.

Zudem liege die erforderliche Spürbarkeit des Verstoßes vor, da das streitgegenständliche Symbol geeignet sei, die Kaufentscheidung von Verbrauchern zu beeinflussen, so das Gericht. So könne die Annahme, das Gerät nach Gebrauch im Hausmüll entsorgen zu können, den Verbraucher zumindest von der Ausübung des Widerrufsrechtes abhalten. Auch hier zeige sich, dass eine Kennzeichnung in der Gebrauchsanweisung möglicherweise nicht zur Kenntnis genommen werde, da es nahe liege, dass die Lampe intuitiv in Benutzung genommen werde.

Kennzeichnungspflicht nach § 9 Abs. 2 ElektroG = Marktverhaltensregelung

Produktvorschriften haben eine erhebliche Relevanz auf das Wettbewerbsrecht. Etwaige Verstöße können schwerwiegende Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Vertrieb von Produkten haben. Nun schließt sich das LG Dortmund mit der Entscheidung der Ansicht an, nach der die Kennzeichnungspflicht nach § 9 Abs. 2 ElektroG eine Markverhaltensregel darstelle.

Aufgepasst: Hersteller und Importeure von Elektro- und Elektronikgeräten sollten für eine ausreichende Kennzeichnung des Produkts sorgen. Es sei denn, sie können sich verlässlich auf die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 S. 2 ElektroG berufen. Ansonsten gilt: Die „durchgestrichene Mülltonne“ gehört auf das Produkt und nicht „nur“ auf die Verpackung, die Gebrauchsanweisung oder das Handbuch.

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