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beA: Unwirksame Zustellung kann geheilt werden

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Photo by Wesley Tingey on Unsplash

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist seit dem 1. Januar 2022 für alle Rechtsanwälte verpflichtend. Daher müssen sie den Gerichten alle Dokumente elektronisch übermitteln und unterliegen nun einer „aktiven Nutzungspflicht“. 

Ziel ist sowohl die Erreichbarkeit der verschiedenen Gerichte als auch die vereinfachte elektronische Kommunikation mit anderen Personen und Stellen – insbesondere auch die Kommunikation unter Rechtsanwälten. Das Landgericht Hagen entschied nun, dass die Übermittlung per beA und dem rechtzeitigen Zugang des Schriftstücks in elektronischer Form, etwaige Zustellungsmängel gem. § 189 ZPO heilen könne. 

Zustellung eines inhaltsgleichen Schriftstücks per beA

Die Verfügungsklägerin verlangte am 16.12.2021 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf Unterlassung Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Medizinprodukte einzeln und in Kombination unter Verwendung der Begriffe „Entsäuerung“ und/oder „Entgiftung“ sowie davon abgewandelte Begriffe zu kennzeichnen, anzubieten oder zu verkaufen. 

Bereits am 17.12.2021 erließ die Kammer die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Dem Erlass war ein gerichtliches Schreiben beigefügt. Darin teilte das Landgericht Hagen mit, dass „die Zustellung (und ggf. der Vollzug der einstweiligen Verfügung) der Partei selbst obliegt, §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO“. Eine Ausfertigung der erlassenen Beschlussverfügung sowie eine Abschrift der Beschlussverfügung mit dem obigen Inhalt wurde der Verfügungsklägerin am 21.12.2021 zugestellt. Einen Tag später forderte die Verfügungsklägerin über ihren Anwalt die Gerichtsvollzieherverteilerstelle um Zustellung auf und bat „um Rücksendung der Ausfertigung nebst Zustellvermerk“ nach erfolgter Zustellung. Wiederum einen Tag später übermittelte der Rechtsanwalt der Verfügungsklägerin per beA eine Abschrift der Beschlussverfügung nebst einfacher Abschrift der Antragsschrift dem Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zur Kenntnisnahme. Er teilte dem Kollegen darin mit, die Zustellung sei direkt an die Mandantin veranlasst worden, da ihm keine anwaltliche Vollmacht vorgelegen habe. 

Die Gerichtsvollzieherin stellte eine Abschrift des Beschlusses durch Einlegen in den Briefkasten – per Ersatzzustellung – zu. Die Abschrift war weder geheftet noch mit Faden verbunden, sondern nur durch einen Schnellhefterstreifen gehalten. Die Worte „und zugestellt am“ waren gestrichen. Aus diesem Grund legte die Verfügungsbeklagte (Antragsgenerin) Widerspruch wegen nicht rechtzeitiger Vollziehung des Erlasses nach § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO beim Landgericht Hagen ein. Sie ist der Ansicht, eine Heilung der Zustellungsmängel nach § 189 ZPO könne nicht angenommen werden, weil eine Ausfertigung des Beschlusses an keinen zugestellt worden sei und die die Übermittlung der einfachen Abschrift per beA an den Prozessbevollmächtigten dafür nicht genüge.

Technische Reproduktion des Originaldokuments ist ausreichend 

Der Widerspruch war jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht Hagen (LG Hagen, Urteil v. 16.03.2022, Az. 23 O 57/21) entschied, dass die einstweilige Verfügung zu bestätigen war. Die Vollziehungsfrist gem. §§ 936, 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO sei eingehalten worden. Denn die Verfügungsklägerin habe die Beschlussverfügung vom 17.12.2021 binnen eines Monats ab Zustellung vollzogen. 

Die Ersatzzustellung hingegen sei schon aus formalen Gründen unwirksam, so die Richter. Denn der Verfügungsbeklagten sei weder eine Ausfertigung der Beschlussverfügung noch eine zumindest durch die Gerichtsvollzieherin gefertigte beglaubigte Abschrift ausgehändigt worden. Möglicherweise sei sie auch nicht mehr die richtige Zustellungsadressatin gewesen, da die Verfügung ihrem Rechtsanwalt hätte zugestellt werden müssen nach §§ 191, 172 Abs. Satz 1 ZPO. 

Heilung der Zustellungsmängel 

Über diese Frage müsse jedoch letztlich nicht entschieden werden, stellte das Gericht fest. Denn sämtliche Zustellungsmängel seien nach § 189 ZPO geheilt. Insoweit verweist das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der BGH führte hierzu aus, dass die Heilung auch durch den Zugang eines anderen, dem zuzustellenden Dokument inhaltsgleichen Schriftstücks bewirkt werden könne. Für den tatsächlichen Zugang als Voraussetzung der Heilung sei nicht der Zugang des zuzustellenden Originals erforderlich. Schon die erfolgreiche Übermittlung einer (elektronischen) Kopie sei ausreichend. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 189 ZPO. 

Die Kammer schloss sich diesen Ausführungen an und stellte klar, dass danach eine technische Reproduktion des Originals für eine Heilung ausreichend sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass dem Prozessbevollmächtigten der Beschluss nur zur Kenntnisnahme übermittelt worden sei. Entscheidend sei vielmehr, dass sie Verfügung erkennbar mit Vollziehungswillen abgegeben worden sei. Diesen habe die Verfügungsklägerin eindeutig durch Übergabe einer Ausfertigung oder jedenfalls einer Abschrift an die Gerichtsvollzieherstelle kundgetan und dies auch dem Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten bei Übermittlung der Beschlussverfügung zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Das sei der Grund, warum bei Erhalt des beA-Schriftsatzes schon kein Zweifel am Vollziehungswillen der Verfügungsklägerin bestanden habe. 

Große Bedeutung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs

Das Ziel von beA, eine sichere elektronische und „schnelle“ Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und anderen Akteuren des elektronischen Rechtsverkehrs zu gewährleisten, spiegelt sich auch in der Entscheidung des Landgericht Hagen wider. Denn letztlich wird dadurch ein inhaltsgleiches Schriftstück lediglich über einen anderen „Weg“ übermittelt. 

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